Wer WG-Bewohnern oder Gästen den Zugang zum Internet am eigenen PC erlaubt, muss nicht automatisch dafür haften, wenn diese illegal Filme, Spiele oder Musik hochladen. Das entschied am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, der damit die sogenannte Störerhaftung für die illegale Nutzung von Internet-Tauschbörsen einschränkte.
Bei dem BGH-Urteil spielte die am Mittwoch von den Koalitionsparteien beschlossene Änderung des Telemediengesetzes zum Betrieb von offenen WLAN-Hotspots noch keine Rolle, da die vermutlich erst zum Herbst in Kraft treten.
Insgesamt urteilten die obersten deutschen Zivilrichter über sechs Fälle zur Haftung wegen der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen (Filesharing). Dabei ging es auch um die Berechnung der Höhe von Abmahngebühren durch die Musik- oder Filmindustrie.
Der Familienanschluss
Eltern müssen ihre Kinder - darauf hat der BGH schon in früheren Urteilen hingewiesen - über die Illegalität bestimmter Tauschbörsen aufklären und ihnen die Teilnahme daran verbieten. Haben sie dies getan, haften sie nicht unbedingt für die Missetaten ihrer Kleinen. Ein Familienvater, von dessen PC 809 Audiodateien öffentlich zugänglich gemacht wurden, kann sich aber nicht darauf herausreden, dass auch seine Frau und Kinder Zugriff zum Computer hatten.
Das Geschäft mit dem Musik-Streaming
Nachdem MP3-Dateien CDs und Platten ersetzten, bringt das Streaming eine vielleicht noch größere Veränderung für die Musikbranche. Denn die Nutzer zahlen nicht mehr für den Besitz von Musik, sondern deren Nutzung. Für eine Monatsgebühr erhalten sie Zugriff auf Musikkataloge mit Millionen Titeln. Zudem gibt es auch kostenlose Angebote, die über Werbung Geld einnehmen.
Laut dem Bundesverband der Musikindustrie haben die Streamingdienste stark an Bedeutung gewonnen. Derzeit (Stand Sommer 2014) haben sie einen Anteil von fünf Prozent am Musikmarkt. Nach Schätzungen sollen sie 2018 schon 35 Prozent des Marktes ausmachen.
Künstler kritisieren immer wieder die geringe Vergütung – pro gehörtem Stück erhalten sie Bruchteile eines Cents. Die Einnahmen sind bislang deutlich geringer als über die Verkaufsbeteiligungen. Trotzdem schreiben auch Streamingdienste wie Spotify Verluste. Wie sich die Kalkulationen von Streaminganbietern, Plattenfirmen und Musikern künftig ausbalancieren, ist eine der entscheidenden Fragen.
Musikfirmen hatten zu Recht angenommen, dass der Vater für das verbotene Filesharing hafte, weil weder die Mutter noch die Kinder ernsthaft in Betracht kamen, so der BGH in einem Kölner Fall (I ZR 48/15).
Die Verantwortung des Hausherrn
Wer Gäste hat oder in einer WG wohnt, muss hingegen diese nicht vorsichtshalber belehren, bevor sie den Internet-Anschluss des Hauses benutzen. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung sei eine solche Belehrung für volljährige Nutzer „nicht zumutbar“, urteilte der BGH (AZ: I ZR 86/15).
Im vorliegenden Fall hatte eine Frau aus Hamburg ihrer Nichte und deren Freund aus Australien den PC-Zugang erlaubt. Die beiden hatten vom Internetanschluss der Tante einen Film öffentlich zugänglich gemacht.
Die Bemessung der Abmahnkosten
Anhand von vier Bochumer Fällen gab der BGH Maßstäbe für Abmahnkosten vor, die Film-, Computerspiel- oder Musikfirmen bei unerlaubten Uploads verlangen können. Deren Höhe müsse sich nach dem wirtschaftlichen Wert des verletzten Urheberrechts, nach Aktualität, Popularität und Dauer der Rechtsverletzung sowie nach den subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers richten, hieß es (I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15, I ZR 44/15).
Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der Gegenstandswert der anwaltlichen Abmahnung belaufe sich stets auf das Doppelte des anzunehmenden Lizenzschadens. „Eine solche schematische Bemessung des Gegenstandswerts wird dem Umstand nicht gerecht, dass die zukünftige Bereitstellung eines Werks in einer Internet-Tauschbörse nicht nur die Lizenzierung des Werks, sondern seine kommerzielle Auswertung insgesamt zu beeinträchtigen droht“, urteilten die Karlsruher Richter. Für einen „durchschnittlich erfolgreichen Film“ solle der Gegenstandswert „nicht unter 10.000 Euro“ liegen - für einen „Blockbuster“ könne es auch mehr sein.