Grüner Punkt in der Kritik Alles Müll

Beim Thema Mülltrennung blickt kaum ein Bürger durch. Das Duale System steht zunehmend in der Kritik. Wäre es nicht besser, den Gelben Sack ein für alle mal zuzumachen? Ein Blick auf die Probleme und mögliche Alternativen.

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Wäre es nicht besser, den gelben Sack ein für alle mal zuzumachen? Quelle: dpa

22 Jahre Gelber Sack und noch immer ist die Frage mit dem Blumentopf nicht geklärt. Wo soll das Plastiktöpfchen hin, wenn der Basilikum sein letztes Blatt für Mozzarella mit Tomate gab? Ist der Blumentopf an sich eine Verpackung?

Täglich mehrmals stellen sich 80 Millionen Deutsche die Frage, welcher Müll in welche Tonne gehört - gut vierzig Prozent treffen die falsche Entscheidung. So hoch ist die so genannte Fehlwurfquote. Viele sind mit den Trennvorgaben schlicht überfordert und wer sie logisch hinterfragt, muss zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass sie nicht logisch sind. Warum darf der Plastik-Joghurt-Becher in den gelben Sack, der Plastik-Blumentopf aber nicht? Ist Plastik nicht gleich Plastik? Vom Standpunkt der DSD - Duales System Deutschland AG - ist das tatsächlich so.

270.000 Tonnen Plastikmüll treiben auf den Weltmeeren
Fast 270.000 Tonnen Plastikmüll treiben einer neuen Studie zufolge auf den Ozeanen der Erde. Das sei so viel Abfall, wie nicht einmal in 38 500 Müllwagen passen würde, schätzt eine am Mittwoch in dem Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte Studie. Es handele sich dabei um mehr als fünf Billionen Einzelteile, heißt es in der Untersuchung. Um zu den Zahlen zu kommen, hatten Forscher zu See mit einem Maschennetz kleine Abfallteilchen gesammelt. Beobachter auf Booten zählten größere Gegenstände auf dem Wasser. Mit Computermodellen wurde für nicht untersuchte Gebiete hochgerechnet, wie viel Müll auch dort schwimmt. Die Studie bezieht sich lediglich auf Plastikabfall an der Wasseroberfläche. Wieviel Material auf dem Meeresboden liegt, erforschten die Wissenschaftler nicht.Foto: NOAA/PIFSC Quelle: Presse
Im Meer vor Griechenland treiben Plastiksäcke. Das Bild stammt aus dem Jahr 2008.Foto: Gavin Parson/Marine Photobank Quelle: Presse
Plastikmüll als Habitat für Meeresbewohner im Pazifik.Foto: Lindsey Hoshaw Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Tromsø in Norwegen.Foto: Bo Eide Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Kanapou in den USA.Foto: NOAA/Marine Debris Program Quelle: Presse
Vor der Küste von Hawaii sind etliche Netze angeschwemmt worden.Foto: Chris Pincetich/Marine Photobank Quelle: Presse
Kein seltener Bild: Eine Robbe hat sich in einem Treibnetz verfangen, USA, 2009.Foto: Kanna Jones/Marine Photobank Quelle: Presse

Das Unternehmen wurde 1991 gegründet und sollte das deutsche Müllproblem lösen. Damals türmten sich auf Deutschlands Deponien riesige Abfallberge. Der Platz wurde knapp. In den Jahren zuvor war vor allem immer mehr Verpackungsmüll angefallen, daher beschloss die Bundesregierung, dort anzusetzen: Diejenigen, die die Verpackungen herstellten, sollten einen Anreiz bekommen, weniger davon herzustellen, in dem man sie für die Entsorgung ihrer Verpackungen zur Kasse bat - und zwar über ein Lizenzsystem: den grünen Punkt. Unternehmen, die verpackte Waren anbieten, zahlen an die Duale System Deutschland AG einen Betrag X, der sich nach der Menge der produzierten Verpackungen richtet. Die DSD übernimmt dafür das Einsammeln und Wiederverwerten dieses Mülls. Zum Zeichen, dass das Unternehmen für seinen Müll aufkommt, darf es den Grünen Punkt auf seine Verpackungen drucken. Die Verpackungsverordnung von 1991 regelt gleichzeitig, wie viel der eingesammelten Plastikverpackungen, der Einwegglasflaschen und Marmeladengläser, Pappe und Papier wiederverwertet werden soll.

Die Schwächen des System werden schnell deutlich:

1. Die Deutschen sind zu fleißige Mülltrenner

Sie werfen alle Plastikverpackungen in die gelbe Tonne - egal, ob auf dem Joghurtbecher ein grüner Punkt prangt oder nicht. Was keine grünen Punkt trägt, nimmt aber nicht am System teil. Die DSD erhält für das Einsammeln und Aufbereiten dieses Mülls also keine Lizenzgebühr. So fallen tausende Tonnen Müll an, für dessen Wiederaufbereitung keiner bezahlt. Es ist den Unternehmen nämlich freigestellt, ob sie am DSD teilnehmen oder ihren Müll selbst entsorgen und recyceln lassen. Das öffnet Trittbrettfahrern Tür und Tor. Es besteht bis heute keine funktionierende Kontrolle darüber, wer wie viel Müll über welchen Weg abtransportiert. Und dass Kunden Verpackungen lieber zu Haus in den Gelben Sack stecken als direkt im Supermarkt zurückzulassen, kann niemand verbieten.

2. Das duale Systeme ermöglicht zu viele Trittbrettfahrer

Die DSD hat bis 2001 eine Monopolstellung inne. Auf Druck der europäischen Kartellbehörden muss Deutschland den Markt für Wettbewerber öffnen. Sie dürfen seither die gelbe Tonne mitnutzen. Mittlerweile gibt es acht große Mitbewerber: BellandVision, Eko-Punkt, Interseroh, Landbell, Redual, Veolia Umweltservice Dual, Vfw und Zentek. Die Konkurrenzsituation hat die Kosten für das Gesamtsystem deutlich verringert. "Mitte der 90er Jahre fielen Milliarden D-Mark an, gegenwärtig liegen die Kosten bei unter einer Milliarde Euro", sagt Thomas Rummler, Ministerialdirigent im Bundesumweltministerium im Juni 2013. Das kann man als Erfolg werten. Die Marktöffnung brachte aber ein neues Problem: Das System wurde extrem komplex, Trittbrettfahrer sind kaum aufzuspüren.

"Es wird getrickst, was das Zeug hält"


Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Das BevölkerungswachstumDie Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung. Quelle: dpa
WirtschaftswachstumTrotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU. Quelle: dpa/dpaweb
AutomobileWährend Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Bezinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die 1.000.000-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren. Quelle: dpa
Kohle, Kohle, KohleDer seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren. Quelle: dpa
AbholzungDas Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid. Quelle: dpa
RindfleischRinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen. Quelle: dpa
WegwerfgesellschaftNicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus. Quelle: dpa

Bußgelder gegen Unternehmen, die zu wenig Lizenzabgaben zahlen, sind die Ausnahme. Die Hoheit dafür liegt bei den Bundesländern, doch die haben längst den Überblick verloren, wie in den Ministerien hinter vorgehaltener Hand zugegeben wird. In erster Linie profitieren Anwälte vom Wettbewerb der Dualen Systeme. Die Anbieter überziehen sich gegenseitig mit Klagen.

Grund sind vor allem die Müllmengen, die die Läden angeblich selbst zurücknehmen. Vor kurzem wettert Stefan Schreiter, Geschäftsführender Gesellschafter und CEO der DSD – Duales System Holding, die mit einem Marktanteil von 50 Prozent immer noch größter Anbieter ist: "Es wird wieder getrickst, was das Zeug hält." Es sei schon erstaunlich, was die deutschen Verbraucher angeblich alles an leeren Verpackungen in den Laden zurückbringen.

Die Menge an Verkaufsverpackungen, die laut Meldung der dualen Systeme über die Eigenrücknahme im Laden zurückgenommen werden und daher nicht am dualen System teilnehmen, hat sich in den ersten beiden Quartalen 2013 gegenüber dem Vorjahr bei Leichtverpackungen um fast 23 Prozent auf rund 51.000 Tonnen erhöht, bei Glasverpackungen sogar auf gut 28.000 Tonnen mehr als verdoppelt. Michael Wiener, CMO der Duales System Holding: "Es handelt sich um reine Buchungstricks, mit denen sich einige duale Systeme um die Übernahme von Entsorgungskosten für den Gelben Sack und die Glascontainer drücken". Während DSD 0,2 Prozent der bei ihnen lizenzierte Leichtverpackungen als Eigenrücknahme abrechnet, seien es bei den übrigen dualen Systeme im Durchschnitt 15,6 Prozent. Das sei eine " völlig absurde Größenordnung", schimpft er. Die Verpackungsverordnung lässt den Abzug der Selbstentsorger-Mengen aus dem dualen System aber ausdrücklich zu. Wiener: "Wir fordern seit Jahren von der Politik, dieses Schlupfloch endlich zu schließen.“

3. Die Verordnung verfehlt ihre Ziele

Ihr eigentliches Ziel, nämlich Verpackungsmüll zu verringern und so viele Stoffe wie möglich wieder zu verwerten hat die Verordnung verfehlt. In den ersten Jahren nach der Einführung sank die Verpackungsmenge pro Einwohner tatsächlich, mittlerweile steigt sich aber wieder. Die dualen Systeme wie Eko-Punkt, Veolia, Belland Vision usw. bieten nicht nur das klassische Lizenzsystem an, sondern auch den Abtransport und Weiterverarbeitung von Müll, den z.B. Supermärkte als Selbstentsorger sammeln. Außerdem gibt es so genannte Branchenlösungen. Ein Beispiel: Der Hersteller von Isolierschäumen in Dosen, wie sie beim Einbau von Fenstern gebraucht werden, beauftragt einen Dritten damit, Rücknahme und Wiederaufbereitung der Schaumdosen zu organisieren. Das funktioniert z.B. über den Großhandel: bestellt ein Handwerker neue Dosen, gibt er dabei die alten zurück. Diese Branchenlösungen sind in soweit sinnvoll, weil in den meisten Verpackungen noch Reste kleben, die giftig sein können und nicht im normalen Müll landen sollten. Insgesamt gibt es elf solcher Branchenlösungen - für das Bauhandwerk, Gesundheitseinrichtungen, die Landwirtschaft, Behörden, Kfz-Handwerk usw.

Jedes Unternehmen sucht nach dem kostengünstigsten Weg für die Entsorgung seines Verpackungsmülls - meist eine Mischung aus Selbstentsorgung, Lizenznahmen und Branchenlösung. Bindend ist jeweils nur die Recyclingquote, die in der Verpackungsverordnung geregelt ist. Weder das Unternehmen noch der duale Systemdienstleister haben ein Interesse daran, mehr als die vorgegeben Quote zu erfüllen. Die Quoten - zu Beginn der neuen Ordnung ehrgeizig - sind nach Meinung von Branchenkennern für den heutigen Stand der Recyclingtechnik zu niedrig.

Geschönte Quoten


Die nachhaltigsten Unternehmen
Innenansicht einer Filiale der Drogerie-Kette dm Quelle: AP
Ein Mann lehnt an einer Wand, unter dem Logo von Mercedes Benz Quelle: REUTERS
Palina Rojinski bei der Pressepäsentation zum OTTO Saisonstart 2012 in Hamburg Quelle: Morris Mac Matzen
Ein Audi A1 Quattro in der Produktion Quelle: dpa
Ein Marmeladenglas der Sorte Landliebe Quelle: dpa/dpaweb
Produkte der Bärenmarke Quelle: AP
Ein Mitarbeiterin von Miele montiert eine Waschmaschine Quelle: dpa

Auch ist es dem beauftragen dualen System egal, ob die Plastikverpackungen tatsächlich getrennt und wieder aufbereitet werden oder ob sie in der Müllverbrennungsanlage landen. Deutschlands Müllverbrennungsanlagen haben riesige Überkapazitäten. Die Preise sind im Keller. Warum also recyclen, wenn die Verpackungsverordnung die sogenannte "thermische Verwertung" sprich Verbrennung ausdrücklich erlaubt? Wichtig ist nur, dass die Müllverbrennungsanlage eine Lizenz als Verwerter hat. Das ist z.B. der Fall, wenn die Lage Fernwärme erzeugt. Derzeit werden rund zwei Drittel des eingesammelten Verpackungsmülls verbrannt. Damit ist die Quote von einem Drittel zwar erfüllt, aber die Potenziale des Recyclings längst nicht ausgeschöpft. Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung bvse kritisiert: "Der Wettbewerb der dualen Systeme stellt sich ausschließlich über den Preis dar und nicht über die ökologisch sinnvollste Lösung." Der bvse fordert daher, die Recyclingquoten anzuheben und die Kapazität der Müllverbrennungsanlagen innerhalb den nächsten zehn Jahre um ein Viertel abzubauen.

4. Die Bezugsgrößen schönen die Quoten

Das Bundesumweltministerium rühmt sich der Erfolge des dualen Systems. Die Quoten würden übererfüllt. So sei die in der Verordnung für Kunststoffverpackungen angegebene Recyclingquote von 36 Prozent bereits 2009 mit 43 Prozent übertroffen worden. Die EU-Recyclingvorgabe für alle Verpackungen in Höhe von 55 Prozent wurde 2010 mit 73 Prozent deutlich übertroffen. Nicht erwähnt wird dabei, dass seit 1998 als Bezugsgröße für die Quote nicht etwa die gesamte Menge des Mülls, die am Markt ist herangezogen wird, sondern nur Menge an lizenzierte Verpackungen. Unternehmen versuchen aber bereits, möglichst wenig Verpackungen über den Grünen Punkt und seine Mitbewerber abzudecken. Sie ziehen andere Lösungen wie die erwähnte Selbstentsorgung oder Branchenlösungen vor. Die lizenzierte Menge ist also schon immer verhältnismäßig gering. "Mit der missglückten Novellierung verloren die Quoten jede Lenkungswirkung", meint Walter Hartwig, der bis Ende 2012 dem VIVO Kommunalunternehmen vorstand. Der Verband der Kommunalen Unternehmen VKU forderte Anfang Juli abermals die komplette Abschaffung der gelben Tonne und damit des dualen System. Er möchte zurück zu einem System, in dem einzig die kommunalen Unternehmen für Sammlung und Wiederverwertung zuständig sind.

5. Zu viele Begriffe sind nach wie vor nicht klar definiert

Die Auswüchse der Verpackungsverordnung sind an Skurrilität kaum mehr zu überbieten. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, was als Verpackung gilt und damit prinzipiell als solche am dualen System teilnehmen darf und was nicht. In der nunmehr sechsten Novelle der Verpackungsverordnung definiert die Bundesregierung tatsächlich, wann ein Blumentopf als Verpackung gilt und wann nicht (nämlich dann nicht, wenn die Pflanze bis zu ihrem Tode im Gefäß verbleibt), oder dass eine Wimperntuschebürste als Teil des Packungsverschlusses sehr wohl als Verpackung gilt.

Hoffnung Wertstoffgesetz


Wie nachhaltig sind Deutschlands Supermärkte?
Im April 2013 hat der Verein Rank a Brand, eine Initiative, die in Deutschland und in den Niederladen aktiv ist, zum ersten Mal die soziale und ökologische Nachhaltigkeit von zwölf in Deutschland aktiven Supermärkten und Discountern untersucht. Nun erfolgte die Veröffentlichung des „Branchenbericht 2013 – Supermärkte / Discounter“. Der Untersuchung und der Erstellung des Berichts ging eine bundesweite Verbraucherbefragung zur Bestimmung von Deutschlands populärsten Supermärkten und Discountern voraus. Die Ergebnisse im Überblick. Quelle: IMAGO
Bei der Untersuchung wurden drei Themenbereiche als Grundlage festgelegt: Klimaschutz, Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen bzw. fairer Handel. Die Fragestellungen in den einzelnen Kategorien können Sie detailliert in der Studie nachlesen. Quelle: dpa
Schlusslicht: Aldi NordVon den insgesamt zwölf untersuchten Märkten schneidet der Discounter Aldi Nord am schlechtesten ab.Nachhaltigkeitsberichterstattung: Im Gegensatz zur Konkurrenz veröffentlicht Aldi Nord zum Zeitpunkt der Untersuchung (April 2013) keinen Nachhaltigkeitsbericht. Immerhin hat Aldi Nord auf seiner Website Informationen zur Nachhaltigkeit publiziert. Für die Initiatoren der Untersuchung macht es den Eindruck, dass, je allgemeiner die Informationen sind, desto weniger aktiv im Management an Zielen und Vorgaben gearbeitet wird.Klimaschutz: Auch über betriebliche Klimaschutzmaßnahmen berichtet Aldi Nord nicht. Wie alle anderen Märkte auch, kann der Discounter außerdem keine ausreichende Reduktion des CO2-Ausstoßes in den letzten Jahren aufweisen und der Anteil an erneuerbaren Energien im Unternehmen ist geringer als 25 Prozent. Von maximal 6 möglichen Punkten bekam Aldi Nord 0.Umweltschutz: Mangelnde Transparenz und auf ganzer Linie – 0 Punkte. Das schaffen nicht viele im Ranking. Rank a Brand kritisiert unter anderem den Umgang mit Papier, weniger als ein Prozent Bio-Produkte am Gesamtverkaufswert, fehlende Maßnahmen zur Abfallreduktion, keine Strategie zum Gebrauch von nachhaltigem Palmöl und den fehlenden Ausschluss von Käfigeiern.Arbeitsbedingungen/Fairer Handel: Auch die Ergebnisse zum fairen Handel sind ernüchternd und Aldi Nord bekommt keinen einzigen Punkt. Das zeige, dass die untersuchten Themenbereiche keine hohe Relevanz für ihre strategische Ausrichtung haben, so Rank a Brand. Das könnte allerdings auf lange Sicht Verluste an Reputation und Kundschaft bedeuten, denn die Kunden legen darauf immer mehr Wert. Quelle: dapd
Platz 11: NettoNachhaltigkeitsberichterstattung: Der Lebensmitteldiscounter Netto verfolgt wie Aldi Nord auch eine größtenteils oberflächliche und unvollständige Kommunikationsarbeit zum Thema Nachhaltigkeit. Auf der Webseite verweist der Discounter in einem Unterpunkt auf den Blauen Engel. Klickt man auf die Seite, erhält man allgemeine Informationen über das Siegel, jedoch keine Hinweise über die Verwendung des Siegels bei Netto. Dafür gibt es im Ranking 0 Punkte.Klimaschutz: Immerhin einen Punkt bekommt der Discounter für eine allgemeine Klimaschutzstrategie von den Experten anerkannt. Trotzdem ist es dem Händler nicht gelungen, den C02-Fußabdruck in den letzten fünf Jahren um zehn Prozent zu reduzieren. Auch den Anteil erneuerbarer Energien sucht man bei Netto besser mit der Lupe. Umweltschutz: Zum Verkaufswert von Bio-Produkten macht Netto keine Angaben. Und auch zur Frage, ob bei Eigenmarken auf Käfigeier verzichtet wird, schweigt sich der Discounter aus. 0 Punkte gibt es auch beim Thema Tierschutz, da Netto keine klare Strategie vorweisen kann, die Tierschutzstandards für sein Angebot über den gesetzlichen Standard hinaus zu erhöhen.Arbeitsbedingungen/Fairer Handel: Hier steht Netto nicht alleine da, denn kaum eine Marke hat das Thema Arbeitsbedingungen bei tropischen Produkten wie Kakao, Kaffee, Tee, Reis oder tropischen Früchten auf der Agenda. Schlechte Arbeitsbedingungen sind hier laut Ranking die Regel. Quelle: Mauritius
Platz 10: LidlNachhaltigkeitsberichterstattung: Oberflächlich und unvollständig kommuniziert auch der Discounter-Riese Lidl zum Thema Nachhaltigkeit. Es gibt allgemeine Informationen auf der Homepage, aber dabei ist nicht zu erkennen, wie die Themenfelder ausgesucht wurden, bzw. warum sie relevant sind.Klimaschutz: Einen Bewertungspunkt (von 6 möglichen) bekommt der Discounter dafür, dass er über betriebliche Klimaschutzmaßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu minimieren, informiert.Umweltschutz: Ins Schweigen hüllt sich Lidl, wenn es um den Papierverbrauch geht, während andere Marken darüber informieren, dass sie Umwelt-Papier benutzen und weniger Papier verbrauchen. Verbraucher erfahren auch nicht, wie hoch der Anteil der verkauften Bio-Produkte ist. Immerhin arbeitet Lidl mit der „Marine Resources Assessment Group“ zusammen, um eine auf Dauer nachhaltigere Fischeinkaufspolitik zu betreiben. Jedoch wird keine Liste mit Fischarten offengelegt. Überhaupt keine Informationen gibt es zum Thema Käfigeier bei Eigenmarken und auch bei Tierschutzstandards fehlt eine klare Strategie.Arbeitsbedingungen/Fairer Handel: In diesem Bereich geht es vor allem um Zertifizierungen wie Fairtrade, Rainforest Alliance oder UTZ für Eigenmarken, die bestimmte Sozialstandards garantieren. Immerhin kommuniziert Lidl den Verkauf von Fairtrade-Produkten, doch weitere Details zum Sortiment bleibt der Konzern schuldig. Quelle: ZB
Platz 9: Aldi SüdNachhaltigkeitsberichterstattung: Auch bei Aldi Süd ist auf der Homepage mit den allgemeinen Informationen nicht zu erkennen, warum welche Themenfelder warum ausgesucht wurden. Dadurch, dass keinem Standard gefolgt wird, scheint Aldi Süd für sich selbst zu definieren, was Nachhaltigkeit bedeutet und wie darüber berichtet wird.Klimaschutz: Aldi Süd ermittelt und berichtet nicht über die CO2-Bilanz der eigenen Geschäftsbereiche.Umweltschutz: Zum Verkaufswert der angebotenen Bio-Produkte macht Aldi genauso wenig Angaben wie zum Papierverbrauch. Besser sieht es beim Thema Fisch aus: Aldi hat alle gefährdeten Arten aus dem Sortiment genommen. Trotzdem schafft es der Discounter nach eigenen Angaben nur, die umweltschädlichsten Fischereimethoden zu „minimieren“ und nicht komplett zu vermeiden. Tierschutzstandards, die über gesetzliche Anforderungen hinausgehen, gibt es nicht bei Aldi Süd.Arbeitsbedingungen/Fairer Handel: Wie alle anderen Märkte auch, berichtet Aldi Süd nicht über zertifizierte Sortimentsanteile an Kakaoprodukten, Kaffee, Tee, Reis, Zucker oder tropischen Früchten und eine faire Einkaufsstrategie. Quelle: picture-Alliance/dpa
Platz 8: KauflandNachhaltigkeitsberichterstattung: Das Unternehmen Kaufland kommuniziert auch nur allgemein über seine Website und kann hier nur einen Bewertungspunkt von 6 möglichen erreichen.Klimaschutz: Immerhin gibt es eine Strategie zum betrieblichen Klimaschutz. Eine ausreichende CO2-Reduktion in den letzten Jahren kann Kaufland jedoch nicht aufweisen.Umweltschutz: Beim Umgang mit Fisch präsentiert Kaufland eine ausgearbeitete Einkaufspolitik, die im Laufe der Jahre umgesetzt werden soll, kommuniziert aber keine klaren Zielvorgaben und berichtet auch nichts über erreichte Ziele. Beim Tierschutz werden die gesetzlichen Standards eingehalten, während zum Papierverbrauch entweder keine ausreichende Strategie existiert oder darüber nicht hinreichend kommuniziert wird. Einen Pluspunkt gibt es für den Einsatz von nachhaltig angebautem Palmöl für die Eigenmarkenprodukte.Arbeitsbedingungen/Fairer Handel: Zwar kommuniziert Kaufland den Verkauf von Fairtrade-Produkten, zu allem anderen hält sich die Supermarkt-Kette jedoch bedeckt. Das Thema fairer Handel scheint nicht so recht auf der Agenda zu stehen. Quelle: 8324360

Für Sven Schulze vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut HWWI bleibt in Anbetracht der Fülle der Probleme nur eine Schlussfolgerung : "Die Verpackungsverordnung in Deutschland bedarf keiner weiteren Überarbeitung, sondern eines Neustarts."

Fazit: Keiner der am dualen System beteiligten Gruppen ist mit dem aktuellen System zufrieden: Für die Verbraucher ist es zu komplex, für die Anbieter von dualen Systemlösungen wird nach eigener Aussage in der Branche zu viel getrickst, die Bundesländer können aufgrund der Komplexität ihrer Aufsichtspflicht nicht mehr nachkommen und die kommunaler Unternehmer sehen das privatwirtschaftliche Bein des dualen Systems ohnehin als amputierfähig an. Bleibt die Frage: Wie soll der Verpackungsmüll stattdessen entsorgt und wiederverwertet werden?

In der Diskussion ist eine zentrale Stelle in Form einer privaten Stiftung, die ausgestattet mit hoheitlichen Aufgaben, die Aufsicht über sämtliche Abfallströme übernimmt und Unternehmen, die das System unterlaufen auch mit Bußgeldern belegen kann. Ein solches Modell gibt es bereits mit der Stiftung Elektro-Altgeräte Register EAR, die als gemeinsame Stelle der Hersteller tätig wird. Sie registriert Hersteller, die Elektrogeräte herstellen oder vertreiben, erfasst die Mengen der Elektrogräte, die im Umlauf sind, koordiniert die Sammelbehälter und die Abholung von Altgeräten, meldet die Mengen an das Umweltbundesamt und stellt sicher, dass alle registrierten Hersteller gleich behandelt werden. Außerdem identifiziert sie Trittbrettfahrer und meldet sich dem Bundesumweltamt. Bisher konnten sich kommunale Unternehmen und Vertreter der privatwirtschaftlichen dualen Systeme aber nicht auf ein solches Konzept für Verpackungsmüll einigen.

Die Hoffnung, dass es zumindest für den mülltrennenden Bürger in naher Zukunft einfacher wird, besteht noch. Eigentlich sollte in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode eine so genanntes Wertstoffgesetz erlassen werden. Größte Neuerung: Jede Art von Kunststoff- und Metallabfall sollte in die gelbe Tonne, egal ob Verpackung oder Nicht-Verpackung. Das Grübeln über den Sinn eines Blumentopfes an sich hätte ein Ende gehabt, doch auch auf die neue umfassende Wertstofftonne konnten sich die beteiligten Unternehmensverbände nicht einigen.

Dabei ist längst klar, dass unsere Mülltrennung wie bisher, nicht nötig ist. Maschinen sortieren längst besser als der Mensch. Sogar Nass- und Trockenmüll können in der selben Tonne landen. Das sagte zumindest Jürgen Hahn, Abteilungsleiter für Abfall im Umweltbundesamt, nach einem Test in der Sortieranlage Essen vor ein paar Jahren. Dort wurden Gelber-Sack-Müll und Restmüll aus der grauen Tonne zusammengekippt. "Die Ergebnisse waren fantastisch!", freute sich Hahn. Der Müll wurde vor der Sortierung getrocknet. Danach ließen sich für weniger Geld mehr Wertstoffe aus dem Müll rausholen als durch "das ganze Getrennthaltungsgewusel".

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