Cosco fusioniert mit OOCL Wie sich China einen Reederei-Riesen züchtet

Mit der Fusion von Cosco und OOCL entsteht ein neuer Reederei-Gigant. In der schweren Krise der Schifffahrt zählt Größe mehr als je zuvor. Doch bei diesem Kauf geht es nicht um Wirtschaftskraft, sondern um Macht.

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Quelle: REUTERS

Es ist erst wenige Tage her, da fuhr der Gigant der Weltmeere in Wilhelmshaven ein. Die OOCL Hong Kong ist das größte Schiff, das je gebaut wurde, ein Gigant mit rot-weißen Stahlwänden, die aus dem Wasser wie unbezwingbare Mauern herausragen. Es ist 400 Meter lang, könnte mehr als 21400 Container tragen.

Gigantisch ist auch der Konzern, der sich dieses Schiff und alle seine Geschwister nun zu Eigen machen will. Die chinesische Reederei Cosco soll OOCL kaufen. 5,5 Milliarden Euro ist der Deal wert, dafür tritt der Mutterkonzern von OOCL 90 Prozent seiner Anteile an Cosco ab. Die restlichen zehn Prozent gehen an den Staatskonzern Shanhgai International Ports.

Mehr als 400 Schiffe würden die Reedereien nach der Vereinigung besitzen. Und nach Daten des Branchenanalysten Alphaliner kämen die Reedereien zusammen auf mehr als 11 Prozent Marktanteil. So entstünde die neue Nummer Drei der Branche. Nur Aktionäre und Kartellwächter müssen noch zustimmen.

Marktanteile der größten 10 Container-Reedereien

Dutzende Reedereien haben sich in den vergangenen Jahren zusammengeschlossen. Die Fusionen sind eine Folge aus der Flaute, die seit fast einem Jahrzehnt in der Schifffahrt herrscht. Vor der Finanzkrise bauten die Reeder mit überzogenen Erwartungen und prallen Geldbeuteln ein Schiff nach dem anderen. Nun herrscht Überkapazität. Seit Jahren sind deshalb die Preise niedrig. Eine Reederei nach der anderen muss aufgeben.

Doch Cosco und OOCL unterscheiden sich von den dutzenden Deals, die es zuvor gab. Nicht nur, weil sie viele der anderen Käufe in ihrer Größe übertreffen. Sondern auch, weil es bei dieser Fusion nur nachgeordnet um Wirtschaftlichkeit geht – sondern vor allem um Macht.

Die Fusion ist politisch gewünscht. China strebt danach, seinen Einfluss in der Welt zu stärken. Mit gezielter Entwicklungshilfe will China ganze Teile des eurasischen Kontinents wachsen und gedeihen lassen und die Länder so politisch und wirtschaftlich an sich binden.

Die Regierung in Peking träumt nicht nur von einer neuen Seidenstraße, längs durch das chinesische Hinterland und Länder wie Kasachstan und Tschetschenien. Sie bauen sie schon längst. Und nicht nur auf dem Land, auch in der Luft und im Wasser will der chinesische Kader die Handelsrouten beherrschen.

Und Cosco spielt dabei eine Schlüsselrolle. Der Staatskonzern ist das wichtigste Werkzeug der chinesischen Regierung auf dem Meer. Erst im vergangenen Jahr entstand das mächtige Gebilde, als die zwei größten Reedereien Chinas fusionierten, Cosco und China Shipping. Der Konzern verfügt nicht nur über Schiffe, sondern auch über Beteiligungen an Häfen, und das nicht nur in China, sondern auch in Griechenland oder Spanien.

Cosco und OOCL: Die letzte Mega-Fusion

Die Wirtschaftlichkeit der Fusion steht deshalb hinten an. Das zeigt nicht nur der hohe Preis. Geht es nach der Mitarbeiterzahl, wäre Cosco wohl schon heute die größte Reederei der Welt. Doch an Stellenabbau denkt niemand. Als Staatskonzern hat die Reederei schließlich eine Verantwortung: möglichst viele Chinesen zu beschäftigen und vor der Arbeitslosigkeit zu beschützen.

Und auch bei OOCL wird der neue Eigentümer wohl kaum aufräumen: Cosco sicherte OOCL auch zu, dass das Hauptquartier in Hong Kong bliebt, zwei Jahre lang sollen keine Jobs bei OOCL gekürzt werden. Das und der politische Druck sollen schließlich ausgereicht haben, um auch die Eigentümerfamilie Tung von einem Verkauf an Cosco zu überzeugen.

Noch im Januar wollten die Hong Konger nichts von einer Fusion wissen. Man stehe nicht in Verhandlungen zu einer Übernahme, teilte der Mutterkonzern der Reederei OOIL damals mit. Seit dem hat sich nicht nur die Meinung der Reederei gewandelt, sondern auch das Branchenumfeld.

Nach neun Jahren Krise gibt es wieder Hoffnung auf eine Besserung. Die vielen Fusionen und die neuen Allianzen in der Branche haben zu höheren Preisen auf den wichtigen Routen geführt. Und endlich haben die Reeder auch aufgehört, neue Schiffe zu ordern, ohne dabei nach Sinn und Verstand zu fragen. So baut sich endlich nicht mehr weitere Überkapazität auf.

Trotz aller Machtansprüche der Chinesen, für die deutschen Konkurrenten ist die Fusion erst mal keine schlechte Nachricht. So kletterte der Aktienkurs von Hapag-Lloyd als Reaktion auf die Nachricht um über sieben Prozent. Denn immerhin bringt der Deal nicht wieder die drei Allianzen nicht wieder durcheinander, zu denen sich die Reedereien erst im April zusammengeschlossen haben. Schließlich gehören sowohl Cosco als auch OOCL zur Ocean Alliance. Somit fällt im Gegensatz zu früheren Fusionen diesmal bei keiner Allianz ein Mitglied weg. Auch das könnte dazu beitragen, dass nach der Fusion die Frachtraten noch einmal weiter steigen könnten. Weniger Wettbewerb bringt mehr Geld.

Nur ein Problem bleibt der Branche: Es ist wohl das letzte Mal, dass sie eine Fusion dieser Größenordnung sehen wird. Alle Kaufkandidaten sind weg, analysiert der Branchendienst Drewry.

Alle anderen sind weg: Hapag-Lloyd kaufte erst die Chilenen CSAV und dann noch die Araber UASC, Hamburg Süd ging an die Dänen von Maersk. Und selbst die hoch verschuldete Reederei NOL fand mit CMA CGM einen Käufer. Einzig die kriselnde japanische Reederei Yang Ming könnte noch ein Kandidat sein. Danach jedoch würden weitere Fusionen allein an der schieren Größe der Unternehmen und den damit einhergehenden Kartellprobleme scheitern. Schließlich werden die sieben größten Reedereien zusammen bald 75 Prozent des Marktes kontrollieren, prognostiziert Drewry.

Und eins gilt als sicher: Cosco wird alles tun, um seinen Anteil daran noch weiter zu vergrößern.

Und mit OOCL wollen die Chinesen ihren Einfluss nun auch Richtung Amerika stärken. Gemessen an ihren heutigen Anteilen wären OOCL und Cosco zusammen die drittgrößte Reederei für den Verkehr zwischen den beiden Kontinenten.

Das lassen sich die Chinesen einiges kosten. Mit 5,5 Milliarden Euro sei der Preis „sehr hoch“, sagen Branchenanalysten. Cosco habe die Konkurrenz über den Preis ausstechen müssen. Denn auch die Franzosen CMA CGM sollen ein Auge auf die Reederei geworfen haben. Doch es bleibt schwer vorstellbar, dass die Regierung in Peking OOCL ausgerechnet an einen europäischen Konkurrenten abgetreten hätten. Schließlich ist der Heimathafen der OOCL das Handelszentrum Hong Kong. Und es liegt im chinesischen Interesse, den Einfluss über diesen wichtigen Kontenpunkt zu behalten.

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