Fritz Joussen „Chinesische Kunden sind Innovationstreiber“

Tui profitiert von der Nachfrage nach Kreuzfahrten. Aber das Unternehmen muss sich auch mit einer Altlast vom Herbst herumschlagen. TUI-Vorstandschef Fritz Joussen ist derzeit in Shanghai und will bis 2022 eine Million neue Kunden gewinnen.

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Friedrich-Joussen Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Sie sind für die Reisemesse ITB dieses Jahr zum ersten Mal nach Shanghai gekommen. Geht für TUI nun die Sonne im Osten auf?

Fritz Joussen: Ja, ich denke schon. Wir haben mit unserer Strategie für neue Märkte das  Ziel „TUI 2022“ abgesteckt. Wir wollen unseren Umsatz auf eine Milliarde Euro steigern und eine Million neue Kunden pro Jahr dazu gewinnen. Schaffen wollen wir das in Märkten, die heute für uns als Reiseanbieter wenn überhaupt nur als Zielland eine Rolle spielen. China steht als größter Reisemarkt der Welt besonders im Fokus.

Welche Länder die Deutschen lieben und welche sie meiden
KanadaKanada steht auf Platz vier der Länder, in denen die Deutschen gerne auf Dauer wohnen würden. Länder auf den Plätzen darunter sind: Spanien, Dänemark, Neuseeland, USA, Australien und Italien.Quelle: SPLENDID RESEARCH GmbH Quelle: dpa
SchwedenDas Königreich Schweden mit seinen Wäldern und Elchen ist nicht nur das drittliebste Land als Wohnort, sondern auch das viertbeliebteste Land, um Urlaub zu machen, und steht in der Sympathie der Deutschen gar auf Platz eins. Quelle: dpa
SchweizDas Land der Gipfel und Höhen liegt auf Platz zwei der Länder als Wohnort. Quelle: dpa
ÖsterreichDas Geburtsland des Schriftstellers Thomas Bernhard ist nicht nur der beliebteste Ort, an dem die Deutschen im Ausland leben würden, sondern zugleich auch auf Platz vier der Urlaubsländer. Quelle: REUTERS
ItalienDie vom Mittelmeer umgebende Halbinsel hat es auf Platz zwei der beliebtesten Urlaubsziele geschafft. Weitere Urlaubsländer mit abfallender Beliebtheit sind Schweden, das erwähnte Österreich, Kanada, Neuseeland, Australien, Irland, Dänemark und Frankreich. Quelle: dpa
SpanienPablo Picassos Geburtsland ist das beliebteste Urlaubsland der Deutschen. Quelle: dpa
NeuseelandBei der Sympathie für die Länder der Welt liegt Neuseeland auf Platz vier. In dem artenreichen Inselstaat trifft man auf Pinguine im Wald. Andere Sympathie-Länder mit absteigender Beliebtheit sind: Dänemark, Österreich, Spanien, Italien, Schweiz und Irland. Quelle: obs

Chinas Reisebranche wird von Giganten wie ctrip aus Shanghai und Alibabas Fliggy dominiert, die jeweils über 200 Millionen Kunden haben. Kommen Sie mit Ihrer Charmeoffensive nicht Jahre zu spät?

Definitiv nicht. Wir sind seit 25 Jahren in China aktiv. Dabei haben wir bis heute vor allem Kunden nach China gebracht. Der chinesische Tourismusmarkt für Auslandreisen war dagegen für ausländische Unternehmen praktisch verschlossen. Über unser Joint Venture mit der staatlichen CTS, das wir 2003 gegründet haben, sind wir heute zwar eines von nur 3 nicht-chinesischen Unternehmen mit einer erforderlichen Lizenz, wirklich lukrativ war das aber bis jetzt nicht. Das ändert sich gerade. Derzeit sind zum Beispiel Flusskreuzfahrten auf dem Rhein oder der Donau sehr beliebt. Die chinesischen Urlauber sehen jeden Tag eine neue Stadt, reisen aber meist als Gruppe, haben auf dem Schiff ein vertrautes Umfeld. Betreuung und Sprache sind ganz entscheidend, auch das chinesische Essen. Ein Schiff, 190 Gäste, alles auf Chinesisch. Und wir organisieren die Visa, Flüge und die Unterkunft. 

Der chinesische Tourismusmarkt ist hart umkämpft. Wie wollen Sie sich gegen die chinesische Konkurrenz durchsetzen?

Wir wollen erfolgreich sein, das geht am besten mit Partnern. Die Konkurrenz in China ist groß, aber der Markt auch. In den kommenden fünf Jahren werden 700 Millionen Chinesen ins Ausland reisen. Unser Vorteil: Wir sind kein reines Vermittlerunternehmen. Wir besitzen das Produkt, haben eigene Hotelgesellschaften und Kreuzfahrtschiffe, die auch für unsere asiatischen Kunden attraktiv sind. Südostasien ist die nächste Karibik. Wir bauen unsere Anlagen für die europäischen Kunden, aber auch Kunden aus Asien kommen für ihren Urlaub dorthin.

Europas größter Reisekonzern TUI rutscht im traditionell reiseschwachen Winterhalbjahr tiefer in die Verluste.

So ist es bereits in der Karibik, wo wir unsere Anlagen für die europäischen Kunden gebaut haben und diese dann auch von amerikanischen Urlaubern besucht werden. Auch auf den Malediven hat unser Robinson Club bereits viele Japaner, Chinesen und Koreaner als Gäste. Wir können unser Hotelwachstum beschleunigen, weil wir eine hohe Auslastung aus Europa und aus dem jeweiligen Markt absichern.

Viele Unternehmen vor Ihnen sind am chinesischen Kunden gescheitert, weil sie die chinesischen Kunden nicht verstanden haben. Woher wissen Sie, was die chinesischen Kunden wollen?

Bisher haben viele Chinesen überwiegend Städtetrips gemacht, 10 Länder in 9 Tagen bereist. Etwas zugespitzt, sie sind aus dem Bus gestiegen, haben Fotos gemacht und oft auch kräftig eingekauft. Das ist nicht unser Kerngeschäft. Bei uns hat der Urlaub mit Erholung, Kultur und Natur zu tun. Unsere Hotels sind eher Resorts an den Stränden oder in den Bergen und nicht in den Städten. Jetzt verändert sich aber das Interesse bei den chinesischen Kunden. Wir sehen die zweite Trendwelle kommen, oft ist es auch die „zweite Generation“ Reisender. Junge Familien sind viel internationaler, haben vielleicht im Ausland studiert, und wollen deshalb auch in einem internationalen Umfeld Urlaub machen. In China nennen sie das Urlaub „western style“. Diese junge, aufsteigende und zahlungskräftige Zielgruppe ist für uns interessant.  

„Unser Ziel für China und die neuen Märkte ist eine Milliarde Euro ab 2022“

Wie wichtig ist TUI als Marke Made in Germany? 

Die Chinesen sind sehr markenfokussiert und kaufen am liebsten bei internationalen Anbietern. TUI ist heute der weltweit größte Touristikkonzern, in mehr als 100 Ländern der Welt aktiv. Wir sind international, aber unsere Wurzeln liegen in Deutschland. Und die Marke „Made in Germany“ ist noch einmal besonders stark in China. Deutschland hat etwas von Klassik, Kultur und guter Organisation und Qualität. Das ist auf jeden Fall ein Vorteil für uns. Und trotzdem setzten wir zunächst auf das B2B-Geschäft, ohne die TUI-Marke zu etablieren. Eine Marke auf einem Markt mit über einer Milliarde Menschen bekannt zu machen, ist ein erhebliches Risiko. Wir wollen jetzt nicht einige 100 Millionen Euro in Marketing investieren, sondern uns erst über unsere Hotels, Clubs und das Kundenerlebnis einen Kundenstamm aufbauen und unsere Marken bekanntmachen. 

Wo die Welt Urlaub macht

In China läuft mittlerweile alles übers Handy. In Europa setzen Sie auf Reisebüros. Exportiert TUI jetzt Reisebüros nach China?

Nein. Der TUI Vertrieb, also unsere Reiseveranstalter im Konzern, ist immer so digital wie es die Kunden und Märkte sind. Da gibt es auch in Europa sehr große Unterschiede. TUI Schweden ist fast 100 Prozent online, England 60 Prozent, Deutschland erst 20 Prozent. Wir investieren in den neuen Märkten wie China aber nicht in Offline-Infrastruktur, sondern werden nur digital vor Ort sein. Wir vermarkten unsere Robinson Clubs über chinesische Anbieter wie ctrip und Fliggy. Unsere Urlaubsreisen nach Portugal können unsere chinesischen Kunden heute schon übers Handy buchen. Jetzt geht es uns aber darum, Individualreisen anzubieten. Chinesische Urlauber wollen zunehmend nicht mehr pauschal in Gruppen buchen, sondern wie die europäischen Urlauber individueller reisen und die Bausteine zusammenstellen. Dafür braucht man einen flexiblen Buchungsprozess, den wir Ihnen bieten können. Darüber sprechen wir gerade mit Fliggy von Alibaba, die ein großes Interesse an unserer Technologie haben.   

Für viele deutsche Unternehmen war der chinesische Markt lange ein Hoffnungsträger. Mehr als ein Jahrzehnt später ist davon nicht mehr viel übrig. Eine Vorschau auf die neue Titelgeschichte der WirtschaftsWoche.
von Lea Deuber

Wie viel lassen Sie sich das Abenteuer China kosten?

…kein Abenteuer, sondern ein Plan mit konkreten Zielen und Ergebnissen, die wir ab 2022 liefern müssen. Wir haben heute 120 Mitarbeiter bei TUI China, auf die wir zugreifen. Und wir haben die IT entwickelt, die wir brauchen. Darüber hinaus wollen wir schrittweise mit den Partnern in China wachsen. 

China ist der größte Tourismusmarkt der Welt. Wird er für Sie bald wichtiger als der europäische Markt sein?

Unser Umsatz beläuft sich heute auf rund 17 Milliarden Euro, unser Ziel für China und die neuen Märkte ist eine Milliarde Euro ab 2022. Aufgrund der Größe und Dynamik, wird China sicher neben Europa, Nordamerika und Kanada ein weiterer wichtiger Markt für uns. Die chinesischen Kunden spielen aber bereits heute eine wichtige Rolle als Innovationstreiber. Wie konsumiert der Kunde, wie bestellt er? Da ist der chinesische Markt dem europäischen voraus. Ich war gerade privat für zwei Wochen in China unterwegs. Auf dem Nachtmarkt habe ich meinen Tintenfisch mit dem mobilen Bezahldienst auf dem Handy bezahlt. In Deutschland undenkbar.

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