Finanzkrise Der tiefe Fall des US-Versicherers AIG

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AIG verließ sich bei der Bewertung der Risiken auf ein neues, von einem Finanzprofessor an der Eliteuniversität Yale entwickeltes Modell, wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ vor kurzem beschrieb. Doch dieses Modell hatte einen entscheidenden Haken: AIGs CDO-Vertragspartner konnten neue Sicherheiten verlangen, falls der Wert der versicherten Kreditbündel fiel. Dieses Risiko hatte das Yale-Computermodell schlicht nicht berücksichtigt. Als die Immobilienblase platzte, forderten die Vertragspartner reihenweise neue Sicherheiten ein. Diese Forderungen trieben den Versicherungsriesen, der noch 2007 sechs Milliarden Dollar Gewinn erzielte, an den Rand der Pleite.

Europäische Banken hängen mit drinnen

AIG dichtzumachen ist aber alles andere als leicht: Denn AIGs globalen Verflechtungen würden weltweit für ein finanzielles Erdbeben sorgen. Ein Swap-Portfolio in Höhe von 441 Milliarden Dollar steht in AIGs Büchern. Laut der „Zeit“ sind „hauptsächlich europäische Banken“ Swap-Verträge von AIG in Höhe von 379 Milliarden Dollar eingegangen. Eine Pleite des Versicherers würde also auch Europas Bankenlandschaft schwer treffen.

Dieses so schön als „systemisches Risiko“ bezeichnete Horrorszenario ist der Grund dafür, warum die US-Regierung AIG noch immer die Stange hält. Die Rückabwicklung der jeweils einzeln ausgehandelten CDO-Verträge ist für AIG alles andere als einfach. Der Konzern versucht deshalb, möglichst viele Unternehmensteile loszuwerden. Für seine Lebensversicherungssparte American Life Insurance hat AIG bereits Gebote über 11,2 Milliarden Dollar erhalten – dieses Angebot könnte aber noch auf acht Milliarden Dollar schrumpfen. Einen US-Spezialversicherer hat AIG bereits an die Münchner Rück verkauft. Auch für das Vermögensmanagement von AIG gibt es Medienberichten zufolge Gebote von privaten und strategischen Investoren. Viel Geld müssen sie dafür aber nicht lockermachen: Der Preis für die Sparte liegt bei rund 500 Millionen Dollar.

Kommenden Montag wird AIG dann seine Bilanz für 2008 vorlegen. Am Wochenende soll der Verwaltungsrat die neuen Rettungsmaßnahmen mit der US-Regierung besiegeln. Für den Fall des Scheiterns hat AIG bereits einen Insolvenzantrag vorbereitet, hieß es. Wie auch immer es ausgeht: Für die US-Steuerzahler ist AIG längst zum teuren Risikofall geworden.

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