Grüne Technologie Siemens hat die Weltspitze erobert

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Alstom-Fabrik in der Schweiz Quelle: REUTERS

Der Konkurrent ABB bietet ein gemischtes Bild. Zwar weisen die Schweizer bei 80 Prozent aller Produkte deren Umweltverträglichkeit transparent aus. "Daran und an organisatorischer Verankerung erkennt man, dass ABB das Thema ernst nimmt", sagt Vasak. "Allerdings ist das Unternehmen bei der externen Kommunikation noch sehr zurückhaltend."

Geradezu düsterer wirkt die Situation beim französischen Rivalen Alstom: "Alstom behandelt Umweltschutz recht stiefmütterlich und bezieht sich primär auf interne Abläufe im Unternehmen", sagt Vasak. Zudem waren die Franzosen auch auf Nachfrage nicht bereit, konkretes Zahlenmaterial etwa über ihren Ressourcenverbrauch preiszugeben.

Führend ist Siemens vor allem auch bei der Breite des grünen Produktportfolios. Nach Produktsparten erreicht Siemens in der PA-Studie 17,4 von 20 möglichen Punkten; GE rangiert mit 16,6 Punkten kurz dahinter, während Alstom und ABB deutlich unter 10 Punkten landen. Die vier Konzerne bilden zwei Gruppen – Siemens und GE mit einem breiten grünen Produktangebot, ABB und Alstom wirken dagegen eher schmal.

Wie gezielt Löscher beim Aufbau des Umweltportfolios vorgegangen ist, zeigt der Blick auf einzelne Geschäftsfelder. Beispiel Gasturbinen: Weil viele Energieunternehmen ihre Elektrizitätserzeugung von Kohle- auf effizientere Gaskraftwerke umstellen, wächst deren Markt kräftig. Löscher gelang es, den Marktanteil von Siemens zu steigern, indem er in die Entwicklung einer großen, besonders effizienten Gasturbine investierte. Das neueste Modell kommt auf einen Wirkungsgrad – das ist die Quote der in Strom umgesetzten Energie – von mehr als 60 Prozent; bisher lag er bei Mitte 50 Prozent.

Die Steigerung hat enorme Wirkung. Denn rund drei Viertel der Kosten einer Turbine sowie ihres Einsatzes entfallen auf Gas. Für einen Versorger bedeutet ein Effizienzgewinn von zwei Prozentpunkten daher Einsparungen beim Treibstoff in Höhe von geschätzt rund 50 Millionen Euro. Die Mühe lohnte sich. Wie Löscher im Oktober auf dem jährlichen Führungskräftetreffen in Berlin erklärte, hat Siemens seit Mitte 2009 in den USA 20 solcher Gasturbinen verkauft, Wettbewerber GE dagegen keine einzige.

Attacke von der Seite

Beispiel Windkraft, ebenfalls ein enormes Wachstumsgeschäft: Laut Schätzungen der Investmentbank HSBC soll der Markt für Windenergie zwischen 2009 und 2020 pro Jahr um fast sechs Prozent zulegen. Im Jahr 2005 kam Siemens nach Schätzung von Bernstein Research gerade mal auf einen Weltmarktanteil von fünf Prozent. Die Marktführer Vestas und GE schienen mit Anteilen von fast 30 Prozent und knapp 20 Prozent uneinholbar enteilt.

Doch Löscher gab nicht auf. Statt Vestas und GE frontal anzugreifen, entschieden sich die Münchner für die Attacke von der Seite. Sie konzentrierten sich auf die Entwicklung von Windturbinen speziell für den Einsatz auf hoher See, wo stärkerer Wind herrscht, es aber auch höhere Anforderungen an die Robustheit gibt. Laut HSBC wächst die Nachfrage nach dieser Technik um fast 30 Prozent pro Jahr. Inzwischen ist Siemens Marktführer bei diesen sogenannten Offshore-Windanlagen – und konnte auf diesem Umweg seinen Marktanteil auf rund acht Prozent ausbauen; das entspricht Rang fünf im Weltmarkt.

Erst Ende Dezember kündigte Siemens an, die Schlagzahl bei der Windenergie weiter zu erhöhen. So will der Konzern allein in diesem Jahr dreistellige Millionenbeträge investieren, um Fertigungsstätten für Windkraftanlagen in den wichtigen Märkten Brasilien, Indien und Russland hochzuziehen. Zudem will der Konzern sein Augenmerk nun auch stärker auf das Land-Geschäft legen und bis 2012 insgesamt unter die größten drei Anbieter auf dem Weltmarkt für Windkraft aufrücken.

Umweltportfolio nimmt 40 Prozent des Gesamtumsatzes ein

Auch insgesamt spielt das Geschäft mit erneuerbaren Energien – gewissermaßen ein Untersektor innerhalb des kompletten Umweltportfolios – eine immer größere Rolle bei Siemens. So haben die Münchner neben Windkraft auch Gezeitenkraftwerke oder Lösungen für die Wasseraufbereitung im Privathaushalt im Angebot. Ende 2009 kaufte Siemens zudem das israelische Solarthermieunternehmen Solel, das große Felder mit gewölbten Spiegeln betreibt, die zur Stromgewinnung aus Sonnenenergie dienen. Wie Löscher auf der Bilanzpressekonferenz Anfang November in München verkündete, hat die Division Erneuerbare Energien das stärkste Jahr aller 14 Siemens-Divisionen beim Auftragseingang erreicht und beim Auftragsbestand inzwischen die Zehn-Milliarden-Euro-Marke überschritten.

Kein Wunder, dass Siemens deshalb auch beim Umsatz vor den drei Wettbewerbern liegt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr setzte Löscher mit seinem Umweltportfolio bereits 28 Milliarden Euro um – das sind fast 40 Prozent vom Gesamtumsatz. Das Wachstum lag bei drei Prozent, während der Gesamtkonzern im Geschäftsjahr 2010 leicht schrumpfte. In Zukunft sollen grüne Technologien darum einer der wichtigsten Wachstumsmotoren sein. Bis 2014 will Siemens mehr als 40 Milliarden Euro Umsatz mit seinem Umweltportfolio erzielen – das bedeutet ein jährliches Plus in jenem Segment von mehr als zehn Prozent. Weitere Übernahmen sind hier noch nicht eingerechnet.

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