Es war mal wieder einer dieser Morgen: Ich betrete das Bordrestaurant als zweiter Gast des Tages und sehe: Hier ist seit dem Vortag nichts mehr gemacht worden. Auf den Tischdecken fliegen Brotkrümel herum und ein DB-Kassenbeleg vom Vorvortag. Wirklich wahr. Der muss da zwei Tage herumgelegen haben. Wie das geht, weiß nur die Bahn.
Auf der neuen Frühstückskarte steht: „Neue Rezeptur: Croissant 1,50 EUR“. Das lese ich gern, denn die alten Croissants waren oftmals schon sehr knautschig. Doch der freundliche Kellner erklärt: „Die neuen Croissants backen wir immer erst mittags. Morgens gibt es noch die herkömmlichen angelieferten.“
In jedem anderen Restaurant hätte ich verdutzt irgendwie was entgegnet wie: „Die neuen Croissants von der Frühstückskarte gibt es immer erst ab Mittag?“ Doch es ist das ICE-Bordrestaurant, deswegen sage ich tiefenentspannt: „Dann bitte ein herkömmliches.“
Wenn ich diese kleinen Geschichten dann später Freunden erzähle und sie mir erst nicht glauben wollen, dann merkte ich erst, wie oft ich Bahn fahre. Für mich ist sowas nämlich normal. Einfach #bahnisch.
Doch dann passiert etwas, das ganz und gar nicht üblich ist. Als ich mit meinem Smartphone nach dem ICE-WLAN suche, ploppt in der Liste plötzlich ein Netz auf, das hieß WIFIonICE. Das ist was Neues. Bislang hieß es immer Telekom_ICE oder so. Ich klicke WIFIonICE an und bin entzückt: Die Bahn erklärt mir auf meinem Display, das sei das neue kostenlose WLAN für alle Passagiere, so wie es Ende des Jahres überall zu haben sein soll. Und ich dürfe es in diesem ICE schon einmal testen.
Nun bin ich zwischen Berlin und Hannover unterwegs. Und was befindet sich zwischen Berlin und Hannover? Richtig: nichts. Da fährt der ICE mit bis zu 250 Sachen durch, ohne einmal zu halten. Und da wir hier schließlich in Deutschland sind: Wie soll da aus dem Nichts plötzlich Internet in den Zug kommen? Wer die Strecke kennt, weiß: Das Handynetz zeigt hier beim Internet alles an von E über GPRS bis „kein Netz“. Da kann man froh sein, wenn man überhaupt mal kurz telefonieren kann. Mit anderen Worten: Was nutzt da eine neue ICE-WLAN-Technologie, die das mobile Internet von draußen zu einem WLAN drinnen macht, wenn es draußen kein mobiles Internet gibt?
Doch dann passiert etwas Ungeheuerliches: Ich empfange eine E-Mail! Irgendwo auf der Sachsen-Anhaltinischen Wiese gehen Daten durch. So muss sich Boris Becker Ende des vergangenen Jahrtausends im AOL-Werbespot gefühlt haben: „Bin ich schon drin?“
Ich spüre ganz genau, wie mein Körper irgendwelche Hormone ausschüttet. Jetzt will ich es wissen. Was taugt das neue ICE-WLAN? Ich entwerfe spontan einen Test.
Der 2.-Klasse-ICE-WLAN-Test
1. E-Mail
Eine Mail enthält als Anhang ein hoch aufgelöstes Foto von 10 MB Größe. Sollte es tatsächlich möglich sein, so etwas in einem Zug herunterzuladen? Ich probiere es. Und siehe da: Nach immerhin einer knappen Minute kann ich es öffnen: eine Blaumeise auf einem Ast im Garten. Ein Traum. Und bei einer Reisegeschwindigkeit von über 200 km/h ist eine Minute absolut akzeptabel.
2. Spotify
Ich will Musik hören. Live gestreamt aus dem Netz. Ich öffne die App. Wenige Sekunden später kann ich hören, was ich möchte. Es läuft durch ohne einen einzigen Aussetzer.
3. Apps aktualisieren
Meine HRS-Hotel-Buchungs-App ist nicht mehr aktuell. Das Update von 34,2 MB ist sogar in exakt 58 Sekunden geladen.
4. Word-Datei aus Cloud laden
klappt in weniger als zehn Sekunden
5. DB-Navigator-App
Das hauseigene Bahn-Gewächs trumpft auf. Fahrplanauskunft und Reservierung-Anfrage klappen unverzüglich.
6. Hörbuch laden
145 MB für ein Hörbuch aus der Audible-Cloud auf das Telefon. Das braucht gut fünf Minuten. Aber meine Güte, die Zeit habe ich. Jetzt will ich mehr: Videos!
Hochgeschwindigkeitszüge in anderen Ländern
In Italien konkurrieren zwei Anbieter von Schnellzügen um die Kunden. Neben der Staatsbahn Trenitalia gibt es seit 2012 auch die privaten Italo-Züge. Italo bedient mit seinen schnellen und modernen Zügen des französischen Konzerns Alstom weniger Strecken als Trenitalia, setzt aber vor allem auf Komfort und Service. So gibt es in der ersten Klasse Essen am Platz, dazu kommen Wlan und die Möglichkeit eines eigenen Unterhaltungsprogramms. Trenitalia hat vor kurzem seinen neuen Frecciarossa 1000 präsentiert, der bis zu 400 Stundenkilometer schnell fährt. Die Freccia-Züge setzen eher auf gute Verbindungen, hohe Geschwindigkeit und wenige Haltepunkte. In den Schnellzügen beider Anbieter gilt generell eine Reservierungspflicht.
In Spanien hebt das staatliche Eisenbahnunternehmen Renfe vor allem die Pünktlichkeit der mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 310 Stundenkilometern fahrenden Schnellzüge hervor. Ab Herbst sollen die Waggons zunächst auf der Strecke zwischen Madrid und Barcelona mit Wlan ausgestattet werden. Der Hochgeschwindigkeitszug AVE hat im Juli 1,84 Millionen Reisende transportiert und damit einen neuen Rekord aufgestellt. Mit einem Streckennetz von knapp 3150 Kilometern ist das AVE-System im europäischen Highspeed-Sektor führend. In den kommenden Jahren soll das Netz für rund zwölf Milliarden um weitere 1850 Kilometer erweitert werden. Geplant sind außerdem 30 neue Züge im Wert von 2,65 Milliarden Euro.
In Frankreich soll 2022 eine neue Generation des Hochgeschwindigkeitszugs TGV in Betrieb gehen. Das Modell wird vom Bahnkonzern SNCF und dem Siemens-Rivalen Alstom gemeinsam entwickelt. Der neue TGV soll billiger und sauberer werden und in der Anschaffung sowie im Betrieb mindestens 20 Prozent günstiger sein. Geplant ist außerdem, den Energieverbrauch um mindestens ein Viertel zu senken. Der erste TGV ging 1981 an den Start und war der Vorreiter der Hochgeschwindigkeitszüge in Europa. Er verbindet die wichtigsten Städte des Landes. Die mehr als 400 Kilometer von Paris bis Lyon schafft er mit teilweise über 300 Stundenkilometern in rund zwei Stunden.
Der wohl bekannteste Schnellzug in Großbritannien ist der Eurostar, der Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 320 Kilometern pro Stunde erreichen kann. Seit Ende 2015 ist das Modell e320 von Siemens im Einsatz und verbindet London, Paris und Brüssel. Auf der Hochgeschwindigkeitstrasse High Speed 1 (HS 1) zwischen London und dem Eurotunnel fährt aber auch der sogenannte Class 395 „Javelin“ der britischen Eisenbahngesellschaft Southeastern Railway, der 225 Stundenkilometer erreicht. Gestritten wird wegen hoher Kosten über eine Nord-Süd-Trasse (HS 2) zwischen London, Birmingham, Sheffield, Manchester und Leeds. Der Bau der Strecke soll 2017 beginnen - das Parlament hat aber bisher nur für einen Teil grünes Licht gegeben.
In Polen setzt die Staatsbahn PKP auf Schnelligkeit und Komfort. Für umgerechnet etwa sieben Milliarden Euro ließ das Unternehmen seit 2012 Schienennetz, Bahnhöfe und Züge erneuern. Zum Modernisierungsprogramm gehört etwa der Kauf der elektrischen Triebzüge ED250 Pendolino des Herstellers Alstom. Sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 250 Stundenkilometern. Für eine bequeme Reise sorgen ausziehbaren Sitze, individuelle Beleuchtung und Steckdosen an jedem Platz. Diesen Komfort in der Kategorie Express InterCity Premium (EIP) soll sich mittels Frühbucherrabatten jeder leisten können. Tickets gibt es ab umgerechnet 11 Euro. Ein Imbiss und sowie ein Getränk an Bord sind im Preis inbegriffen.
Japans derzeit schnellster Zug ist der Shinkansen. Da der Eisenbahnbetrieb auf nationaler Ebene seit den 1980er Jahren privatisiert ist, gibt es mehrere Betreiber für die Hochgeschwindigkeitszüge. Die meist befahrene Strecke zwischen Tokio und Osaka fällt unter die Zuständigkeit des Bahnunternehmens JR Tokai. Dieses verfolgt angesichts des immer heftigeren Konkurrenzkampfes mit Billigfliegern die Ziele, schneller, komfortabler und sicherer zu werden, ohne dabei die Preise zu senken. Mit einem neuen Bremssystem sollen die rund 130 Züge zudem mit einer Höchstgeschwindigkeit von 285 km pro Stunde fahren können.
7. Youtube
Ich gucke zum Test einen Film mit Fails, wo Leute mit Aufsitz-Rasenmähern die Böschung runter kullern und so. Läuft rund. Also das Video.
8. Amazon Video
Ja, jetzt werde ich übermütig. Serien live streamen im ICE. Und was soll ich sagen: Es klappt. Das Bild ist in den ersten Sekunden verpixelt, was für eine niedrige Übertragungs-Rate spricht, doch dann fängt es sich und läuft den Test von zehn Minuten durchgängig ohne Probleme.
9. live fernsehen
„Volle Kanne". Über die Mediathek-App live das ZDF-Vormittagsprogramm. Es braucht rund 20 Sekunden, bis es anläuft. Dann startet die Übertragung in brillanter Bildqualität.
10. Video-Telefonie
Plötzlich geht gar nichts mehr. Mein Facetime-Test zur Videotelefonie scheitert völlig. Auch das Fernsehen setzt jetzt aus und mit ihm kurz mein Herz. Oh nein! Kann nicht einmal was perfekt sein? Ich schalte das WLAN aus und siehe da: auch kein mobiles Netz. Gerade, wenn das Handy-Netz patzt, versagt auch das ICE-WLAN. Ohne Mehl backt eben auch der beste Bäcker keine Plätzchen.
Doch nach rund drei Minuten liefert das WLAN wieder (doch jetzt geht bei Facetime keiner dran).
Dieses Gut-schlecht-gut geht dann die ganze Strecke so weiter - auch über Hannover hinaus. Im Schnitt rund zwanzig Minuten gute Leistung. Dann für ein bis drei Minuten Totalausfall. Dann wieder gute Leistung. Da gibt es wahrlich schlechtere Angebote auf dieser Welt (zum Beispiel die ICE-Croissants). Wenn das ab Dezember weiter so klappt, dann kann die Bahn sich auch mal auf die Schultern klopfen. Denn das ist dann auch #bahnisch.
Aber: Das ist ein Test unter Luxus-Bedingungen. Kaum einer der Passagiere in der 2. Klasse wird versucht haben, das kostenpflichtige WLAN zu nutzen, und dabei zufällig auf das kostenlose neue gestoßen sein.
Was aber, wenn ab Dezember hunderte von Reisenden sich euphorisch auf dieses eine Netz stürzen? Dieses eine Netz, das mit einer Kapazität von 150 Mbit pro Sekunde dem eines sehr guten privaten Hausanschlusses entspricht, umgerechnet aber für einen ganzen Straßenzug mit Mehrfamilienhäusern herhalten muss?
Die Bahn hat schon vorgesorgt und angekündigt, das Surf-Volumen pro Fahrgast zu beschränken. Wenn das alles aber ohne Kundenregistrierung ablaufen soll (wie im Test jetzt), dann wird es de facto eine Beschränkung pro Gerät. Steigt man mit Laptop, Tablet-Computer und Smartphone ein, bekommt man dreifaches Surf-Volumen. Wer unterwegs 90 Minuten Bundesliga live gucken will, sollte also ab jetzt anfangen, seine Altgeräte zu sammeln.
Fazit: Wenn Sie einmal so richtig nach Herzenslust im ICE surfen möchten, brauchen Sie nur ein bisschen Glück, um noch bis Mitte Dezember einen Test-ICE zu erwischen. Am besten nachmittags, wenn Sie dazu lecker frühstücken wollen.