Samuellson und die Managerhaftpflichtversicherungen des Konzerns ersetzen eine Teil des Schadens in dreistelliger Millionenhöhe, der MAN dadurch entstand, dass in der Ära Samuelsson der Verkauf von MAN-LKW und MAN-Bussen im Ausland systematisch mit Schmiergeld gefördert worden war. Ein Kompromiss sieht vor, dass der Schwede, der jetzt Volvo-Chef ist, persönlich 1,25 Millionen Euro zahlen soll und die D & O-Versicherungen 50 Millionen Euro übernehmen. Die nächste MAN-Hauptversammlung muss das noch absegnen.
Beim M-Dax-Mitglied Bilfinger läuft das krass anders. Wenn es nach Vorstandschef Roland Koch und dem Aufsichtsrat geht, werden die Aktionäre des Bau- und Dienstleistungskonzerns auf dem zweistelligen Millionenschaden sitzen bleiben, der entstand, weil frühere Geschäfte in Nigeria doch nicht so sauber waren wie der Öffentlichkeit immer weis gemacht wurde.
Ex-Bilfinger-Chef Herbert Bodner, der das Unternehmen, das damals noch Bilfinger Berger hieß, von 1999 bis 2011 führte und im April 2013 in den Aufsichtsrat kam, erweckte stets den Eindruck, die Risiken in dem westafrikanischen Land im Griff zu haben – obwohl Nigeria im Korruptionsindex von Transparency International immer auf einem der schlechtesten Plätze stand. Dabei blieb Bodner auch trotz der Ermittlungen wegen eines Pipeline-Projekts, das die ehemalige Bilfinger-Beteiligungsgesellschaft Gas and Oil Services Nigeria in einem Joint Venture mit einem amerikanischen Unternehmen ausgeführt hatte. Im WirtschaftsWoche-Interview wischte der Österreicher im Herbst 2010 skeptische Fragen dazu vom Tisch: Er habe bei Bilfinger „ein Compliance-System eingeführt, also eine Struktur, die Korruption im Geschäft unterbindet“. Auch Julius Berger – Bilfingers nigerianische damalige 49-Prozent-Tochter – habe ein Compliance-System. Das heiße zwar nicht, so Bodner damals, „dass es in Nigeria keine Korruption gäbe. Aber nicht bei Julius Berger“.
Dabei war Julius Berger mit damals 18.000 Mitarbeitern Nigerias größter privater Arbeitgeber und galt als Machtzentrale, die sich sogar um die medizinische Behandlung des früheren Staatschefs Umaru Yar’Adua gekümmert haben soll. Schmiergeldvorwürfe gab es immer wieder, nur kein Urteil. Auch Ermittlungen wegen Korruption und Geldwäsche gegen drei deutsche Berger-Manager endeten im Herbst 2010 mit einem Vergleich: Julius Berger zahlte 29,5 Millionen Dollar in Nigerias Staatskasse.
Drei Jahre später gibt der Mannheimer Dienstleistungs- und Baukonzern nun in der vergangenen Woche bekannt, dass er sich mit dem US-Justizministerium wegen Bestechungszahlungen im Jahr 2003 auf eine Geldbuße von 23,3 Millionen Euro geeinigt hat und sein Compliance-System 18 Monate lang unter Oberaufsicht eines unabhängigen Beraters verbessern wird.
Auf Distanz zu Nigeria
Das Schuldeingeständnis versteckt das Unternehmen in einem Nebensatz: wegen „eingeräumter Verstöße gegen den US-amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act (FCPA)“ habe Bilfinger „diese Vorgänge aus lang zurückliegender Vergangenheit“ nun abgeschlossen. Für die Kröten, die der Konzern bei dem Kompromiss schluckt, setzt die US-Behörde das gegen Bilfinger eingeleitete Verfahren für drei Jahre aus. Wirklich beendet ist die Affäre also – wenn alles gut geht bei der Compliance-Kontrolle – frühestens 2016: „Nach Erfüllung der Auflagen“ wird das ausgesetzte Verfahren dann „endgültig eingestellt“.
Koch widerlegt mit dem Schuldeingeständnis gegenüber dem US-Justizministerium den Vorgänger und Aufseher Bodner. Gleichzeitig hat Bilfinger aber entschieden, gegenüber Bodner und anderen früheren Führungskräften in diesem Zusammenhang „keine Schadenersatzforderungen zu erheben“, erfuhr die WirtschaftsWoche auf Anfrage. Bilfinger teilte dazu mit, „sachkundige juristische Berater“ beurteilten nach deutschem Arbeitsrecht „die Erfolgsaussichten eines Regresses bei hohen Kosten als sehr gering“. Ansprüche gegen die Managerhaftpflicht-Versicherungen kämen „nicht in Betracht“. Wer die sachkundigen Berater sind und wie stichhaltig die juristische Argumentation, bleibt offen.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) will den lapidaren Forderungsverzicht nicht akzeptieren und erwägt, bei der Bilfinger-Hauptversammlung im April 2014 „eine Sonderprüfung der Bilfinger-Nigeria-Geschäfte zu beantragen und so für die notwendige Transparenz zu sorgen“. DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler sagt gegenüber wiwo.de: „Das Thema ist für uns noch nicht beendet. Durch die Entscheidung, keine Ersatzforderungen geltend zu machen, müssen sich die derzeitigen Aufsichtsräte fragen lassen, warum die Aktionäre für einen Fehler des damaligen Managements eine Millionenstrafe zahlen sollen. Notfalls müssen die Aktionäre hier selbst für Aufklärung sorgen, wenn die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte weiterhin unterbleibt.“
Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt.
Koch geht inzwischen auf Distanz zu Nigeria. „Im Zuge seiner strategischen Ausrichtung auf Engineering und Services hat Bilfinger im Jahr 2012 die Beteiligungen im Nigeriageschäft deutlich reduziert“, teilt der Bilfinger-Chef mit. Den Anteil an der Julius Berger Nigeria PLC (JBN) mit Sitz in Abuja habe der Konzern auf rund 33 Prozent reduziert. Außerdem habe Bilfinger 90 Prozent der Anteile der Julius Berger International GmbH mit Sitz in Wiesbaden an die JBN verkauft.
Aber der Ex-Politiker hält den Schulterschluss zu Bodner. Dabei muss er sich der Sache sehr sicher sein. Denn wenn Verantwortliche in einem Unternehmen es versäumen, mögliche Forderungen des Unternehmens einzutreiben, haften sie nach geltender Rechtslage selber für den wiederum dadurch entstehenden Schaden.