Erbstreit bei Aldi Nord Wie der Zoff in der Discounter-Dynastie weitergeht

Die Fehde zwischen den Eigentümern von Aldi Nord geht in die nächste Runde. Doch langfristig könnte der Konflikt den Weg für eine Annäherung zwischen Aldi Nord und Süd ebnen. Wiedervereinigung nicht ausgeschlossen.

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Es war die vielleicht letzte Chance des Clans auf Versöhnung. Vor rund zwei Jahren, als die Familienfehde im Discountimperium von Aldi Nord bereits schwelte, versuchten die Eigentümer des Schwesterkonzerns Aldi Süd den Erbstreit im Norden zu entschärfen. Peter Heister, Schwiegersohn des verstorbenen Aldi-Süd-Patrons Karl Albrecht, wollte nach Informationen der WirtschaftsWoche zwischen den Parteien vermitteln. Doch die Friedensmission scheiterte. Zu verhärtet waren offenbar schon damals die Fronten, zu tief saß das Misstrauen zwischen den Familienstämmen bei Aldi Nord.

Warum Aldi billig ist

Auf der einen Seite Gründersohn Theo junior, auf der anderen die Erben von Theo juniors Bruder Berthold, der im November 2012 nach schwerer Krankheit starb. Als sich Bertholds Witwe, Babette Albrecht, 2013 daran machte, das Erbe ihres Mannes zu sortieren, stieß sie auf allerlei Merkwürdigkeiten im Reich von Aldi Nord und engagierte gemeinsam mit ihren fünf Kindern den Düsseldorfer Anwalt Andreas Urban von der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Ein Streit begann, der schnell das finanzielle Herz der Dynastie erreichte: die drei Familienstiftungen namens Lukas, Markus und Jakobus, in denen sämtliche Aldi-Nord-Anteile gebündelt sind und in die auch die Unternehmensgewinne fließen. Die Markus-Stiftung hält dabei mit 61 Prozent die Mehrheit der Anteile, die beiden anderen kontrollieren jeweils 19,5 Prozent.

Vor allem die Jakobus-Stiftung stand bislang im Zentrum des Konflikts. Hier hatte 2010 eine Satzungsänderung den Einfluss von Bertholds Kindern stark beschnitten. Vor dem Verwaltungsgericht Schleswig brachte Jurist Urban die Regelung Anfang des Jahres zunächst zu Fall.

Wie Aldi mit neuem Filial-Design den Umsatz steigern will
Die Vorführ-Filiale bietet viel Tageslicht, breitere Gänge, viel Holz. Obst und Gemüse werden präsentiert wie an einem Marktstand. Quelle: obs
Lars Linscheid, Geschäftsführer der ALDI SÜD Regionalgesellschaft Ebersberg und Jeannette Thull, Geschäftsführerin Zentraleinkauf, bei der Vorstellung der Filiale der Zukunft in München-Unterhaching. Quelle: obs
Journalisten filmen am 11.05.2016 in Unterhaching (Bayern) die neu gestaltete Aldi-Filiale. Vor allem die Präsentation von Obst und Gemüse soll ansprechender werden. Quelle: dpa
Doch die Pappfigur von "Frau Weber", die um Aldi-Nachwuchs wirbt, gehört weiter zum Inventar des Discounters. Quelle: dpa
Wenn nicht Aldi drauf stünde, könnte man fast glauben, in einem Supermarkt von Rewe oder Edeka zu sein. Quelle: dpa
Das Sortiment, hier die Wurst- und Fleischwaren, bleibt im Wesentlichen das selbe. Quelle: dpa
Die größte Veränderung betrifft die Präsentation des Obstes und Gemüses, die an einen Wochenmarkt-Stand erinnern soll. Quelle: dpa

Damit verfügt die Babette-Seite de facto über ein Vetorecht bei grundlegenden Entscheidungen. Denn die Stiftungen sind aufeinander angewiesen. Wichtige Entscheidungen können nur dann getroffen werden, wenn die Vertreter aller drei Stiftungen zustimmen. Das betrifft Themen wie die Expansion in neue Länder oder die Vertragsverlängerungen von Managern. Die Gesellschafter können sich so gegenseitig blockieren und das Unternehmen lähmen. Noch ist davon zwar nichts zu spüren. Doch ob das auf Dauer so bleibt, ist fraglich.

Wohl auch deshalb geht die Theo-junior-Seite rechtlich gegen das Urteil vor und jüngst medial in die Offensive. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ warf er seiner Schwägerin unter anderem vor, die Reputation des Unternehmens zu gefährden, weil sich Babette und ihre Kinder von der Jakobus-Stiftung 25 Millionen Euro netto pro Jahr ausschütten lassen und einen zu exponierten Lebensstil pflegten.

Übernimmt Aldi Süd?

In den nächsten Monaten muss nun das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht über die Zulässigkeit der Satzungsänderung entscheiden. Nach Informationen der WirtschaftsWoche ist bei dem Gericht aber auch ein weiteres Verfahren anhängig, das dem Konflikt eine neue Dimension verleihen könnte. „Dabei geht es um die Markus-Stiftung. Dem Vernehmen nach gehören sowohl die Familie von Theo junior wie die fünf Kinder Babettes zu den Nutznießern (Destinatären) der Stiftung. Letztere wollen nun vor Gericht die Einsicht in die Stiftungsunterlagen erzwingen. „Im Aldi-Kontext sind zwei Verfahren anhängig“, bestätigt eine Gerichtssprecherin.

Im zweiten Schritt könnte die Babette-Fraktion dann wiederum mögliche Satzungsänderungen überprüfen und im Zweifel anfechten. Die Familienfehde dreht sich damit nicht mehr nur um die Kontrolle des Jakobus-Anteils von 19,5 Prozent an Aldi Nord. Vielmehr gehe es wirtschaftlich um 50 Prozent am Unternehmen, sagt ein Insider.

Damit scheint eine Lösung des Konflikts weiter entfernt zu sein als je zuvor. Zugleich steigt die Gefahr, dass der Familienstreit auf das operative Geschäft übergreift. Und dennoch gibt es bei den Beteiligten wohl auch Planspiele, um das Gezerre zu beenden.
Vor allem Theo Albrecht junior dürfte darauf hoffen, dass die Satzungsschlappe vom Oberverwaltungsgericht wieder gekippt wird. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich, zumal anschließend neue Prozesse folgen würden.
Eine Trennung scheint dagegen der sinnvollste Weg, um einen lähmenden Gerichts- und Stellungskrieg zu verhindern.

"Wenn Du Deine rein persönlichen Motive nicht den Interessen unseres Unternehmens unterzuordnen bereit bist, müssen wir uns trennen", ließ Theo Albrecht junior seine Schwägerin bereits per Brief wissen. Die Witwe soll ihm laut „Focus“ wiederum vorgeschlagen haben, er möge seine Anteile an dem Essener Discounter an sie und ihre Kinder verkaufen.

Allein, die Kosten um die jeweilige Gegenseite aus dem Discount-Konzern heraus zu kaufen, dürften einen Milliardenbetrag verschlingen. Eine Summe, die selbst im Albrecht-Clan nicht ohne weiteres zu stemmen wäre. Wohl auch deshalb wird in der Branche eine Alternative diskutiert, die derzeit zwar weit entfernt scheint und von Beteiligten als „rein theoretische Option“ bezeichnet wird, aber die Probleme im Nord-Reich auf einen Schlag lösen könnte.

Das Schwesterunternahmen Aldi Süd könnte die Gelegenheit nutzen, um gemeinsam mit einem der Kontrahenten die Macht im Norden zu übernehmen und die Unternehmen langfristig wieder zusammen zu führen. „Ein Zusammenschluss der beiden Unternehmen unter Führung von Aldi Süd wäre eine ideale Lösung“, sagt Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. „Nicht nur die Familienstreitigkeiten im Norden könnten so beigelegt werden. Auch das operative Geschäft würde profitieren, wenn das erfolgreichere Süd-Modell auf den Norden übertragen werden würde.“ Heinemann: „Das würde sich für beide Unternehmen richtig lohnen.“

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