Lebensmittel Wie gut ist Bio wirklich?

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Heinrich Tiemann Quelle: Gerrit Meier für WirtschaftsWoche

Bisher sind Bioprodukte oft wesentlich teurer. Kunden zahlen mitunter einen Preis, der den zusätzlichen Aufwand kaum zu rechtfertigen scheint. So kassieren Biobauern laut dem Agrarbericht der Bundesregierung mehr als 20 Euro je 100 Kilogramm Weizen. Die Traditionslandwirte hingegen nehmen mit 9,80 Euro nicht einmal halb so viel ein. Dabei sind gerade jetzt, wo weltweit die Nahrungsmittelpreise in die Höhe schießen, Millionen Menschen auf erschwingliches Öl, billigen Reis und bezahlbares Getreide angewiesen. Die Sorge einiger Experten: Eine Umstellung auf teure Bioproduktion könne Menschen in die Armut treiben.

Für Praktiker wie Christian Hiß, den Gründer der Regionalwert AG in Freiburg, die Biobauern und Bioläden in der Region finanziert, ist das eine Milchmädchenrechnung. Denn die Preise für Bioprodukte ließen sich nicht einfach von Deutschland auf Afrika oder Asien übertragen, sagt der Biogemüsebauer, der selbst mehrfach in Westafrika war. Was hierzulande den Bioanbau teuer macht – die viele Handarbeit – ist dort gerade kein Problem: „Dort fehlt es an Finanzmitteln, nicht aber an Arbeitskräften.“

Ist Bio gesünder?

Preis hin oder her, ein wichtiger Faktor für Nachhaltigkeit ist die Gesundheit der Kunden. In Sachen Geschmack, Vitamine oder Keimbelastung schneiden die vermeintlich bessern Biobestseller aber oft kaum besser ab als ihre traditionell hergestellten, oft wesentlich billigeren Pendants. Das belegte Stiftung Warentest vor einigen Monaten in einer groß angelegten Studie.

Biorapsöl ist so ein Fall: Es schmeckte oft holzig-strohig oder sogar ranzig. Die Test-Experten vermuten, dass die empfindliche Rapssaat bei Ernte oder Lagerung im Biobetrieb Schaden nimmt. Und wer Biofischstäbchen kauft, hat in der Regel den asiatischen Zuchtwels Pangasius statt frei gefangenen Seelachs zwischen der Panade. Das ist zwar für die bedrohten Seelachsbestände hilfreich, schmeckt aber – wie jeder Wels – ein wenig modrig.

Dass Bioware wie Milchprodukte oder Würstchen schneller verderben oder mit krankmachenden Keimen belastet sind, war Anfangs bei Bioprodukten ein Problem. Heute sind sie laut Stiftung Warentest ebenso gut wie konventionell und großtechnisch gefertigte Waren.

Besser schneidet Bio vor allem bei der Belastung mit Pflanzenschutzmitteln ab: Hier haben die Tester 61 biologische Produkte mit 255 konventionellen verglichen. Die Bilanz: In 75 Prozent der Bioware waren keinerlei Pestizide nachweisbar. Dagegen wurden sie in 84 Prozent der herkömmlichen Lebensmittel fündig. Dieses Gift wollen die Bioapologeten auf keinen Fall auf dem Teller haben.

Sie müssten daher dem Bauernpaar Petra Graute-Hannen und Heinrich Hannen eigentlich die Tür einrennen. Die Hannens führen den Lammertzhof in der Nähe von Düsseldorf. Und in ihrem Hofladen haben sie das größte Ökosortiment der Region: 50 Sorten Gemüse und Kräuter und Eier aus Freilandhaltung. Doch die beiden müssen sich sehr um Kunden bemühen.

Der Grund: Sie verkaufen nur regionale und saisonale Produkte. Viele Kunden wollen aber das ganze Jahr über Äpfel, Nektarinen, Tomaten oder Brokkoli haben, so wie sie es vom Lebensmittelmarkt gewohnt sind. Oft sei den Menschen überhaupt nicht klar, dass ein Landwirt nur das anbieten kann, was gerade wächst, sagt Graute-Hannen. Viele Kunden gehen daher lieber in den Supermarkt mit großer Bioauswahl: Laut der Gesellschaft für Konsumwirtschaft kaufen die Deutschen bereits 60 Prozent ihrer Biolebensmittel bei Aldi, Basic & Co. – Tendenz steigend.

Was dort aber auf der Theke liegt, ist schon lange nicht mehr das, wofür Bio einst stand: ein nachhaltig produziertes Produkt aus der Region. Heute warten auf die Kunden Bioäpfel aus Neuseeland, Garnelen aus Ecuador und Kiwis aus Südafrika.

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