Der neue Luxus Erlebnisse schlagen Prunk und Protz

Die Luxusbranche steht vor einem großen Umbruch. Statt Bling-Bling zählen andere Werte. Konsum- und Luxusexpertin Martina Kühne erklärt, woher der Wandel kommt - und wie Unternehmen darauf reagieren.

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Die 30 deutschen Top-Luxus-Marken
Rang 30: Escada (15)* Escada erwirtschaftet nach Jahren der Krise wieder einen positiven Cashflow. 2009 hatte Megha Mittal, die Schwiegertochter des indischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal, das Münchner Modehaus aus der Insolvenz herausgekauft. Heute setzen Escadas Designer unter anderem auf kräftige Farben, große Blumenaufdrucke und Metalltöne. Kritiker loben die Stücke als prächtig und stylisch. Das Modehaus konzentriert sich zurzeit vor allem auf die Märkte USA, Deutschland, Spanien, Russland, Japan und China.Deutscher Luxusmarkenindex (max. 300): 116 (144)*Trend seit 2011: ⇘ ** * in Klammern: 2011 ** Trendanzeige ab 5 PunktenDer Luxusmarkenindex basiert auf einer Befragung von 163 Branchenexperten zu den drei Kriterien relativer Preisabstand des Luxusmarkenanbieters zu einem Mainstream-Markenanbieter, absolute Preishöhe und Anziehungskraft einer MarkeQuelle: Biesalski & Company und Brand Networks Quelle: dpa
Rang 29: Hotel Adlon (25) 1907 eröffnete das Hotel Adlon am Berliner Boulevard Unter den Linden und beherbergte im Laufe der Jahre viele berühmte Gäste, darunter Thomas Alva Edison, Henry Ford, John D. Rockefeller, Walther Rathenau, Gustav Stresemann und Aristide Briand. Durch die schlechte Finanzlage seines Investors, der Fundus-Gruppe, geriet das Hotel zuletzt oft in die Schlagzeilen. Laut einer Schätzung der Ratingagentur Moody’s sollte das Hotel am Brandenburger Tor im Vorjahr nur noch 182 Millionen Euro wert sein. Deutscher Luxusmarkenindex (max. 300): 117 (121)Trend seit 2011: NEU Quelle: dpa/dpaweb
Rang 28: Nymphenburg (-)Die Porzellan Manufaktur Nymphenburg kooperiert schon seit Jahren mit namhaften Künstlern wie dem Niederländer Joep van Lieshout, dem Franzosen Saâdane Afif oder dem deutschen Schmuckdesigner Patrik Muff. Er lässt Schriftsteller Texte zu seinen Porzellanvasen schreiben und gibt der traditionsreichen bayerischen Marke so ein hippes Image. Zählt doch die klassische Sammeltasse nicht zu den angesagtesten Objekten bei der Generation Facebook.Deutscher Luxusmarkenindex (max. 300): 118 (-)Trend seit 2011: NEU
Rang 27: Tobias Grau (-) Betriebswirt und Designer Tobias Grau ist bekannt für seine Leuchten in Tropfenform. 1984 entwickelte er seine erste Leuchtenkollektion, 1992 baute er sie zusammen mit seiner Frau Franziska zu einer Leuchtenmarke aus. 150 Mitarbeiter beschäftigt Grau heute. Rund 95 Prozent der Fertigung erfolgt heute in Deutschland, die Endmontage in der Nähe von Hamburg.Deutscher Luxusmarkenindex (max. 300): 119 (-)Trend seit 2011: NEU Quelle: Screenshot
Rang 26: Schloss Elmau (-) Dietmar Müller-Elmau, Chef des Hotels Schloss Elmau in Oberbayern, wurde 1954 auf dem Schloss geboren und führt heute das Fünf-Sterne-Hotel. Neben seiner Lage ist es bekannt für seine renommierten klassischen Konzerte. Über 17 Millionen Euro Umsatz machte das Nobelhotel 2010.Deutscher Luxusmarkenindex (max. 300): 120 (-) Trend seit 2011: NEU
Rang 25: Wempe (30) Als der gelernte Uhrmacher Gerhard Diedrich Wilhelm Wempe am 5. Mai 1878 mit 21 Jahren und einem Startkapital von 80 Mark den Schritt in die Selbstständigkeit wagt, ahnt er noch nicht, dass er den Grundstein für ein internationales Uhren- und Juwelen-Imperium schafft. Heute zählt Wempe über 700 Mitarbeiter, unterhält 30 Niederlassungen und ist einer der größten und umsatzstärksten Händler von Luxusuhren und Schmuck in Europa.Deutscher Luxusmarkenindex (max. 300): 125 (118) Trend seit 2011: ⇗ Quelle: Presse
Rang 24: Marktex (33) Die Möbelmanufaktur aus Kronberg im Taunus ist das Reich von Ettore Palmiota. Er ist Inhaber und kreativer Kopf von Marktex. Typisch für die Schränke und Sideboards sind grafische Elemente wie gerade Linien, Quadrate und Andreaskreuz. Palmiota bevorzugt Pinienholz, gerne im Kontrast zu Nussbaum, aber auch Kirschholz und Eiche. Bei den Polsterstoffen dominieren Naturmaterialien wie Wolle und Leinen.  Martex-Möbelhäuser gibt es in Berlin, Hamburg, Köln, Kronberg, Mannheim und München.Deutscher Luxusmarkenindex (max. 300): 126 (114) Trend seit 2011: ⇗ Quelle: Screenshot

Mit Prunk und Protz ist Geld zu machen, sehr viel sogar. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Konsumenten von Luxusartikeln weltweit mehr als verdreifacht: von rund 90 Millionen im Jahr 1995 auf 330 Millionen. Das zeigt eine Studie der Managementberatung Bain & Company. 217 Milliarden Euro haben Menschen allein im vergangenen Jahr für Luxusgüter ausgegeben. Und der Markt wächst weiter.

Doch Forscher sagen eine Abkehr vom Exzess voraus (siehe Infobox). Martina Kühne, Autorin der Studie "Der nächste Luxus" erklärt, warum Weltreise und Einbauküche in Zukunft die Edelkarosse übertrumpfen.

Frau Kühne, die Luxusbranche boomt wie nie zuvor. Kaum jemand ist so gut durch die Krise gekommen wie Hersteller von Luxus-Artikeln. Jetzt sagen Sie das Ende von teuren Statussymbolen und prunkvollen Marken voraus. Wie passt das zusammen?
Den alten, den Bling-Bling-Luxus, nennen wir auch den kindlichen Luxus. Ihn wird es auch in Zukunft noch geben. Er funktioniert auf aufstrebenden Märkten, auf denen es hungrige Konsumenten gibt, die gerade zu Geld kommen, Nachholbedarf haben und es sich plötzlich leisten können, das auch zu zeigen. Im Westen ändert sich das Luxusverständnis jedoch. Die extreme Zurschaustellung von Reichtum, das Verschwenderische, wird immer stärker belächelt.

FAQ


Was tritt denn an die Stelle von Bling-Bling?
Im neuen Luxus dominiert die Erkenntnis, dass ein Mehr an materiellen Dingen nicht zwingend mehr Erfüllung und Glück mit sich bringt. Was in der Folge zentral wird, ist eine Verschiebung von Produkten hin zu Erlebnissen und später zu Erfahrungen. Es muss nicht mehr unbedingt das nächste Auto, die nächste Handtasche, die nächste Perlenkette sein. Konsumenten, die es sich leisten können, investieren stärker im Bereich Ferien, Freizeit – also in alles, was Luxus erleben und erfahren bedeutet. Das hat unsere Umfrage auch noch einmal bestätigt.

Die sieben Typen der Luxuskäufer
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Konsumenten von Luxusartikeln weltweit mehr als verdreifacht: von rund 90 Millionen im Jahr 1995 auf 330 Millionen Ende 2013. Dies zeigt die Studie „Lens on the Worldwide Luxury Consumer” der internationalen Managementberatung Bain&Company, die auf der Befragung von 10.000 Konsumenten basiert.Foto: Instagram Quelle: Handelsblatt Online
Und Jahr für Jahr kommen neue Luxuskäufer dazu: bis 2020 wird es weltweit rund 400 Millionen, bis 2030 an die 500 Millionen Luxuskonsumenten geben. Doch wie ticken sie, welche Vorlieben haben sie und wofür geben sie am liebsten ihr Geld aus? Die Macher der Studie haben das Verhalten dieser Kunden analysiert und sieben verschiedene Käufertypen definiert, auf die sich die Luxuskonzerne einstellen müssen. Quelle: dpa
Die AlleskäuferSie stehen für 25 Prozent des Marktvolumens oder Ausgaben von 2350 Euro pro Kopf und Jahr. Diese Käufergruppe ist neu im Luxussegment, im Durchschnitt jünger als die anderen Kundensegmente und legt eine höhere Bereitschaft an den Tag, mit Produkten und Marken zu experimentieren. Alleskäufer sind vornehmlich Frauen, die hochwertige Produkte wie Schmuck und Uhren favorisieren. Sehr gerne lassen sie ihr Geld in markeneigenen Fachgeschäften und kaufen auf Reisen ein. Sie experimentieren mit neuen Marken, ihre Markentreue ist daher relativ gering. Dieses Verhalten ist typisch für chinesische Konsumenten aus Großstädten abseits der bekannten Metropolen. Quelle: dpa
Die ÜberzeugtenDieser Käufertyp steht für 20 Prozent des Marktvolumens oder Ausgaben von 1750 Euro pro Kopf und Jahr. Es sind gebildete Kunden der Generation X (aktuell 34 bis 48 Jahre alt) und Y (13 bis 33 Jahre). Lederwaren und Uhren haben Priorität, zugleich ist diese Konsumentengruppe hochsensibel für die Unterschiede zwischen den Marken. Die Überzeugten kaufen häufig am Wohnort ein und lassen sich durch Informationen aus dem Internet und über soziale Medien lenken. Sie sind die Trendsetter in Chinas Metropolen und herrschen in westeuropäischen und nordamerikanischen Großstädten vor. Quelle: AP
Die Investoren Sie stehen für 13 Prozent des Marktvolumens oder Ausgaben von 1450 Euro pro Kopf und Jahr. Diese Käufergruppe achtet besonders auf Qualität und Langlebigkeit von Luxusprodukten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Lederwaren und Uhren, die auch von Generation zu Generation vererbt werden können. Einkäufe werden sorgfältig recherchiert, Empfehlungen anderer Konsumenten spielen eine große Rolle. Zum Segment der Investoren gehören Japaner sowie Kunden aus dem Mittleren Osten und reifen Märkten. Quelle: dpa
Die HedonistenSie stehen für zwölf Prozent des Marktvolumens oder Ausgaben von 1100 Euro pro Kopf und Jahr. Sie lieben Luxus und das Erlebnis, Luxusprodukte zu kaufen. Auch haben sie eine hohe Affinität für Markenzeichen, kaufen vor allem Accessoires und sind durch Werbung beeinflussbar. Obwohl die Hedonisten ihr Interesse an Luxus gerne zur Schau stellen, finden sich in dieser Gruppe kaum offene Befürworter von Markenprodukten. Dieser Typus zieht sich durch alle Märkte und Generationen. Quelle: dpa
Die KonservativenSie stehen für 16 Prozent des Marktvolumens oder für Ausgaben von 1000 Euro pro Kopf und Jahr. Es sind reifere Kunden – Männer und Frauen gleichermaßen –, die sich nicht als Trendsetter sehen. Sie favorisieren Schmuck und Uhren bekannter Marken, kaufen in Warenhäusern und lassen sich vor allem durch Empfehlungen von Freunden und Familienmitgliedern überzeugen. Die Konservativen finden sich insbesondere in reifen Märkten, aber auch in China. Quelle: dpa


Warum machen Sie dann gerade jetzt einen ganz neuen Luxus aus?
Die Entwicklung beschleunigt sich. Wir sehen dafür zwei Gründe. Der erste ist der demographische Wandel. Wir leben in einer Gesellschaft, die immer älter wird. Gerade die wichtige Zielgruppe des Luxussegments, nämlich die Babyboomer, kommt langsam ins Pensionsalter. Diese Zeit werden sie genussvoll, aber auch sinnvoll gestalten wollen. Dann sehen wir bei der jüngeren Generation, dass die Toleranz gegenüber Verschwendung gesunken ist. Das hat gravierende Folgen. Wir sehen in Umfragen zum Beispiel, dass das Auto bei jüngeren Menschen an Statussymbol verliert. Die emotionale Beziehung ist einfach nicht mehr da. Auch, weil es Technologien gibt, die es ermöglichen mobil zu sein, ohne eines zu besitzen. Zugang wird wichtiger als Besitz. Statt sich einen teuren Wagen zu leisten, kaufen sich zum Beispiel immer mehr junge Menschen ein E-Bike.

Wie sich unser Verständnis von Luxus verändert


Wenn ich mir statt eines Luxuswagens ein Fahrrad kaufe, spare ich eine Menge Geld. Wohin damit?
Handgemacht und maßgefertigt kann so ein Rad teuer sein und schon einmal schnell den Preis eines Kleinwagens erreichen. Aber grundsätzlich stimmt es: Durch den Trend zur Verschlichterung lässt sich Geld sparen. Dann kann es aber sein, dass Sie einfach gar nicht mehr so viel arbeiten und sich einfach mal eine Auszeit nehmen. Unsere Studie zeigt, dass die meisten Befragten Ferien und Freizeit als höchstes Luxusgut werten.

Womit man in Zukunft protzen kann


Freie Zeit als Luxus ist ja kein ganz neues Thema...
In der Gleichung Zeit ist Luxus liegt eine gewisse Koketterie. Zeit ist nur dann wertvoll, wenn man sie auch sinnvoll gestalten kann, sie für einen Urlaub, ein Hobby, die Familie zu nutzen weiß. Ansonsten wird Zeit schnell zur Langeweile.


Manche Menschen wollen aber gerne protzen. Wie sollen sie das anstellen?
Protzen und die angeberische Zurschaustellung finanzieller Überlegenheit ist im neuen Luxus nicht mehr cool. Aber natürlich kann mir auch die Geschichte, die ich über eine Reise oder ein Erlebnis erzählen kann, künftig Anerkennung verschaffen. Wer einen Sprachkurs in China macht oder eine Forschungsexpedition an den Südpol begleitet, kann dafür bei seinen Freunden und Bekannten durchaus Bewunderung ernten.

Diesen Luxus wollen wir uns vor dem Tod noch gönnen


Abseits der Autobranche, wie betrifft der Wandel im Luxus die Unternehmen?
Mode mit großen Logos hat durch ihre Omnipräsenz an Reiz, an Exklusivität verloren. Hier findet eine Verfeinerung und eine Verschlichterung statt. Spezielle Schnittmuster oder Nähte, Verarbeitung und Material treten viel mehr in den Vordergrund.
Es geht also wieder um das Produkt, nicht um die Marke. Konsumenten interessiert immer mehr, wie die Produkte gefertigt werden, woher die Materialien kommen, welche Geschichte dahinter steckt. Ganz extrem ist das auch im Food-Bereich, in der Gastronomie. Das Wissen um Herkunft der Lebensmittel und ihre Zubereitung ist gerade im Luxusbereich ganz zentral.


Wenn dem neuen Luxusverlangen eine Sehnsucht nach dem Authentischen innewohnt, warum dann nicht gleich selber machen?
Das ist ein Trend. Laut unserer Studie würden 83 Prozent der Menschen lieber immer selbst in einer Luxusküche zuhause kochen, als jeden Tag zum Sternekoch zu gehen. Mit dem Handwerk verbinden sich die Elemente des Luxus. Zum einen weiß ich genau, was ich esse und wie es zubereitet ist. Und zum anderen ist das Kochen zu einem Hobby geworden, mit dem ich meine Zeit verbringen und das ich anderen zeigen kann – in einer Umgebung, in der ich andere beeindrucken kann. Das hat einen riesigen Markt für hochwertige Geräte und Edel-Küchen hervorgebracht.

In diesen Küchen regiert das Design
Der Küchenhersteller Schüller setzt auf wuchtige Holzschränke aus Alt-Eiche und geradlinige Fronten aus mattem Glas in Indigoblau. Quelle: PR
Küchengeräte und Vorräte verschwinden bei Schüller hinter großen Holz-Türen - die Schränke erinnern damit immer mehr an Wohnwände, als an Küchenregale. Quelle: PR
Diese Küche hat Poggenpohl zusammen mit dem Design-Team von Porsche gebaut. Auftrag: Eine Küche für den Mann. Quelle: PR
Kronleuchter, Glas und gläzende Fronten: SieMatic betont bei diesem Vorführmodell aus dem Showroom in New York auf das Zusammenspiel von verschiedenen Materialien. Quelle: Siematic
Die Amerikaner mögen es klassisch: Weiße Fronten, kleine Griffe und Schränke mit Konturen sind dort noch immer sehr beliebt, sagt SieMatic-Marketingexperte Jörg Overlack. Auch dieses Modell ist Bestandteil des Showrooms in New York. Quelle: Siematic
Auch Deutschlands größter Küchenhersteller Nobilia löst die Trennung zwischen Küche und Wohnzimmer auf: Hier befindet sich der Herd fast direkt neben dem Fernseher. Quelle: PR
Auch Fronten in auffallenden Farben bietet Nobilia an. Quelle: PR

Neuer Luxus bedeutet also nicht nur Selbstbestätigung, sondern auch Selbstverwirklichung?
Ja. Für die Zukunft würde ich sogar noch weitergehen. Wenn wir uns den Erfolg der Erlebnisindustrie anschauen, sind wir schon heute am Punkt der Selbstverwirklichung. Die Erlebnisse, die wir uns leisten möchten, leisten wir uns schon heute. Es entwickelt sich aber der Wunsch, in etwas größerem aufzugehen, nicht nur Erlebnisse zu haben, sondern eigene Erfahrungen zu machen. Luxus wird auch Herausforderung an mich selber. Das kann zum Beispiel der Trip ins Kloster sein, der Wunsch also, in der Ruhe sich selber zu finden.


Wie reagieren die Unternehmen auf diesen Wandel?
Vor allem im Bereich Essen haben die Anbieter bereits erkannt, dass die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten wichtiger wird. Sie rücken die Erlebnisse und Erfahrungen, die die Kunden rund um ihre Produkte machen, viel stärker in den Vordergrund. Das Handwerk wird in den Läden zur Schau gestellt, die Experten sind vor Ort und begegnen ihren Kunden auf Augenhöhe. Und zusätzliche Informationen stellen die Wertigkeit der Produkte heraus – und rechtfertigen so den Preis.

Schlichtheit für 140.000 Euro


Ändert sich das Luxus-Verständnis auch, weil sich mittlerweile selbst ein Mitglied der Mittelschicht eine Loius-Vuitton-Tasche leisten kann?
Distinktion, Abgrenzung, spielt immer eine Rolle im Luxus. Wenn sich viele ein Produkt leisten können, verliert es bei einer gewissen Elite an Wert. Das ist natürlich das Dilemma der großen Konzerne. Die möchten einerseits wachsen, die aufstrebende Mittelschicht bedienen. Gleichzeitig möchte man sich die Exklusivität bewahren. Manche Konsumenten wenden sich von den alten Luxus-Konzernen ab und suchen sich neue Reviere, um sich vom Rest wieder abzugrenzen.


Dass Luxus-Hersteller gerade gute Geschäfte machen, liegt also daran, dass die Mittelschicht zuschlägt?
Kann man so sagen, global gesehen wächst die Mittelschicht. Und die Elite wendet sich von dem ab, was zur Masse geworden ist. Sie versuchen, aus dem Weniger ein Mehr zu machen. Genau das führt auf der Produktebene zu einer Verschlichterung. Auf Erlebnisebene führt es dazu, dass ich Genuss aus dem Einfachen schöpfen will.

So sehen die neuen Luxusbäder aus
Stimmungsvolles Licht und ein Wasserfall von oben: Die luxuriöse Dusche des Herstellers Grohe eignet sich auch für ältere Menschen - der Zugang ist ebenerdig und es gibt eine Sitzbank. Die klaren Glastüren lassen extra viel Licht hinein. Quelle: PR
Bei Burgbad bilden Badewanne und Waschtisch eine Insel mitten im Raum - bei Küchen hat sich dieser Trend bereits durchgesetzt. Quelle: PR
Villeroy und Boch setzt auf gerade Formen und schlichte Eleganz. Auch hier wird klares Glas verwendet, das lässt die Dusche besonders in kleinen Bädern nicht so wuchtig wirken. Der Einstieg ist barrierefrei. Quelle: PR
Natürliche Materialien wie Naturstein und Holz werden im Bad immer beliebter. Mit diesem Foto wirbt der Schweizer Hersteller Geberit. Hier fühlt man sich wie im Wellness-Bereich eines exklusiven Spas. Quelle: PR
Der Hersteller Dornbracht setzt auf Armaturen in Roségold- und Kupfer-Tönen. Quelle: PR
Lampe und Dusche in einem: Dieses Modell hat das japanische Designstudio Nendo für Hansgrohe entwickelt. Quelle: PR
Das schwedische Designertrio Front entwarf für Hansgrohe einen Duschkopf in der Optik eines Trichters - wie an einer Gießkanne. Quelle: PR


Entsteht gerade ein neuer Markt oder versuchen sich die alten Konzerne dem anzunähern?
Beides. Es sind alte Unternehmen, die diese Zeichen erkennen und sich weiterentwickeln. Sie setzen dann noch stärker auf Handwerk, Erlebnisse und Dienstleistungen rund um ihre Produkte. Es sind aber auch neue Unternehmen, die vielleicht gar nicht so sehr unter dem Label Luxus laufen möchten.

Zum Beispiel?
Der englische „Quiet Shop“ im Warenhaus Selfridges präsentierte Markenprodukte von Levis, Heinz oder Marmite ohne Logos. Es zählte das Design, nicht der Schriftzug. Ein weiteres Beispiel sind dickwandige, schlicht wirkende Keramikschalen des japanischen Töpferers Kichizaemon. Die sehen ganz schlicht aus, kosten aber zwischen 30.000 und 140.000 Euro. Mitunter versteckt sich der neue Luxus sogar ganz. Die Manufaktur Nymphenburg hat ein Porzellanset für 29.500 Euro im Angebot, bei dem sich das handgemalte Dekor an der Unterseite befindet. Damit es nicht ganz verborgen bleibt, wird ein Esstisch mit integriertem Spiegel mitgeliefert.


Klingt nach Einzelbeispielen.
Natürlich. Das sind die Vorreiter. Es ist noch eine Nische, die sich noch nicht auf die Masse ausgedehnt hat. Dann ginge ja auch wieder die Exklusivität verloren. Aber andere werden sich daran orientieren.


Müssen wir uns denn nun Sorgen um die Produzenten von 100.000-Euro-Uhren und Nobel-Fahrzeugen machen, die den Prunk in den Vordergrund stellen?
Die werden sicher noch einige gute Jahre vor sich haben. Es gibt viele wachsende Märkte, die sie bedienen können. Nur sind die nicht mehr unbedingt in Westeuropa. Die alten Luxus-Unternehmen werden noch Zeit haben, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Ausruhen können sie sich dennoch nicht. Die Eliten auf den neuen Märkten werden sich vermutlich schneller an dem neuen Luxusverständnis im Westen orientieren als ihnen lieb ist.

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