Die Insolvenz von Locomore zeigt außerdem, warum den Wettbewerbern auf der Schiene das Leben so schwer gemacht wird. Die Infrastrukturkosten fressen einen Großteil der Einnahmen auf. Locomore musste mehr als jeden vierten Euro an DB Netz abdrücken. Die Tochter der Deutschen Bahn betreibt das Schienennetz und verlangt für jeden gefahrenen Trassenkilometer eine Schienen-Maut. Damit sollen die Ausgaben für Sanierung und Pflege der Weichen und Gleise bezahlt werden. Die Trassengebühren summieren sich für alle Verkehrssparten (Güterbahn, Nah- und Fernverkehr) auf rund fünf Milliarden Euro pro Jahr.
So wird der ÖPNV finanziert
Unterschieden wird dabei grundsätzlich zwischen Schienenpersonennahverkehr (SPNV), also den von den Eisenbahnunternehmen wie der Deutschen Bahn befahrenen Strecken. Und dem Straßenpersonennahverkehr (ÖSPV) zu dem neben den Buslinien auch die Straßen- und U-Bahnen zählen. Die Übersicht zeigt die wichtigsten Bausteine.
Quelle: Arbeitskreis Innovative Verkehrspolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
Der direkte Beitrag der Bürger ist der größte Baustein bei der Finanzierung des ÖPNV. Das meiste Geld wird dabei direkt über den Fahrkartenverkauf eingenommen. Hinzu kommen Erträge aus Werbe- und Pachteinnahmen. Der so eingenommen Betrag deckt oft aber nicht annähernd die tatsächlichen Kosten.
Viele ÖPNV-Nutzer zahlen für ihre Fahrkarte nicht den vollen Preis. Dazu zählen unter anderem Schüler, Studenten und Besitzer von Sozialtickets. Die Differenz übernimmt die öffentliche Hand.
Zusätzlich zu anderen Subventionen wir der ÖPNV auch steuerrechtlich begünstigt. So entfällt beispielsweise die Umsatzsteuer für Verkehrsverträge. Weil im Querverbund nichtversteuerte Gewinne aus lukrativen kommunalen Versorgungsunternehmen in den defizitären ÖPNV geschoben werden können, sparen die Kommunen so Steuern.
Für den Erhalt und Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs ist bislang der Bund in zentraler Verantwortung. Er investiert in die Infrastruktur der Deutschen Bahn. Vielfach müssen sich jedoch auch die Länder und Kommunen an den Ausbaukosten beteiligen.
Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz war über Jahrzehnte das wichtigste Fördermittel für den öffentlichen Straßenverkehr. Doch es wurde 2006 abgeschafft und durch das Entflechtungsgesetz abgelöst, das seinerseits 2019 ausläuft. Bereits 2014 läuft eine Zweckbindung für den Verkehr in Gemeinden aus.
Seit der Bahnreform haben die Länder die Verkehrsverbünde oder andere Aufgabenträgerorganisationen über Verkehrsverträge mit dem Betrieb des Schienenverkehrs beauftragt. Dafür erhalten die Länder vom Bund über das Regionalisierungsgesetz einen Teil der Mineralölsteuereinnahmen. Dazu kommen noch die Trassenpreise, die die Unternehmen für die Nutzung der Schienen verlangen.
Der ÖPNV auf der Straße, also Busse, Straßen- und U-Bahnen, ist Aufgabe der Kommune. Je nach Finanzsituation der Kommune schwankt auch die Unterstützung und das Angebot.
Experten fordern seit Jahren, dass die Belastungen für die Eisenbahnen zu hoch sind. Sie wünschen sich eine Halbierung der Trassenpreise. Für die Bahn wäre das zunächst eine neutrale Angelegenheit. Denn auf der einen Seite würde die Tochter DB Netz auf Einnahmen verzichten müssten. Möglicherweise bekäme sie aber einen Teil der Mindereinnahmen vom Bund zurück bezahlt. Außerdem würden die Transportsparten profitieren, die natürlich ebenfalls Trassenentgelte an die Schwestergesellschaft DB Netz überweisen.
Die Politik könnte sich nun aber genötigt sehen, künftig den Druck auf den Staatskonzern zu erhöhen, mehr für den Wettbewerb auf der Schiene im Fernverkehr zu tun. Denn es sind nicht nur die Kosten, die den Wettbewerb belasten, sondern auch die Form an sich.
Wo der Nahverkehr 2017 teurer wird
Durchschnittliche Preiserhöhung: 1,9 Prozent
Einzelfahrt: 2,90 Euro statt 2,80 Euro (in Frankfurt), 2,80 Euro statt 2,75 Euro (in Wiesbaden und Mainz)
Tageskarte: unverändert
Kinderticket: unverändert
Quelle: Unternehmen
Durchschnittliche Preiserhöhung: 2,3 Prozent
Einzelfahrt und 4er-Ticket: im Kurzstreckenbereich unverändert, ansonsten 10 Cent mehr
Kinderticket: unverändert
Preisstufe C und D: Preise steigen "leicht überdurchschnittlich"
Quelle: Unternehmen
Durchschnittliche Preiserhöhung: 1,9 Prozent
Einzel- und Zeitkarten: Künftig nimmt der Preis sukzessiv mit jedem Kilometer zu. So kosten 15 Kilometer ab Dezember 2016 4,10 Euro - der Preis für 16 Kilometer beträgt weiterhin 4,50 Euro. Bislang zahlten Kunden für 15 Kilometer Fahrtstrecke 3,80 Euro, ab 16 Kilometer waren es 4,50 Euro.
Schöne-Wochenende-Ticket: unverändert
Quer-durchs-Land-Ticket: unverändert
Quelle: Unternehmen
Durchschnittliche Preiserhöhung: 2,9 Prozent
Einzelfahrt: 2,80 Euro statt 2,70 Euro (eine Zone), Kurzstrecke unverändert 1,40 Euro
Tageskarte: je nach Zonen- und Personenanzahl zwischen 2,3 und 3,5 Prozent teurer
Kinderticket: 1,40 Euro statt 1,30 Euro
Quelle: Unternehmen
Durchschnittliche Preiserhöhung: 1,4 Prozent
Quelle: Unternehmen
Durchschnittliche Preiserhöhung: 1,7 Prozent
Einzelfahrt: 2,75 Euro statt 2,70 Euro
4er-Ticket: 2,50 Euro statt 2,45 Euro
Monatskarte: 63,50 statt 62 Euro
Kinderticket: unverändert
Beispielspreise für die Preisstufe I der Stadt Bremen, in anderen Städten variieren die Preise
Quelle: Unternehmen
Durchschnittliche Preiserhöhung: 1,4 Prozent
Kurzstrecke: 1,60 Euro statt 1,50 Euro
Tageskarte: unverändert
Kinderticket: unverändert
Quelle: Unternehmen
Durchschnittliche Preiserhöhung: 0,56 Prozent
Einzelfahrt: 2,80 Euro statt 2,70 Euro (Fahrausweis AB), Kurzstrecke unverändert
Tageskarte ABC: 7,70 Euro statt 7,60 Euro
Beispielpreise für Berlin, Preise können in Brandenburg variieren
Quelle: Unternehmen
Wer auf der Schiene fahren möchte, braucht Züge. Doch die sind nicht so einfach zu bekommen. Banken geben erst dann Geld für eine Finanzierung, wenn sie wissen, dass der Zug irgendwann auch tatsächlich fahren wird. Doch Wettbewerber klagen seit Jahren, dass es viel zu schwierig sei, im Vorfeld des Marktstarts eine Trasse zu sichern. Für Neueinsteiger in den Markt, vor allem kleinere wie Locomore, die sich über Crowdfunding Geld besorgt haben, ist der Prozess viel zu rigide.
Kleinere Parteien wie die Grünen und die FDP fordern daher seit Langem eine schärfere Trennung von Netz und Betrieb. Das Schienennetz müsste als staatliches Unternehmen organisiert werden, das sich zum Ziel setzt, möglichst viele Züge auf den Gleisen fahren zu lassen. Das Management könnte dafür belohnt werden, wenn es ihm gelingt, den Verkehr auf dem Schienennetz wachsen zu lassen. Doch eine Trennung des Konzerns ist das letzte, was sich die Deutsche Bahn wünscht. Vielleicht ist die Pleite von Locomore ja nun aber doch der Aufhänger für eine neue Debatte.