Beim Umsatz ist der Online-Händler Amazon in Deutschland einsamer Spitzenreiter im elektronischen. Doch einer Studie der Beratungsfirma OC&C zufolge ist das Unternehmen nicht mehr der beliebteste Händler der Deutschen. Das ist das Ergebnis einer Befragung von 30.000 Menschen, die Handelsblatt Online vorliegt. Stattdessen liegt jetzt die Drogeriemarktkette dm auf Rang eins.
Die Käufer sind unter anderem zu der wahrgenommen Produktauswahl, dem Preis, der Qualität und dem Vertrauen in die Marke befragt worden. Amazon liegt mit einem Gesamtwert von 82,5 von 100 möglichen Punkten 1,7 Zähler hinter dm. Das Amazon-Minus von 7,7 Punkten gegenüber dem Vorjahr ist deutlich und der zweitstärkste Rückgang aller 84 beurteilter Handelsunternehmen. „Kritische Stimmen zur Steuerpolitik und den Löhnen in Logistikzentren haben das Markenimage stark angekratzt“, urteilt Studienautor Christian Ziegfeld über Amazon.
Im wichtigen Weihnachtsgeschäft sieht sich der Versender in Deutschland derzeit immer wieder Streiks ausgesetzt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi pocht auf eine Bezahlung der Amazon-Beschäftigten, die dem Tarifvertrag in Einzel- und Versandhandel entspricht. Amazon will sich weiter am niedrigeren Lohnniveau der Logistikbranche orientieren. Anfang des Jahres hatte zudem eine umstrittene ARD-Dokumentation über eine abschätzige Behandlung von Mitarbeitern durch Amazon berichtet. Außerdem steht das Unternehmen unter Druck, weil es durch ein geschickt konstruiertes Unternehmensgeflecht Steuerzahlungen in Europa drastisch drückt.
Die beliebtesten deutschen Händler
Die Beratungsfirma OC&C hat 30.000 Kunden in neun Ländern befragt. Die hier gezeigten Ergebnisse beziehen sich auf Deutschland. Die Kunden wurden unter anderem zu Preisen, Qualität, Service und Markenvertrauen befragt. Maximal waren 100 Punkte zu erreichen, ein Wert von mehr als 75 gilt als „sehr gut“.
Stand der Veröffentlichung: Dezember 2013.
bonprix
Mode
Indexwert: 77,9 (plus 1,9 Punkte gg. Vorjahr)
Otto
Multisortimenter
Indexwert: 77,9 (minus 0,1 Punkte gg. Vorjahr)
Globus
Lebensmittel
Indexwert: 78,1 (minus 2,3 Punkte gg. Vorjahr)
Tchibo
Multisortimenter
Indexwert: 79 (minus 1,0 Punkte gg. Vorjahr)
Rossmann
Drogerie
Indexwert: 79,6 (plus 0,8 Punkte gg. Vorjahr)
Müller
Drogerie
Indexwert: 80,0 (plus 2,2 Punkte gg. Vorjahr)
Thalia
Bücher
Indexwert: 81 (minus 1,4 Punkte gg. Vorjahr)
Douglas
Drogerie
Indexwert: 81,1 (plus 2,7 Punkte gg. Vorjahr)
Amazon
Multisortimenter
Indexwert: 82,5 (minus 7,7 Punkte gg. Vorjahr)
dm
Drogerie
Indexwert: 84,2 (minus 1,3 Punkte gg. Vorjahr)
Die OC&C-Studie führt aber auch weitere Gründe für die abflauende Euphorie der Internet-Shopper an. „Immer mehr Anbieter bieten ähnliche attraktive Preise als Amazon“, heißt es etwa. Und die enorme Produktfülle erschlägt offensichtlich viele Käufer. Die Vorauswahl der für den Kunden passenden Sortimente werde zunehmend wieder ein Teil der Wertschöpfung des Händlers. Stationäre Händler hätten ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass die Kunden „nicht zwischen 17 Margarinesorten wählen möchten.“ Auch andere Online-Händler leiden unter diesem Phänomen wie etwa notebookbilliger.de.
Amazon-Nutzerzahlen stagnieren
Ob sich die gewandelte Einstellung gegenüber Amazon in einem schrumpfenden Umsatzwachstum ausdrücken könnte, dazu sagt Amazon traditionell nichts. Lediglich im Jahresbericht wird seit Anfang des Jahres der Umsatz für Deutschland ausgewiesen. Im vergangenen Jahr hatte Amazon hierzulande 8,7 Milliarden Dollar (6,3 Milliarden Euro nach heutigem Kurs) umgesetzt, ein Plus von 20 Prozent gegenüber 2011.
Die Nutzerzahlen der deutschen Amazon-Webseite sind zuletzt leicht geschrumpft. Den Daten des Marktforschers Comscore zufolge griffen von Januar bis Oktober 2013 durchschnittlich 31 Millionen Nutzer (Unique Users) auf Amazon.de zu. Das war ein Minus von 0,36 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Wichtige Konkurrenten legten hingegen deutlich zu: Ebay.de um mehr als elf Prozent auf 32,29 Millionen Nutzer, Otto.de um fast neun Prozent auf 13,2 Millionen Nutzer und Zalando um zwölf Prozent auf 6,4 Millionen Nutzer.
Das geschrumpfte Verbrauchervertrauen bei Amazon wird laut den Erfahrungen von OC&C nicht zu einem Umsatzrückgang führen. Denn mit dem Index-Wert von 82,5 Prozent liegt Amazon deutlich im sehr guten Bereich und weit vorne im oberen Drittel – und bei den Rankings der Vergangenheit war eine solche Platzierung ein Zeichen für ein durchschnittlich 2,5-mal so starkes Wachstum wie im unteren Drittel.
In der Übersicht der bewerteten Händler liegt neben Amazon nur ein weiteres reines Online-Angebot in den Top 20: Ebay auf Rang 12. Am meisten zufrieden sind die Deutschen mit Drogeriemärkten – nach der Insolvenz von Schlecker. Spitzenreiter dm liegt auf Rang eins der Studie, Müller mit 80 Punkten auf Rang fünf (plus sieben Plätze), auf Rang sechs Rossmann mit 79,6 Punkten.