Performance wird in London immer wichtiger, so auch bei der Tate Modern, dem größten britischen Museum für moderne Kunst: Ende Januar werden sich 18 Teenager in Uniform im Rahmen einer choreographierten Veranstaltung, die lose auf der unvollendeten Oper "Kriegsfibel" von Bertold Brecht und Hans Eisler basiert, in einer Prozession durch die Foto-Ausstellung "Conflict, Time, Photography" bewegen, Gedichte rezitieren und trommeln.
Verrückt? Auf jeden Fall innovativ, versucht die Tate Modern doch wieder einmal eine völlige neue Herangehensweise an die Antikriegsthematik. Das Museum unter Leitung des Belgiers Chris Dercon, früher Direktor des Haus der Kunst in München, hat sich seit seiner Eröffnung im Mai 2000 zum Ziel gesetzt, Kunst zu einem öffentlichen Ereignis und Erlebnis zu machen, interaktive Beteiligung ist erwünscht. Dazu gehören auch Filmvorführungen, bei denen die Zuschauer im Schlafsack im Museum übernachten. Inzwischen gibt es auch die vom deutschen Autobauer gesponserte Serie BMW Tate Live, die sich exklusiv nur an ein Digitales Publikum wendet.
Die Museumsgeheimtipps der Wiwo-Korrespondenten
Der Geheimtipp: Wer dem englischen Humor näher kommen will, sollte das Londoner Cartoon Museum besuchen, das in drei Räumen rund 230 historische und moderne Karikaturen und Comic Strips zeigt. Jedes Jahr prämiert das Museum die besten Karikaturisten unter 18 und 30 Jahre. Es befindet sich in der Nachbarschaft des British Museums, erhält keine öffentlichen Mittel und kostet Eintritt.
The Cartoon Museum, 35 Little Russell Street, London WC1A 2HH
Beim Museum Neue Galerie, das auf New Yorks Museums-Meile in der Fifth Avenue liegt, ist der Name Programm. Hier geht es deutsch zu, in der Kunst wie beim Kuchen. Besucher finden eine eindrucksvolle Sammlung deutscher und österreichischer Kunst des 20. Jahrhunderts. Nicht minder eindrucksvoll ist – zumindest für amerikanische Verhältnisse – die Auswahl an deutschen und österreichischen Kuchen in den beiden Museumscafés. Wer in New York Sachertorte in edler Wiener Kaffeehausatmosphäre speisen will, geht in die Neue Galerie. Nicht selten scheint die Anziehungskraft des Kuchens höher als die der Kunst. Dann herrscht Leere vor den Klimts, Klees und Kirchners, während die Schlange der Café-Gäste bis auf die Straße reicht.
Neue Galerie, 1048 5th Avenue, New York, NY 10028
Auf einen Tee mit George Sand.
Das Musée de la vie romantique liegt versteckt am Ende einer kleinen Seitenstraße unweit der lauten Place Pigalle. Eben noch von schreiender Leuchtreklame für sehr viel unromantisch bloß gelegte Haut umgeben, trifft der Besucher beim Betreten des Gartens mit nur wenig gebändigten Rosenbüschen und Fliederbäumen auf das Paris des 19. Jahrhunderts. In dem Pavillon im italienischen Stil, der heute das Museum beherbergt, traf sich das künstlerische "Who is who" der Epoche bei dem damaligen Mieter, dem Maler Ary Scheffer. Rossini, Dickens, Delacroix, Chopin und auch George Sand. Der Schriftstellerin, die eigentlich Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil hieß und unter dem Männernamen George Sand Romane und gesellschaftspolitische Beiträge verfasste, ist das gesamte Erdgeschoss des Museums gewidmet. An sonnigen Tagen sollte man unbedingt noch auf einen Tee im Garten verweilen.
Musée de la vie romantique, 16 rue de Chaptal, 75009 Paris
In einem früheren Kraftwerk am Südufer der Themse untergebracht, beherbergt das Museum moderne Kunst aus der ganzen Welt, kauft inzwischen vor allem gezielt Werke in Südamerika, Arabien, Afrika und Asien ein und zog im letzten Geschäftsjahr 4,8 Millionen Besucher an, viele von ihnen jünger als 35 Jahre. Das ist wohl nicht zuletzt auf die einfallsreichen Spektakel in der alten Turbinenhalle zurückzuführen, die dort jedes Jahr mit Hilfe eines Sponsors aus der Industrie zustande kommen: unvergessen sind die von Unilever finanzierten Installationen der vergangenen Jahre, etwa die fast zehn Meter hohe Riesenspinne der französischen Künstlerin Louise Bourgeois, Olafur Eliassons "Weather Project" mit seiner großen künstlichen Sonnescheibe oder Carsten Höllers "Test Site": der deutsche Künstler baute 2006 überdimensionale Rutschen auf.
Bis 2015 steht nun der koreanische Autokonzern Hyundai Motor als neuer Sponsor für die Turbinenhallenkunst bereit. Berührungsängste zwischen Kunst und Kommerz gibt es bei der Tate Modern nicht. Schließlich ist sie Teil einer Gruppe von vier "Tate" Museen - der Tate Britain in London, die sich auf britische Kunst spezialisiert hat, sowie Ablegern in Liverpool und im südenglischen St. Ives - die nach ihrem Gründungs-Mäzen, dem Zuckerbaron Sir Henry Tate, benannt sind.
Das Geschäftsmodell der vier Tate Museen basiere auf dem Prinzip einer Public Private Partnership (PPP), konstatierte kürzlich die Kunsthistorikerin Caroline Donnellan. Staatliche Förderung erhalten diese Museen nur noch zum geringen Teil, obwohl der Eintritt - abgesehen von den recht teuren Sonderausstellungen - kostenlos ist. Ansonsten finanzieren sie sich neben den Museumsshops und ihrer Gastronomie vor allem aus Spenden von Unternehmen und Privatpersonen. Für letzteres gibt es eine sogenannte gestaffelte Mitgliedschaft: für einen Jahresbeitrag von 78 Euro erhält man etwa Zugang zu allen kostenpflichtigen Ausstellungen und zum Members-Restaurant, aber nicht zu den Vernissagen, denn dafür werden weitere 40 Euro fällig.
Wer 165 Euro springen lässt, kann auch noch einen erwachsenen Gast sowie bis zu sechs Kinder mitbringen. Insgesamt 104054 "Mitglieder" hatten die vier Tate-Museen laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr, ihre Einnahmen betrugen gemeinsam 224 Millionen Euro. Allein auf die Tate Modern entfielen 2013/14 rund 104 Millionen Euro, davon stammten nur 38 Millionen Euro von der öffentlichen Hand. Auch der mit knapp 270 Millionen Euro veranschlagte Ausbau der Tate Modern - im Südwesten des alten Kraftwerks entsteht ein pyramidenartiges Gebäude, das 5000m² zusätzliche Ausstellungsflächen bieten wird - wird nur mit 72 Millionen Euro von der öffentlichen Hand gefördert, der Rest soll von Firmensponsoren und privaten Gönnern finanziert werden, darunter die Verlegertochter Elisabeth Murdoch oder der ehemalige BP-Chef Lord John Browne. Weil die privaten Gelder aber nicht so üppig sprudelten wie erhofft, musste die Eröffnung bereits einmal verschoben werden. 2016 soll es nun so weit sein.
Die vier Museen treten gemeinsam unter der von der Agentur Wolff Olins kreierten Marke "Tate" auf, die coolen Lifestyle vermitteln soll. Obwohl die Tate Modern in ihrem PR-Material die Bedeutung von Bildung und Lernen betont, fühlt sich der Museumsbesuch nicht wie eine Pflichtübung sondern eher wie Shoppingtrip an. Als Logo fungiert ein verwischter Schriftzug in hellen Farbtönen.