Das machte Schluss mit einem klassischen Problem aller kreativen Techniker: Teamgeist ohne Kommunikation. „Sie präsentieren ihre Projekte am liebsten erst dann, wenn sie für alles eine Antwort haben und durch eine Lösung zum Helden werden“, so Muirhead. Dank der offenen Arbeitsplätze tauschen die Techniker jetzt regelmäßig noch unfertige Ideen aus.
Zu den Teams gehören neben Flugspezialisten bewusst Fachleute anderer Zweige wie Meeresbiologen. „Damit stellen wir sicher, dass jemand die scheinbar dummen Fragen stellt“, so Muirhead. Nur das bringe das Team am Ende weiter, weil so die vermeintlich unverrückbaren Wahrheiten hinterfragt werden.
Das frühe und fachfremde Feedback sorgt dafür, dass gute Ideen schneller fertig werden und weniger gute möglichst früh sterben. Zum Konzept gehört auch die Idee, dass Scheitern keine Schande ist, sondern oft mehr bringt als Erfolg.
Die sechs größten Baustellen der Lufthansa
13 Mal haben die Piloten der Lufthansa in den vergangenen gut eineinhalb Jahren gestreikt. Die Vereinigung Cockpit sorgt sich, dass die Piloten unter anderem Abstriche Altersvorsorge hinnehmen müssen - und trotzdem immer mehr Jobs aus dem Tarifvertrag ausgelagert werden. Sie liefern dem Konzern deshalb den härteste Arbeitskampf in seiner Geschichte. Das ist nicht der einzige Knatsch mit dem Personal: Die Flugbegleiter von Ufo sind etwas moderater unterwegs, wollen aber auch ihre tariflichen Besitzstände verteidigen.
Carsten Spohr hat die Lufthansa auf eine Strategie mit zwei sehr unterschiedlichen Plattformen festgelegt, die jetzt gerade erst anlaufen. Die Kernmarke Lufthansa soll bei gleichzeitiger Kostensenkung zur ersten Fünf-Sterne-Airline des Westens aufgewertet werden - eine Luxus-Auszeichnung des Fachmagazins Skytrax, die bislang nur Airlines aus Asien und dem Mittleren Osten erreicht haben. Am anderen Ende der Skala steht künftig „Eurowings“, die nur noch als Plattform für die diversen und möglichst kostengünstigen Flugbetriebe des Lufthansa-Konzerns dienen soll. Die ersten Eurowings-Langstrecken ab Köln werden beispielsweise von der deutsch-türkischen Gesellschaft Sunexpress geflogen. Noch komplizierter wird das Angebot durch die Strategie, auf beiden Plattformen jeweils unterschiedliche Service-Pakete anzubieten.
So richtig gut läuft es für die Lufthansa mit ihrem schwierigen Heimatmarkt Zentraleuropa eigentlich nur in den Neben-Geschäftsbereichen Technik und Verpflegung. In ihrem Kerngeschäft der Passagier- und Frachtbeförderung fliegt die Lufthansa unter dem Strich Verluste ein. Spohrs Plan, Wachstum nur noch in kostengünstigen Segmenten stattfinden zu lassen, bedeutet eigentlich einen Schrumpfkurs für die Kerngesellschaft der Lufthansa Passage. Doch den Mitarbeitern wird Wachstum auch dort versprochen.
Sinkende Ticketpreise sind gut für die Passagiere, knabbern andererseits aber an den schmalen Margen der Fluggesellschaften. Bereits im vergangenen Jahr sind die Erlöse auf breiter Front um drei Prozent zurückgegangen. Der zuletzt stark gesunkene Kerosinpreis begünstigt derzeit Gesellschaften, die sich nicht gegen starke Preisschwankungen abgesichert haben. Lufthansa gehört nicht dazu, sondern hat einen Großteil ihres Spritbedarfs für die kommenden zwei Jahre bereits abgesichert und leidet zudem an der ungünstigen Währungsrelation zwischen Euro und Dollar. Um ihre Tickets zu verkaufen, muss sie aber die Kampfpreise der Konkurrenz halten.
In regelmäßigen Abständen verlangt Lufthansa politischen Schutz vor dem angeblich unfairen Wettbewerb durch Fluggesellschaften vom Arabischen Golf. Zuletzt stimmten auch die großen US-Gesellschaften in den Chor ein. Aber es bleibt dabei: Emirates, Qatar Airways und Etihad lenken mit immer größeren Flugzeugen tausende Fluggäste aus Europa über ihre Wüstendrehkreuze und haben bereits weite Teile des Verkehrs nach Südostasien und Ozeanien fest im Griff. Um streitbare Gewerkschaften, hohe Gebühren und Sozialabgaben oder Nachtflugverbote an ihren Heimatbasen müssen sich die Araber keine Gedanken machen. Zudem ändern die europäischen Billigflieger ihr Geschäftsmodell und werden für Geschäftsleute immer attraktiver. So folgt Ryanair dem Vorbild von Easyjet und verlässt die Provinz-Flughäfen. Am Eurowings-Drehkreuz Köln-Bonn treten die Iren demnächst sogar wieder mit Inlandsflügen nach Berlin an.
Auf Hilfe aus Berlin oder Brüssel hat die Lufthansa in den vergangenen Jahren meist vergeblich gewartet. Die nationale Luftverkehrssteuer verteuert Tickets für Flugreisen von deutschen Flughäfen. Sie bietet zudem der europäischen Konkurrenz Anreize, Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze zu locken. Grenznah lebende Passagiere können gleich ganz auf ausländische Flughäfen und Airlines ausweichen. Den häufig angemahnten nationalen Luftverkehrsplan gibt es auch immer noch nicht. Dafür unsinnige Subventionen für Regionalflughäfen, die bislang das Geschäftsmodell der Billigflieger gestützt haben.
Zuvor galt auch im Lufthansa-Konzern, dass Gescheiterte kein neues Geld bekommen, gemäß dem Grundsatz „ein deutscher Ingenieur muss perfekt sein. „In den USA gilt: Geld bekommt nur, wer schon mal gescheitert ist. Das zeigt: Der Mensch traut sich was und lernt aus seinen Fehlern“, sagt Muirhead.
Lernen, Fehler zu machen
Der pragmatische Umgang mit Fehlern fiel gerade den Lufthanseaten schwer. Denn ein Fehler bedeutet im Fluggeschäft meist einen Absturz. Bis heute werden viele notwendige, aber unliebsame Änderungen mit dem Verweis auf die Sicherheit verhindert. Dem setzte Muirhead auf einen anderen Sicherheitsgedanken: „Fail safe“. Alles darf schief gehen, wenn am Ende ein anderes System das Schlimmste verhindert.
Zu den neuesten Produkten der Lufthansa Technik gehört etwa ein Kindersitz, der den Dauerbelastungen an Bord standhält und in das Sitzpolster eingelassen werden kann. Oder Notfallbeleuchtungen, die beim Ausfall der Deckenlichter im Flugzeug den Weg zum Notausgang zeigen und bei eingeschaltetem Licht wie ein Teppich aussehen. Zudem baute die Gruppe den Transducer: Das Gerät macht mit seinen Schwingungen praktisch die ganze Kabinenwand zum Lautsprecher. Musik und auch Durchsagen sollen deutlich besser klingen.
Weitere Ideen werden längst ausgebrütet. Spohrs Plan, Innovation zum wichtigsten Zukunftsthema beim Konzernumbau zu machen, wird der Abteilung weiteren Auftrieb geben, glaubt Muirhead. Darum will er nicht nur wie bisher Hightech für Privatjets und Premiumairlines entwickeln. „Zu uns sollen künftig auch Billigflieger kommen“, sagt er. Zwar sei die Arbeit der Abteilung in Deutschland relativ teuer. „Doch unsere Produkte werden helfen, Geld zu sparen.“