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Quelle: imago images

Was Oppenheimer und wir von Barbie lernen können

Rekorde über Rekorde: Der #Barbenheimer-Hype um die Kinofilme „Barbie“ und „Oppenheimer“ nimmt kein Ende. Was wir hier erleben, ist lehrreiches Marketing in Perfektion. Eine Kolumne.

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„Eine Woche Barbie im Kino und wohl schon jetzt #Marketing-Highlight des Jahres. Am Film führt kein Weg vorbei. Ob auf Werbetafeln, bei Social Media oder beim Shoppen – überall sehe ich pink. Aber wie hat das geklappt und was macht das mit dem Konsumverhalten unserer Kunden und Kundinnen?“ Wer dies bei LinkedIn schrieb, ist kein Geringerer als Marc Opelt, Vorsitzender des Bereichsvorstands bei OTTO.

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, was Marketing kann und wozu diese faszinierende Disziplin fähig ist, liefert ihn Barbie in Kooperation mit dem Film um Robert Oppenheimer als Case Study par excellence. Aber zunächst einmal zu den Fakten.

Das Portal „Filmstarts.de“ bringt das Phänomen auf den Punkt: „Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass sowohl Christopher Nolans „Oppenheimer“ als auch Greta Gerwigs „Barbie“ am Startwochenende voll einschlagen würden. Jetzt ist klar: Die beiden Filme dominieren die internationalen Box-Office-Charts. Greta Gerwigs Traum in Pink legte mit einem Einspielergebnis von 162 Millionen US-Dollar das stärkste Eröffnungswochenende des Jahres in Nordamerika hin, während auch Christopher Nolans Film am heimischen Markt 82,4 Millionen US-Dollar in die Kassen spülen konnte. Damit stellt das #Barbenheimer-Doppel einen einzigartigen Rekord auf: Nie zuvor in der Geschichte Hollywoods haben zwei Filme am amerikanischen Markt gleichzeitig mehr als 100 Millionen Dollar (Barbie) und 50 Millionen Dollar (Oppenheimer) eingespielt.“

Die Realverfilmung der ikonischen Spielzeugpuppe war der bisher erfolgreichste Kinostart des Jahres. Im Zahlenwerk des Spielzeugherstellers Mattel wird sich der Erfolg erst später zeigen.
von Frank Doll

Wie ein Internet-Hype zum realen Erfolg wird

Moviepilot ergänzt: „Das hat es in der Filmgeschichte noch nie gegeben. Der Barbenheimer-Hype ist nicht nur eine Internet-Sensation, sondern hat auch in der Realität voll eingeschlagen. Die Euphorie rund um Barbie und Oppenheimer als ebenso skurriles wie beglückendes Double-Feature hat jetzt schon zum finanziellen Mega-Erfolg verholfen. Wie „Variety“ berichtet, hat Gerwigs Film übers Startwochenende alleine in den USA stolze 155 Millionen Dollar eingespielt.

Damit ist Barbie dort jetzt der bisher erfolgreichste Kinostart 2023. Der Erfolg macht den Film außerdem zum erfolgreichsten Kinostart einer Regisseurin aller Zeiten. International sieht der Barbie-Erfolg noch beeindruckender aus. Insgesamt spielte Gerwigs Film seit dem Kinostart weltweit 337 Millionen Dollar ein. Mit einem Budget von 145 Millionen Dollar (auf das geschätzte 100 Millionen Dollar für das aufwendige Marketing draufgerechnet werden sollten) ist Barbie jetzt schon auf einem gewaltigen Erfolgskurs.

Eine Werbestrategie namens Brotkrumen

Im Interview mit „Variety“ erklärt Josh Goldstine, Marketing-Präsident bei Warner Bros., wie er selbst den Barbie-Hype erlebt hat, berichtet der „Stern“: „Der erste spannende Moment war auf der CinemaCon im Jahr 2022. Wir haben ein einziges Bild von Barbie in ihrer Corvette in Barbieland veröffentlicht. Das war einer dieser Momente, die sich verselbstständigt haben“, erklärt er. Wenig später fand der Dreh mit Robbie und Gosling in Santa Monica statt. Fotos vom Set gingen viral. „Wir begannen zu sehen, wie das Material die Kultur elektrisierte“, erklärt er die ersten viralen Postings.

Die Werbestrategie dahinter nennt er „Brotkrumen“-Strategie, „bei der wir den Leuten kleine Elemente des Films präsentierten, um ihre Neugierde zu wecken, und das führte zu Gesprächen“, so Goldstine. Am Ende habe sich die Werbemaschine völlig verselbstständigt, stellte er fest. Überrascht habe ihn, dass im Zuge der Marketingstrategie so viele unterschiedliche Marken mit Barbie zusammenarbeiten wollten. „Ich mache das nun schon seit 35 Jahren. Dies ist eine der einzigartigsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe“, so Goldstine.

IMAX-Kinos waren einst das große Ding. Inzwischen sind in Deutschland alle abgebaut – die Filmtechnik aber erlebt derzeit eine Renaissance, die sie einem Mann verdankt: „Oppenheimer“-Regisseur Christopher Nolan.
von Stephan Knieps

Marketing macht den Hype

Wann und ob Marketing und Werbung „viral“ gehen, sich verselbstständigen und zu einem Hype werden, konnte man noch nie wirklich vorher planen, geschweige denn vorhersehen. Doch die Marketing-Experten wissen, dass Investitionen in Werbung ihren unverzichtbaren Teil dazu beitragen. „Der Freitag“ schreibt über #Barbenheimer von einem nicht geplanten Social-Media-Phänomen. Das ist nicht ganz richtig. Das Phänomen war tatsächlich minutiös von den Marketing-Profis bei Mattel geplant. Richtig ist dagegen, dass der Hype um den gleichzeitigen Start der beiden Filme Kinogeschichte geschrieben hat.

Grelle Leichtigkeit und ernsthafte Schwere

Das Spektakel nahm seinen Lauf, als vor Monaten bekannt wurde, dass beide Filme am selben Datum in die Kinos kommen würden. Für sich betrachtet, ist das kein besonderes Vorkommen. Als jedoch die Spekulationen begannen, ob sie zueinander in Konkurrenz stünden, wurde #Barbenheimer geboren: Barbie mit seiner grellen Leichtigkeit und Oppenheimer mit seiner ernsthaften Schwere. Fraglos, so begann der Hype, müsse man beide Filme gesehen haben. Und tatsächlich sahen hunderttausend Kinogänger beide Filme hintereinander – ein kurioses Phänomen, dass von den Medien den Namen #Barbenheimer bekam.

Inzwischen feiert man beim Kino-Vermarkter Weischer.Cinema mit mehr als 3,2 Millionen Kinobesuchern und Kinobesucherinnen in Deutschland die besucherstärkste Kinowoche des Jahres. Auch wenn Barbie den Blockbuster-Kampf gegen Oppenheimer natürlich für sich entscheiden konnte, ist Oppenheimer überraschenderweise der Film, der zu mehr Online-Recherchen führte. In der Startwoche war die Wikipedia-Seite von Robert Oppenheimer die Seite, die an jedem Tag die meisten Zugriffe verzeichnete. So betrachtet, hat Oppenheimer nicht nur viel von Barbie gelernt, sondern regelrecht Profit aus der Kultpuppe gezogen.

Das Kino stirbt wieder einmal (nicht)

Böse Zungen reden nun trotz oder vielleicht wegen des sensationellen Erfolgs wieder einmal das Ende des Kinos herbei. Zum wiederholten Mal, denn das Kino sollte schon nach der Einführung des Fernsehens und spätestens nach dem Aufkommen von Internet und Plattformen wie YouTube das Zeitliche segnen.

Nun ist es die „taz“, die vom „Untergang in Pink“ schreibt: „Wenn Barbie der Beweis dafür ist, dass das Kino lebt, dann sollte es besser sterben. Barbie wird dazu führen, dass der Kinosarg noch früher zugenagelt wird. Der Film hat zwar ein paar lustige Momente und kluge Gedanken, die einen erfreuen könnten, wenn man sich nicht sofort darüber klar würde, dass das Skript von Mattel abgesegnet ist. Barbie zeigt, dass Produktfilme eine absurde Popularität erlangen und die Handlung dafür vernachlässigt werden kann.“ „Die Zeit“ dagegen glaubt im gleichen Atemzug, dass Barbie ein popkulturelles Ereignis ist und Hollywood retten könne.

Die Wahrheit wird, wie immer, irgendwo in der Mitte liegen. Für die Werber bleibt festzuhalten, dass das Kino wieder einmal nicht stirbt, sondern lebendiger ist als manches andere Medium.

Noch einmal zurück zu Marc Opelt, OTTO und der Wirklichkeit. Er schreibt bei LinkedIn weiter: „Unterschiedliche Brands von Crocs bis Airbnb kooperieren mit Mattel. Weit mehr als 100 Brands sind weltweit dabei. Deshalb spricht das Thema eine breite Zielgruppe an – auch mich und ich zähle mich nicht unbedingt zur potenziellen Käuferschaft. Die Suche nach Barbie ist in unserem Shop 243 Prozent höher als im Vormonat und der Verkauf von Barbie-Produkten hat sich mehr als verdoppelt. Ken-Produkte machen übrigens nur 6 Prozent davon aus.“

Lehren aus Barbie und Marketing für Dummies

Es bleibt die Frage, was nicht nur Oppenheimer von Barbie, sondern auch Marketingverantwortliche und ihre Agenturen von diesem zweifellosen „Marketing-Highlight des Jahres“ (Opelt) lernen können. Erstens, Marketing kann Marken viel stärker bewegen, als wir Tag für Tag erleben. Zweitens, Internet-Hypes sind planbar und Online ist vielmehr eine clever einsetzbare Marketing-Maschinerie als nur ein Abspielkanal für langweilige und nervige Werbung.

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Nicht jede Marke kann sich dieses Phänomen zunutze machen. Ohne eine zuvor auf klassischem Wege via TV, Print, Radio oder Plakat aufgebaute Markenbekanntheit (s. Barbie) kann ein solches Kunststück nicht gelingen. Bekanntheit, das weiß jede/r im Marketing, ist im Marketing-Funnel der unverzichtbare Hebel für jeden weiteren Markenerfolg. Volkswagen würde ein solches Kunststück gelingen, BYD eben (noch) nicht. Man darf gespannt sein, wann die ersten, deutschen Marken mit ihren Brotkrumen-Strategien beginnen.

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