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Quelle: dpa

Warum emotionale Werbespots zu Weihnachten nicht funktionieren

In den diesjährigen Weihnachtsspots trieft es wieder vor Purpose und Rührseligkeit. Dahinter verbirgt sich jedoch eine traurige Wahrheit: Die Werbung kämpft mit einer Sinnkrise ungeahnten Ausmaßes. Eine Kolumne.

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Wie in jedem Jahr um diese Zeit werfen wir einen Blick auf die rühmlichen und unrühmlichen Weihnachtsspots, die schon seit Wochen die Werbeblöcke füllen. Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt in diesem Jahr keine Werbe-Bescherung unterm Weihnachtsbaum.

Im Interesse einer frohen Botschaft der Werber an ihre Zielgruppen-Menschen beginnen wir mit einer positiven Nachricht. „Ich liebe Weihnachtswerbespots“, gesteht Datenredakteurin Svenja Kordmann im Fachmagazin Meedia.

Sie verkündet: „Wenn der Schneemann zu Olaf wird, plötzlich Susi und Strolch im Restaurant sitzen oder statt dem roten Cabrio auf dem Rewe-Parkplatz Lightning McQueen aus Cars fährt – Rewe setzt auf Disney-Momente im Sammelalbum. Übrigens sitzt im Werbespot ein Mann im Rollstuhl im Restaurant und die Erlöse der Weihnachtskampagne gehen zum Teil an Projekte der Aktion Mensch. In einem Spot von Aldi UK, der an „Charlie und die Schokoladenfabrik“ angelehnt ist, findet Kevin the Carrot die wahre Bedeutung von Weihnachten. Währenddessen schickt Lidl einen Waschbären ins Rennen, der einen Teddybären rettet.“

Was das mit der Telekom zu tun hat?

Doch schon am Spot der Telekom scheitert nicht nur sie („Was das mit der Telekom zu tun hat?“). Horizont erzählt die Geschichte: „Ein junger Mann kommt zum Weihnachtsfest nach Hause zu seiner Familie. Vater, Mutter, Tante, sie alle wollen wissen, wie es denn nun weiter geht bei ihm. Mit dem Masterabschluss, mit einer festen Freundin, mit eigenen Kindern. Gequält wird er am Esstisch von seiner Großmutter empfangen. Sie strahlt und sagt: Ich habe die schwierigste Frage von allen – bist Du glücklich?“ Eine rührende Geschichte, die sich nur extrem verkopft mit dem Thema Konnektivität verbinden lässt.

Kampf um unsere Aufmerksamkeit

Ähnlich ergeht es uns mit dem Weihnachts-Werk von Amazon. Es soll eine „Ode an die Freundschaft und gemeinsame Erinnerungen“ verkörpern: „Drei ältere Damen sind die Protagonistinnen in einer Geschichte über eine Freundschaft, die schon das ganze Leben lang andauert. Auf einem Rodelberg fühlen sie sich wieder ihrer Jugend nahe – alles dank eines Geistesblitzes (und der Amazon App).“ Mit dem Produkt von Amazon hat das nur entfernt zu tun; es ist nichts weiter als der alljährliche Kampf um Rührseligkeit, Tränen – in Wirklichkeit aber um unsere Aufmerksamkeit.

Claus Hoffmann von Admonitoring.Group geht betont freundlich mit dem Spot namens „Joy Ride“ um: „Viele Weihnachtskampagnen handeln auf irgendeine Weise von älteren Menschen, manchmal traurig oder nachdenklich. Amazon strahlt pure Lebensfreude aus, was durchaus ansteckend wirkt. Freude schenken ist oft nicht mehr als ein Kampagnen-Motto, Amazon hat es geschafft, diese Worte mit Leben zu füllen und zu zeigen, was sie wirklich bedeuten.“

Vor Coca-Cola war der Weihnachtsmann blau 

Bleiben wir bei Traditionen und kommen zu Coca-Cola mit seinem berühmten Truck. New Business klärt uns über die Santa-Tradition auf: „Der Limonadenkonzern startete mit der traditionell anmutenden Kampagne ‚The World Needs More Santas‘. Die Strategie hinter der Kampagne hat tatsächlich Tradition: Coca-Cola zeigte bereits ab 1920 einen Weihnachtsmann in seinen Holiday-Kampagnen. 1931 launchte man dann einen eigens entwickelten Santa Claus. Seitdem, so heißt es, sind weltweit alle Weihnachtsmänner in einen roten Mantel, also in der Coca-Cola-Hausfarbe, gekleidet. Bis dahin trugen sie weltweit blau.“

Die üblichen Verdächtigen

Nicht unerwähnt lassen wir die Filmchen der üblichen Verdächtigen unter den deutschen Händlern: Penny, Lidl, Aldi und Zalando. Penny traut sich in diesem Jahr an die Grundidee von Fridays for Future heran.

Der Discounter will dafür werben, Jugendliche mit ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen. „Kinder sind unsere Zukunft. Durch unsere Initiative ‚Förderpenny‘ bekommen wir seit Jahren hautnah mit, was sie sich wünschen. Wir möchten eine Bühne dafür geben“, erklärt Penny-COO Stefan Görgens. Das ist lobenswert, doch auch in diesem Jahr werden die erhofften „Grundsatzgespräche in der Weihnachtszeit“ wohl eher den höchst materiellen Wünschen der Kids weichen müssen.

Lidl kann es auch nicht lassen und kommt mit einer süßen Geschichte daher, in der ein kleiner Waschbär eine „magische Weihnachtszeit“ zaubert. Sie versäumen aber nicht den Hinweis zu geben: „Beschere jemandem leuchtende Augen mit dem kleinen Helden, erhältlich als Plüsch-Waschbär in deiner Lidl Filiale.“ Schon ist der Zauber wieder dahin…

Wettbewerber Aldi strickt seine diesjährige Festtagskampagne rund um unsere Weihnachts-Erinnerungen und zeigt, wie die Vorfreude auf Weihnachten („So fühlt sich nur Weihnachten an“) das Kind in uns allen hervorlockt. Horizont nennt das Werk „infantil“.

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