Meyer Burger Rettet die Solarindustrie!

Ist bald Schluss mit der Modulproduktion in Freiberg? Schon wieder? Meyer Burger produziert dort im ehemaligen Solarworld-Werk. Solarworld meldete 2017 Insolvenz an. Quelle: imago images

Soll die Ampel einem Schweizer Unternehmen wirklich Steuergeld hinterherwerfen? Ja, denn Deutschland muss in der Solarindustrie mit China und den USA mithalten können. Das sollte auch die FDP einsehen. Ein Kommentar.

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Natürlich ist die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen. Und natürlich steigert Meyer Burger nun vor allem den Druck in dieser beachtlichen Lobbyschlacht um Subventionen. Am Freitagmorgen hat das Schweizer Unternehmen verkündet, im März seine Produktion von Solarmodulen in Freiberg in Sachsen einzustellen, um das Werk im April endgültig zu schließen. Es gehe darum, das „Ausbluten“ in Europa zu stoppen, sagte Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt am Freitagvormittag in einem Analysten-Call. Am Mittag will er sich vor dem Werk im ehemaligen Freiberger Hüttenviertel fotografieren lassen, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert bereits eine Einigung auf den umstrittenen „Resilienzbonus“.

Das alles ist eine Reaktion darauf, dass sich die Ampel in Berlin vor allem wegen des Widerstands der FDP in dieser Sitzungswoche nicht auf diesen Bonus hat einigen können. Das Konzept dieser Subvention sieht eine Erhöhung der Einspeisevergütung für jene Betreiber vor, die Solaranlagen made in Europe kaufen. Noch aber, das ist der zweite Teil der Eskalation, habe die Ampel eine Chance, hieß es von Meyer Burger. Noch gebe es ein „Window of Opportunity“, ein „Fenster der Gelegenheit“, das die Koalition nutzen könne. Zweieinhalb Wochen in etwa sei dieses Fenster offen. Tut es, jetzt, lautet die Forderung, sonst geht die Solarindustrie in Deutschland ein zweites Mal vor die Hunde.

Ein fatales Signal für den Standort Deutschland

Man muss die brachiale Lobbystrategie Erfurts nicht mögen. Man kann auch an der Strategie des Unternehmens Meyer Burger insgesamt zweifeln. Und es gibt gute Gründe, die gegen eine Subvention sprechen. Aber es gibt bessere Argumente, diese Subvention tatsächlich zu beschließen, zumal es nicht nur um Meyer Burger geht. Das wichtigste lautet: Es wäre ein fatales Signal, wenn Deutschland sich bereits zum zweiten Mal aus dieser Zukunftsindustrie zurückziehen, sich vollends von China und den USA abhängig machen würde – und damit die Hoffnung auf weitere Innovationen zerstören würde. Die globalisierte Welt zerlegt sich derzeit. Das ist ein Alptraum. Aber in dieser Welt idealistisch die Werte der Globalisierung hochzuhalten, ist naiv, wenn nicht fahrlässig. Die anderen, in Peking und Washington, tun das schon lange nicht mehr. Und gerade in dieser Branche sollte alles getan werden, um die Deindustrialisierung in Deutschland aufzuhalten.

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Forschung braucht Produktion

Nein, Meyer Burger ist, trotz seiner so genannten Heterojunction-Zelltechnologie vermutlich nicht so einmalig, dass es alle viel günstigeren chinesischen Konkurrenten qualitativ ausstechen würde. Dasselbe gilt für andere deutsche Modulhersteller. Zu sehr hat gerade China in den vergangenen Jahren aufgeholt. Aber das ist der Punkt: Indem Deutschland auf die Produktion hier verzichtet, nimmt es sich die Chance, das hiesige Unternehmen im Bund mit unbestritten führender Forschung – etwa am Fraunhofer Institut für Solare Energieystemsystem ISE – wieder die besten Produkte entwickeln können. Deutschland riskiert leichtfertig, aus einem Markt zu verschwinden, der, so oder so, die Zukunft prägen wird, weil die Energieform, um die es geht, die Zukunft darstellt: die Fotovoltaik. Und das betrifft, obwohl Meyer Burger hier der Klassensprecher ist, eben nicht nur das Schweizer Unternehmen, sondern auch Firmen wie Heckert Solar oder Solarwatt, aber auch Unternehmen auf vorgelagerten Produktionsstufen.

Vergesst Zölle

Natürlich kommen auch andere Hilfsmittel als Resilienzboni oder Resilienzausschreibungen in Betracht. Zölle etwa. Aber die wären angesichts der gegenwärtigen europäischen Abhängigkeit von chinesischen Modulen schädlich. Die Regierung muss eine Balance zwischen zwei konkurrierenden Zielen finden: Einerseits braucht sie für das Erreichen der Klimaziele die günstigen chinesischen Module. Andererseits gibt es ein Interesse am nachhaltigen Aufbau einer eigenen Wertschöpfungskette. Direkte Hilfen wären ebenfalls denkbar, in den Umsetzung aber schwierig und langwierig. Deshalb sind die Resilienzboni im Grundsatz nicht perfekt, aber die beste Wahl. Das sollte auch die FDP erkennen.

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Denn, um den Rahmen größer zu ziehen, es kann nicht sein, dass Deutschland seine Industrien nach und nach ziehen lässt in der Hoffnung, dass es irgendwie schon werden wird. Das wird nicht geschehen. Insofern steht Meyer Burger, trotz aller Einschränkungen, sehr wohl für eine gefährliche Entwicklung: Wenn die Politik nichts tut, um Unternehmen zu halten, gehen die oder hören auf. Tatsächlich. Argumente gegen Hilfen gibt es immer. Eine Basis für einen Aufschwung, für eine wirtschaftliche Zukunft, ist das nicht. Es ist der Job einer Regierung, Argumente fürs Bleiben, fürs Weitermachen, zu schaffen. Und, Stand Freitagmittag, ist die FDP noch Teil dieser Regierung.

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