Die Liebe zur guten alten Zeit Nostalgie öffnet Portemonnaies

Menschen verklären gerne die Vergangenheit. Unternehmen nutzen unsere Liebe zur guten alten Zeit.

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Markenlogos: Zurück in die Vergangenheit
Sirup Tri Top in fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen Quelle: Presse
Rotbäckchen-Logo Quelle: Presse
Flaschen mit Maggi-Würze aus unterschiedlichen Jahren Quelle: dpa
Lego begeistert Kinder nach wie vor Quelle: dpa
Auch Marken ereilt im fortgeschrittenen Alter eine Midlife-Crisis: Wie manche Menschen, wünschen auch sie sich ihre jungen Tage zurück und präsentieren sich wieder wie früher. "Heritage" nennt es die Werbebranche, wenn Unternehmen sich so darstellen, wie in ihren Gründertagen. Dass Retro in ist, zeigen folgende Beispiele:Nivea Rückkehr zur alten Dose: Das neue Design der Marke Nivea, ist nichts anders als ihr altes Design. "Blue Agenda" nennt der Kosmetikhersteller Beiersdorf die neu Markenführung, die sich bewusst an der 1925 geschaffenen blauen Creme-Dose orientiert. 13.000 internationale Produkte haben seit Januar das neue einheitliche Logo erhalten: einen blauen Kreis mit weißem Schriftzug. Mit verantwortlich für die Neugestaltung ist der Schweizer Industrie-Designer Yves Béhar. Nivea zählt nach Angaben von Beiersdorf zu den bekanntesten Marken der Welt. Quelle: dapd
BärenmarkeManche Marken müssen sich gar nicht erst rückbesinnen, weil sie ihr Logo über Jahre hinweg kaum verändert haben. Ein Beispiel ist die Bärenmarke, die auf den Braunbären im Wappen des Schweizer Kantons Bern zurückgeht. Das Wappentier wurde zum Maskottchen der 1892 gegründeten „Berner Alpen Milchgesellschaft“. 1905 eröffnete sie ein deutsches Zweigwerk im Allgäu, das erstmals 1912 ungezuckerte, zehn Prozent Fett enthaltende Kondensmilch herstellte. 1951 entstand das heute bekannte Bärenmarken-Logo. Seitdem hat es zahlreiche Sortimentserweiterungen gegeben, das Logo ist jedoch gleich geblieben. Quelle: AP
Em-eukal1923 entwickelte die Nürnberger Firma Dr. C. Soldan das Lutschbonbon Em-eukal, 1972 folgte Kinder Em-eukal mit dem Design des gemalten Jungen auf der Verpackung. 2008 baute das Unternehmen seine Vermarktung um: Es erweiterte seinen Vertrieb auf den Einzelhandel, erweiterte sein Sortiment auf insgesamt 17 Bonbon-Typen und überarbeitete seinen Markenauftritt in Anlehnung in die klassischen Verpackungen. Quelle: Dr. C. Soldan

Im Sommer 1987 bekam der amerikanische Marketingprofessor Morris Holbrook Besuch von seinem Kollegen Robert Schindler. Abends sprachen sie über ihre Lieblingsmusik. Schindler, Jahrgang 1949, liebte die Beatles. Holbrook, Jahrgang 1943, verehrte den Jazzmusiker Nat „King“ Cole. Aber warum? Daraufhin kramten Holbrook und Schindler 28 Lieder hervor, die in den vergangenen fünf Jahrzehnten in der US-Hitparade gestanden hatten. Diese Stücke spielten sie 108 Personen im Alter zwischen 16 und 86 vor. Jedem Lied lauschten die Probanden 30 Sekunden lang. Im Anschluss sollten sie ankreuzen, wie ihnen jedes Stück gefallen hatte. Alle gaben Liedern aus ihrer Jugend die meisten Punkte. Die Nostalgie gewann.

Holbrook und Schindler verstehen darunter „eine Vorliebe für Objekte, die verbreitet waren, als man selbst noch jünger war“. Produkte und Dienstleistungen, Musik und Filme. Mal haben wir uns am Kiosk Lakritzschnecken gekauft, mal haben unsere Eltern uns Spielzeug von Playmobil geschenkt. Egal wie wir mit den Produkten konfrontiert wurden: Wenn sie damals Gefühle wie Glück, Wärme oder Geborgenheit auslösten, bleibt diese Verbindung bestehen. Die Folge: Wir kaufen und konsumieren noch heute am liebsten das, was wir als Kinder und Jugendliche schon gekauft und konsumiert haben.

Buchcover Nostalgie

Vertrauen in Marken

Umfragen zeigen: Erwachsene haben besonders großes Vertrauen in jene Marken, die sie schon lange nutzen – oder von Eltern und Großeltern kennen. Wer als Kind in Papis Passat-Kombi saß, wird sich darin auch heute noch sicher fühlen. Oma träufelte Maggi in die Suppe, Mama verabreichte im Krankheitsfall Brandt-Zwieback. Deshalb fungieren Marken als nostalgische Erinnerungsträger. Hinzu kommt: Wir kaufen sie nicht nur für uns selbst, sondern empfehlen sie weiter. Das macht Nostalgie zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor.

Die guten alten Zeiten

„Das Geschäft mit der Sehnsucht“ titelte „Der Spiegel“ am 29. Januar 1973 und berichtete von einem Trend. „Die Kulturstimmung von heute heißt Nostalgie und ist von gestern: Mode und Musik, Film und Literatur beleben wieder oder machen neu, was zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren beliebt war, und die Industrie verdient an dieser Sehnsucht nach Vergangenem.“ Das gilt heute mehr als je zuvor. Davon ist der Schweizer Kulturwissenschaftler Walter Leimgruber überzeugt. Verantwortlich sei vor allem der Fortschrittsglaube der Nachkriegsjahrzehnte. „Je schneller sich die Umwelt wandelt, umso größer ist das Bedürfnis der Menschen nach Fixpunkten“, sagt Leimgruber.

Gerne Bewährtes

Nostalgie ist so mächtig, weil wir gerne auf Bewährtes zurückgreifen. Bekannte Marken und Produkte bieten Sicherheit. Kein Produkt macht den Einfluss der Nostalgie im Konsumbereich so sichtbar wie ein Auto – und zeigt, wie subtil die Macht der Erinnerungen bisweilen funktioniert.

Egal ob der Mini von BMW, der New Beetle von Volkswagen, der Mustang von Ford, der Chrysler PT oder der Mercedes-Sportwagen SLS AMG: Viele erfolgreiche Neuwagen erinnern an Vorgänger aus vergangenen Jahrzehnten. 1989 stellte Mazda das erste echte Retroauto vor, den MX-5. Er wurde zum meistverkauften Roadster der Welt. Nicht obwohl, sondern weil er dem Lotus Elan aus den Sechzigerjahren ähnelte. Im November 2012 lief das millionste Exemplar des neuen Fiat 500 vom Band. Die Erstversion hatte der Autobauer bereits 1957 herausgebracht, 50 Jahre später präsentierte er die Neuauflage. Der Wagen wird in mehr als 100 Ländern weltweit verkauft. Retrodesign, glauben Experten, macht sich die menschliche Sehnsucht nach weichen Formen zunutze. Und solche Nostalgiekäufe wirken therapeutisch. Sogar messbar.

Hat man die Wahl, wählt man das Bewährte

Die schönsten Retro-Autos
Mazda Lotus Elan - damals und heuteDen Auftakt des Retrotrends bei Autos machte Mazda im Jahr 1989, als der Hersteller den MX 5 herausbrachte. Der Wagen glich dem Lotus Elan von Mazda bis auf die letzte Schraube. Nur dass der Lotus Elan bereits 1962 Sportwagenfans begeisterte. Quelle: Imago / Mazda
Chevrolet Camaro - damals und heuteDer Chevrolet Camaro liefen 1966 vom Band und gehörten neben dem Ford Mustang schnell zu den beliebtesten Sportwagen der damaligen Zeit. Der V8-Motor mit seinem satten Sound und den mehr als 200 PS ließ die Herzen der Sportwagenfans höher schlagen. 2002 stellte Chevrolet wegen angeblicher Absatzprobleme die Produktion des Camaro ein, nahm sie 2009 jedoch wieder auf. 2005 wurde das Conceptcar für die fünfte Generation des amerikanischen Sportflitzers auf der Detroit Motorshow vorgestellt. Ganz Retrotrend ist das Design des Neuen an die erste Generation von 1967 angelehnt. Auch an der Motorisierung hat sich nicht viel geändert: Den neuen Camaro gibt es weiterhin mit einem V8 Motor - wahlweise auch in der Ausführung als V6. Je nach Ausstattung und Motorisierung kostet der Wagen heute zwischen 22.995 und 34.180 Dollar. Quelle: Chevrolet
Ford Mustang - damals und heuteEin direkter Konkurrent des Camaro war der Ford Mustang, der erstmals 1964 vom Band rollte und zur Gattung der sogenannten Pony Cars gehörte. In Deutschland kam der Mustang wegen markenrechtlicher Probleme als T5 auf den Markt. Bis Mitte der 70er Jahre gehörte der Mustang zu den beliebtesten Sportwagen. 2004 stellte die Auto Alliance dann auf der North American International Auto Show eine Neuauflage des Ur-Mustangs von Ford vor. Das Coupé kam bereits Ende 2004 auf den Markt, 2006 folgte der Shelby GT500, der auf der Detroit Motor Show präsentiert wurde. Quelle: Ford
Dodge Challenger - damals und heuteDer Dodge Challenger hat sich seit dem Serienstart im Jahr 1969 optisch kaum verändert. Mitte der 70er Jahre hatte der amerikanische Autobauer Dodge die Produktion des Challengers komplett eingestellt - das Interesse an sogenannten Pony Cars hatte spürbar nachgelassen. Zwischen 1978 und 1983 wagte das Unternehmen einen zweiten Versuch mit Sportcoupés. Im neuen alten Design wurde der Challenger aber erst 2006 auf der North American International Auto Show als Stilstudie vorgeführt. Seit 2008 ist der Challenger wieder auf den Straßen unterwegs. Quelle: Dodge Wallpaper / Imago
Fiat 500 - damals und heute1957 gab es den ersten Fiat 500, 2007 folgte die Neuauflage. Optisch sind sich Opa und Enkel noch sehr ähnlich, aber innen hat sich viel verändert. So gibt es beispielsweise einen Fiat 500 Living, bei dem aus der kleinen Knutschkugel aus Italien ein Familien-Van wurde. Der Hersteller hat es nämlich geschafft, sieben Sitze in einem Fiat 500 unterzubringen. Quelle: Imago / Fiat
Ford GT - damals und heuteAnlässlich der North American International Auto Show im Jahr 2002 grub Ford ein Modell wieder aus, das erstmals 1964 vom Band gelaufen ist. Im Rahmen der "Living Legends"-Serie durfte der Ford GT40 wieder auferstehen. 2003 entstand aus dem Conceptcar, das auf der Messe gezeigt wurde, der serienreife Ford GT. Quelle: Imago
VW Käfer - damals und heuteVom alten Käferdesign ist beim VW Beetle nicht mehr viel übrig. Aber immerhin: Der Name ist geblieben. Erstmals tauchte die Bezeichnung Ende der 1930er Jahre in einem Zeitungsartikel auf. Nach dem Start des Films "Herbie, ein toller Käfer" in den 1960er Jahren übernahm auch der Hersteller den Namen Käfer für das Auto, das ursprünglich KdF-Wagen hieß. Der Käfer wurde zwischen 1938 und 2003 mehr als 21,5 Millionen mal verkauft - davon kann der Beetle noch träumen. Quelle: Volkswagen

Katherine Loveland von der kanadischen Wirtschaftsuniversität HEC Montréal setzte vor einigen Jahren Hunderte von Freiwilligen vor einen Computer. Dort sollten sie an einem Spiel namens Cyberball teilnehmen. Darin werfen sich die Probanden virtuell einen Ball zu – mit anderen, real existierenden Personen.

Der Clou ist: Die Mitspieler gibt es gar nicht. Die Wissenschaftler haben das Spiel vorab manipuliert. Bei der einen Gruppe wird der virtuelle Spielball in jedem Durchgang relativ gerecht aufgeteilt. Jeder kommt mal dran, alle sind zufrieden. Doch die Mitglieder der zweiten Gruppe bekommen den Ball nur selten zugeworfen. Sie müssen zusehen, wie die anderen sich den Ball hin- und herpassen – und fühlen sich ausgeschlossen. Schon die Entwickler des Spiels konnten zeigen, dass diese Manipulation die vermeintlichen Außenseiter beeinflusst. Je seltener sie den Ball bekommen, desto eher fühlen sie sich niedergeschlagen. Genau dieselbe Reaktion zeigten Lovelands Probanden.

Neigung zu nostalgischen Produkten

In der zweiten Runde zeigte sie ihnen Produkte. Die einen waren nostalgische, die nicht nur in der Vergangenheit beliebt waren, sondern es heute immer noch sind. Die anderen gab es erst seit Kurzem. Nun sollten sich alle Freiwilligen auf eine Lieblingsmarke festlegen. Mal konnten sie zwischen Duschgel von Nivea oder Dove wählen, mal zwischen einem VW Käfer oder einem Smart. Die Probanden aus der Außenseitergruppe wählten mit großer Mehrheit das Nostalgieprodukt – meist doppelt so häufig wie jene aus der anderen Gruppe. Je stärker das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, desto stärker die Neigung zu nostalgischen Produkten.

Nostalgie: Die schönsten Webseiten
Screenshot Savethesounds.info Quelle: Screenshot
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Pac Man-Spiel Quelle: Fotolia
Screenshot Manufactum Quelle: Screenshot

Schon der legendäre Sozialpsychologe Abraham Maslow war davon überzeugt, dass der Mensch einige zentrale Wünsche hat. Am wichtigsten sind elementare physiologische Bedürfnisse wie atmen, essen und schlafen. Sind sie erfüllt, streben wir nach Sicherheit. Ist auch das erreicht, begehren wir Anschluss. Wir sind nicht dafür gemacht, unser Leben alleine zu verbringen. Als soziale Wesen wollen wir geschätzt und gemocht werden. Lovelands Studie legt nahe: Dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit lässt sich durch den Konsum nostalgischer Produkte stillen.

Brücke zu Erinnerungen

Mit ihnen bauen wir uns eine gedankliche Brücke zu Erinnerungen. Und je stärker wir uns ausgeschlossen oder abgelehnt fühlen, desto größer ist dieses Verlangen. Das bestätigt auch Ulrich Orth, Marketingprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: „Konsumenten ,kaufen‘ sich positive Gefühle. Deshalb prägen schöne Erinnerungen Konsumentscheidungen.“ Für Orth ist die Stimmung Ursache und Folge zugleich. Demnach greifen Konsumenten vor allem bei schlechter Laune zu nostalgischen Produkten – und dieser Kauf verbessert die Laune.

Davon profitieren in Deutschland zahlreiche Branchen. Im April 2012 verkündete der Verlag Egmont Ehapa, das Kinder- und Jugendheft „Yps“ wiederzubeleben. Seinen Kultstatus verdankt es vor allem den Spielzeugen auf dem Cover. Diese Gimmicks durften bei der Neuauflage nicht fehlen: Als Schmankerl gab es die beliebten Urzeitkrebse. Immerhin 5,90 Euro kostete das Heft, doch der hohe Preis konnte die Fans nicht abschrecken: Die 120.000 Exemplare waren innerhalb weniger Tage ausverkauft.

Die Macht schöner Erinnerungen

Welche Ostmarken im Westen erfolgreich sind
Als der aus Vorpommern stammende Christian Hoge vor zehn Jahren in Hamburg arbeitete, war sein Kofferraum voll mit Ostprodukten - weil es die im Westen nicht gab. Neben Senf aus Tutow transportierte der gelernte Zweiradmechaniker Vita-Cola oder Bambina-Schokolade in Richtung Elbe. Nicht nur er deckte sich bei seinen Heimatbesuchen mit den Nachfolgern der DDR-Produkte ein, auch westdeutsche Freunde und Bekannte von Hoge verlangten nach den Waren. „Grabower Küsschen waren der Renner“, sagt Hoge, der seit 2006 von seiner alten Heimat aus ein Internetportal für den Handel mit Ostprodukten betreibt. Der Osten schmeckt für Hoge nach „Kindheitserinnerungen“. Als die Mauer fiel, war er gerade 11 Jahre alt. Viele Ostprodukte-Käufer bleiben der Marke treu, die sie von früher kennen. Doch die Hersteller der Produkte haben - bis auf wenige Ausnahmen - inzwischen ein Problem: Ihre Kunden sterben weg. Lediglich zwei Ostmarken haben 2012 laut einer Studie den Sprung unter die Top 10 der bekannten Marken im Westen geschafft. Aber immerhin gibt es noch zehn Ostprodukte, die auch in München oder Frankfurt im Supermarktregal stehen. Quelle: dpa
Was vor der Wende für Deutschland die Niveacreme war, war für die DDR Florena - der Gattungsbegriff für Kosmetik. Seit dem Jahr 2002 ist Florena eine hunderprozentige Tochtergesellschaft der Beiersdorf AG, zu der auch die Konkurrenzmarke Nivea gehört. 93,2 Prozent aller Ostdeutschen ist der Kosmetikhersteller ein Begriff. In Westdeutschland hingegen kennt nur 31,5 Prozent der Bevölkerung die Marke. Müssen die Befragten spontan Markenartikel aus der Kosmetikbranche nennen (ungestützte Markenbekanntheit), hat Florena bei den Ostdeutschen gar den zweithöchsten Bekanntheitsgrad (12,2 Prozent) - hinter Nivea (26,5 Prozent). In Westdeutschland wird die Marke nicht einmal von 2,5 Prozent der Befragten genannt. Quelle: dpa
Die Lübzer Brauerei wurde 1877 gegründet und gehört heute zum dänischen Bierkonzern Carlsberg. Nach dem Namen gefragt, geben 41,7 Prozent der Westdeutschen an, schon einmal von der Marke gehört zu haben. In Ostdeutschland kennen 74,1 Prozent die mecklenburgerische Brauerei wenn sie danach gefragt werden - bei der ungestützten Befragung waren es weniger als vier Prozent. Quelle: ZB
"Leckermäulchen tut Leckermäulchen gut" - der Slogan der Quarkspeise Leckermäulchen läuft auch in den alten Bundesländern im Radio. Das Milchprodukt wird in verschiedenen Geschmacksrichtungen hergestellt und in Sachsen-Anhalt von der Frischli Milchwerk Weißenfels GmbH hergestellt. Danach befragt, geben 40,9 Prozent der Westdeutschen an die Süßspeise zu kennen. Bei den Bewohnern der Neuen Bundesländer sind es mit 82,5 Prozent mehr als doppelt so viele. Quelle: dpa
Und auch der Spee-Werbefuchs flimmert bundesweit über die Bildschirme: Er rät in verschiedenen Spots zum Waschmittel Spee von Henkel und wird mit überzeugenden Ergebnissen zum kleinen Preis belohnt ("Die schlaue Art zu waschen!"). In Ostdeutschland scheint man diesen Rat zu beherzigen, jedenfalls wenn es nach der Bekanntheit des Saubermachers geht. Dort kennen 92,5 Prozent der Befragten das Produkt - das sind mehr als beim hauseigenen Konkurrenten Persil. Unter den Westdeutschen hat sich die Produktqualität von Spee noch nicht so stark herumgesprochen: Hier ist das Waschmittel lediglich 49,6 Prozent ein Begriff. Spontan, also ungestützt nach einem Waschmittel befragt, wird Spee zwar nur von 3,3 Prozent der westlichen Bevölkerung genannt. Allerdings reicht das für Rang acht der bekanntesten Waschpulver - noch vor Dash und Tandil. Quelle: AP
Die Wernesgrüner Brauerei GmbH gehört seit 2002 zur Bitburger Getränkegruppe. Die Geschichte des Bierproduzenten aus Steinberg-Wernesgrün im sächsischen Vogtland lässt sich allerdings bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Soviel Tradition scheint sich zumindest im Osten auszuzahlen: Dort ist die Marke auf Nachfrage 94,6 Prozent der Befragten bekannt. Das kann mit 52,6 Prozent immerhin auch die Mehrheit der Westdeutschen von sich behaupten. Quelle: Presse
Der Nordhäuser Doppelkorn wird in Thüringen hergestellt und ist ein Produkt der Brennereien Echter Nordhäuser Spirituosen GmbH und der Nordbrand Nordhausen GmbH, die beide im Besitz der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien sind. Das starke Getränk kennen in Westdeutschland 54,6 Prozent. Mit 87,8 Prozent ist der Klare in Ostdeutschland allerdings noch ein gutes Stück populärer. Quelle: dpa/dpaweb

Das produzierende Gewerbe nutzt die Macht schöner Erinnerungen gleichfalls. Die 1952 gegründete Getränkemarke Bluna kam ebenso zurück wie Afri-Cola aus dem Jahr 1931 oder Sinalco, die schon 1907 verkauft wurde. Eltern kaufen Elefanten-Schuhe, Kinder schütten Ahoj-Brause ins Wasserglas.

Wie diese Retrowelle zustande kommt und welche Marken auf ihr schwimmen können – das sind Fragen, mit denen sich der Marketingprofessor Stephen Brown von der nordirischen Universität von Ulster beschäftigt. Zum einen sei sie eine Nebenwirkung des demografischen Wandels, meint Brown. Wenn der Anteil älterer Menschen steigt, erinnern sich mehr Menschen an die Produkte ihrer Jugend. Dies betrifft vor allem die geburtenstarke und kaufkräftige Generation der Babyboomer. Sie kamen etwa zwischen 1946 und 1964 auf die Welt. Eine Periode, die geprägt war von guten Nachrichten, inklusive Wirtschaftswunder, Wachstum und Vollbeschäftigung. Deshalb sieht Brown sie als prädestiniert für den sentimentalen Blick in den Rückspiegel. Sie sehnten sich nach den vermeintlich einfacheren und besseren Zeiten, inklusive der damaligen Produkte. Früher gab es noch keine Billig- und Massenware. Deshalb haftet Gegenständen der Vergangenheit der Ruf an, authentisch und hochwertig zu sein. Doch mit diesem Image lassen sich nicht nur Senioren ködern, sondern auch Jugendliche.

Die guten alten Zeiten

2009 brachte der Getränkekonzern Pepsi Retrodosen auf den Markt, deren Design an die Siebziger- und Achtzigerjahre angelehnt war. Die Aktion sollte ein zeitlich begrenzter Werbegag sein. Doch bei jüngeren Konsumenten kamen die Dosen gut an. Kurios: Jene kauften in den Achtzigern keine Pepsi-Produkte, weil sie zu klein oder noch nicht auf der Welt waren. Trotzdem erhielt das Unternehmen Hunderte euphorischer E-Mails. Der Konzern reagierte und startete bei Facebook einen Wettbewerb. Er bat die Nutzer darum, Fotos einzusenden, auf denen sie Produkte ihrer Kindheit mit Pepsi-Dosen kombinierten. Innerhalb weniger Monate hatte die Seite knapp 150.000 Fans. Shiv Singh, bei Pepsi zuständig für die Digitalstrategie, war wenig überrascht: „Menschen um die 20 finden Retro cool, weil es ihrem Bedürfnis entspricht, ein einfacheres, saubereres und authentischeres Leben zu führen. Viele nutzen Dienste wie Facebook, Instagram oder Twitter, um sich eine eigene Identität zu verpassen. Nostalgie ist eine gute Methode, um sich abzuheben.“

Die Aktion erreichte allerdings noch mehr: Sie kurbelte auch den Verkauf der anderen Produkte an und brachte dem Konzern neue Kunden. Deshalb entschied sich Pepsi 2011, die Dosen permanent ins Sortiment zu übernehmen.

Nostalgie öffnet die Portemonnaies. Zu dieser Erkenntnis gelangte 2012 die Psychologin Jannine Lasaleta von der Universität von Minnesota. In fünf Experimenten teilte sie knapp 500 Personen in zwei Gruppen. Die eine wurde bewusst auf Nostalgie gepolt. Sie sah zum Beispiel eine nostalgische Werbung, die sie dazu aufforderte, an besondere Erlebnisse mit anderen Menschen zu denken. Die zweite Gruppe sollte an die Zukunft oder banale Ereignisse denken.

Erinnerungen verändern offenbar das Verhältnis zu Geld

Danach erhielten beide Gruppen dieselbe Aufgabe. Mal sollten sie angeben, welche Summe sie für Produkte ausgeben wollten, darunter Autos und Fernseher. Mal sollten sie entscheiden, wie viel Geld sie mit Fremden teilen würden. In jedem Experiment war die Nostalgiegruppe spendabler. Offenbar veränderten die Erinnerungen das Verhältnis zu Geld.

Lasaleta glaubt: Wer sich nostalgisch fühlt, empfindet sein Leben als bedeutsamer. Und in diesem Zustand sind uns egoistische Motive wie Reichtum und Wohlstand unwichtiger. Nostalgie verringert also die Bedeutung von Geld. Dann sind wir nicht nur dazu bereit, für andere Menschen mehr Geld auszugeben, sondern ebenfalls für Produkte. Schön sind sie, die guten alten Zeiten. Und das lassen wir uns gerne etwas kosten.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem neuen Buch des WirtschaftsWoche-Redakteurs Daniel Rettig: "Die guten alten Zeiten - Warum Nostalgie uns glücklich macht" (dtv 2013, 14,90 Euro) - hier können Sie das Buch bestellen.

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