Es blitzt und blinkt im Düsseldorfer Carsch-Haus. Designerware hängt wohlsortiert an der Stange, daneben stapeln sich Accessoires. Das rote Tods-Täschchen kostet 799 statt 1100 Euro, die goldene Versace-Uhr gibt es für 699 Euro, in der Etage darüber stehen Prada-Pantoffeln neben 6500 weiteren Schuhpaaren. Schon vor mehr als 100 Jahren gab es hier „vornehme Herren- und Knabenkleidung, Sport- und Livree-Kleidung“ zu kaufen, in den vergangenen Monaten wurde das Gebäude zur Flaggschifffiliale der amerikanischen Nobel-Outletkette Saks off 5th umgerüstet. Zur Eröffnungsparty am Mittwochabend trippeln Models über den Pink Carpet, bevor die geballte Düsseldorfer Prominenz ins Innere strömt. Von hier aus soll die Kette Deutschland und Europa mit Luxusmarken zu reduzierten Preisen erobern. Der kanadische Handelskonzern Hudson’s Bay Company (HBC), dem auch die Warenhauskette Galeria Kaufhof gehört, will noch in diesem Jahr vier weitere Standorte eröffnen.
Angeführt wird die Glamouroffensive von einem Mann, der bisher fern des Rampenlichts agierte und den bis jetzt wohl niemand für einen Spitzenjob im Fashionwesen auf der Rechnung hatte – zumindest diesseits des Atlantiks. Anfang Mai machte HBC Wolfgang Link, den ehemaligen Deutschland- und Europachef des Spielzeughändlers Toys’R’Us, zum obersten Statthalter in Europa. Für die Kanadier soll er den hiesigen Outlet-Markt aufrollen und das lahmende Kerngeschäft um Galeria Kaufhof in Schwung bringen.
Fans des Managers hegen keine Zweifel daran, dass die Mission zwischen Bling-Bling-Business und Brot-und-Butter-Geschäft gelingt. Sie rühmen Link als begnadeten Strategen und Multitalent. Seine Gegner indes zeichnen das Bild eines peniblen Sparkommissars, der Personalkosten schleift und sich immer wieder mit Betriebsräten streitet.
Wenige Tage vor der Outlet-Eröffnung sitzt Wolfgang Link in einer Besprechungsnische in der vierten Etage der Kaufhof-Zentrale in Köln. Trotz der Sommerhitze ist seine kupferfarbene Krawatte sorgsam geknotet. Der blaue Anzug sieht nicht nach Kaufhof-Ware aus, auch wenn Link pflichtschuldig betont, sich privat seit Jahren mit Verve durchs Sortiment zu shoppen. Die Marke Kaufhof sei toll, findet ihr Chef, aber im Wettbewerb mit Onlineläden reiche das nicht: „Wir müssen Anlässe schaffen, damit die Kunden zu uns kommen“, sagt Link.
Das ist die Hudson's Bay Company
Die Hudson´s Bay Company ist Kanadas größtes Kaufhaus und gilt als ältestes Unternehmen Nordamerikas. Die Geschichte von HBC begann 1670, als Charles II von England der Company Eigentum über Land und Bodenschätze in Kanada übertrug. Der damals vollständige Name der Unternehmung: „The Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“.
Rund 200 Jahre kontrollierte HBC vor allem den lukrativen Handel mit Pelzen, dann kaufte Kanada der Gesellschaft die Rechte wieder ab. HBC änderte daraufhin die Ausrichtung, stieg in den Großhandel ein und versorgte Siedler. Auch in der Schifffahrt und im Handel mit Öl und Gas war HBC tätig, bevor sich die Gesellschaft in den 1990er Jahren wieder auf den klassischen Einzelhandel konzentrierte.
Die Hudson’s Bay Company fokussierte sich stets auf Aktivitäten in Kanada und Nordamerika - bis 1970 war ihr Sitz aber London.
Die Historie der HBC ist derart eng mit der Kanadas verknüpft, dass seine Chefs bis heute Gouverneure heißen. Heute hat diesen Posten der US-Amerikaner Richard Baker inne, der das Unternehmen 2008 erwarb. Baker gilt als strategischer und ehrgeiziger Konzernlenker
Schon vor der HBC-Übernahme hatte Baker 2006 amerikanisch Traditionskaufhauskette Lord & Taylor für knapp eine Milliarde Euro gekauft und das Geschäft durch Beleihung der Immobilien finanziert. Auch den vollständigen Kauf der Hudson’s Bay Company im Jahr 2008 finanzierte Baker hauptsächlich durch Schulden. Für rund 2,2 Milliarden Euro kaufte HBC 2013 schließlich die amerikanische Nobelkette Saks Fifth Avenue und deren Ableger OFF 5th. Erneut die entscheidende Geldquelle: beliehene Immobilien. 2015 machte der Konzern klar, in Zukunft auch außerhalb des nordamerikanischen Marktes wachsen zu wollen - durch Zukäufe wie Kaufhof. Neuestes Projekt ist die Einführung der Discount-Luxuskette Saks Off 5th in Deutschland.
Neben der namensgebenden Hudson’s Bay Company gehören zum HBC-Imperium eine ganze Reihe von Handelsunternehmen in Nordamerika. In Kanada ist es die Einrichtungshauskette Home Outfitters. In den USA hat HBC das Luxuskaufhaus Lord & Taylor, die Edelkaufhauskette Saks Fifth Avenue und deren Discount-Designer-Ableger Saks Fifth Avenue OFF 5th übernommen.
Als starkes Rückgrat der Hudson’s Bay Company gelten die Warenhausimmobilien im Besitz des Konzerns. Ihr Wert wird auf etwa 9,6 Milliarden kanadische Dollar geschätzt, rund 6,7 Milliarden Euro. Allein der Saks Fifth Avenue Flagship Store in New York soll mehr als drei Milliarden Euro wert sein.
Mit Saks Fifth Avenue, der Kernmarke Hudson's Bay, der Modekette Lord & Taylor und dem Haushaltswarenhändler Home Outfitters machte HBC zuletzt einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro und rund 420 Millionen Euro Gewinn.
Der erste Laden der amerikanischen Luxux-Kaufhauskette wurde 1924 von Horace Saks zusammen mit einer Geschäftspartner auf der New Yorker 5th Avenue eröffnet. 1992 gründete das Unternehmen sein erstes Outletgeschäft in Pennsylvania. Als 1995 weitere Läden eröffnet werden sollten, wurde das Geschäft in Saks Off 5th umbenannt. 2013 übernahm HBC das Unternehmen. Im Jahr 2016 gab es weltweit 41 Fililalen von Saks Fifth Avenue und 117 von Saks Off 5th.
An denen mangelte es zuletzt. Die Erlöse schrumpften im ersten vollen Geschäftsjahr nach der Übernahme der Kaufhof-Häuser europaweit um 1,2 Prozent. Das Europageschäft brockte HBC einen operativen Verlust von fast 200 Millionen Euro ein. Schon machen in Köln Gerüchte die Runde, dass die Kanadier durchgreifen, Investitionen streichen und Kosten kappen wollen.
Link widerspricht: „Wir sparen, schaffen aber auch Arbeitsplätze“, sagt er. Allein durch das Debüt von Saks off 5th in Deutschland entstünden insgesamt mehr als 300 Jobs in diesem Jahr. Auch Kaufhof werde weiter investieren.
Das hatte jüngst bereits HBC-Konzernchef Jerry Storch bekräftigt. Der ist Links wichtigster Verbündeter, beide kennen sich seit 2007. Damals war Storch Chef von Toys’R’Us und holte Link als Leiter des Deutschlandgeschäfts. Der konnte da schon eine saubere Handelsvita vorzeigen, war unter anderem Geschäftsführer der ElectronicPartner-Gruppe und der MediMax Elektronikmärkte gewesen.
"Arbeitswütiger Perfektionist"
Einen Ruf als „arbeitswütiger Perfektionist“ hatte er sich schon zuvor als Manager in der Metro-Großmarktsparte erarbeitet. Wenige Tage nachdem seine Frau ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatte, war Link für Metro nach Spanien geflogen, um dort als Vertriebsgeschäftsführer loszulegen. Die Crew vor Ort begrüßte er mit einer halbstündigen Ansprache auf Spanisch, die er zuvor auswendig gelernt hatte.
Deutschlands beliebteste Waren- und Kaufhäuser
Mit 2,05 Millionen Besucher in sehcs Monaten kommt Breuninger auf Rang 5 der Waren- und Kaufhäuser in Deutschland
Zur Umfrage: Das Ergebnis einer Umfrage zu den beliebtesten Waren- und Kaufhäusern in Deutschland zeigt, wie viele Menschen innerhalb von sechs Monaten im vergangenen Jahr in den verschiedenen Warenhäusern eingekauft haben.
Quelle: Statista / IFAK, Ipsos
Strauss Innovation landet 2014 auf dem vierten Platz der beliebtesten Waren- und Kaufhäuser mit rund vier Millionen Kunden in sechs Monaten.
Platz drei geht mit rund 8,4 Millionen Kunden an die Einzelhandelskette Woolworth mit rund 260 Filialen in Deutschland.
Mit einer Kundschaft von 17,35 Millionen hat es die Karstadt Warenhaus GmbH mit Sitz in Essen auf Platz zwei der beliebtesten Kaufhäuser geschafft.
Die meisten Kunden konnte die Galeria Kaufhof in sechs Monaten im Jahr 2014 in ihre Filialen locken. Rund 21,72 Millionen Deutsche über 14 Jahre haben dort eingekauft.
Auch beim damaligen Toys’R’US-Chef Storch punktete er mit akribischer Vorbereitung: Zu seinem Vorstellungsgespräch an einem Sonntag in New Jersey brachte Link eine fertig ausgearbeitete Strategie mit. „Ich fragte ihn, ob er einen Plan für Deutschland habe“, erinnert sich Storch. „Aber er hatte gleich ein Konzept für die USA dabei.“ Da das Programm nahezu deckungsgleich mit Storchs eigenen Ideen war, stellte der Link ein. 2013 stieg er zum Europachef der Spielzeugkette mit insgesamt 300 Geschäften in neun Ländern auf.
Liebe zum Detail lebte er auch da aus. Intern hieß Link, der über „Erfolgspotenziale bei der Internationalisierung“ promovierte, schlicht „der Doktor“, manche Mitarbeiter fühlten sich von seiner „oberlehrerhaften Attitüde“ genervt. Selbst die Verteilung von Parkplätzen soll der Chef persönlich organisiert haben.
Wichtige Begriffe im Textilhandel
Die klassische Form des Outlets wird vom Hersteller selbst betrieben. Hier wird Ware verkauft, die aus der letzten Saison stammt oder Fehler aufweist. Häufig liegen Factory Outlets am Stadtrand oder auf dem Land mit einem guten Anschluss an die Infrastruktur.
Im Gegensatz zum Factory Outlet wird die Ware hier von einem Händler vertrieben. Häufig verkauft der dabei nur ein bestimmtes Kontingent eines Produkts ohne die Möglichkeit zu haben, die Ware nachzubestellen. Auch hier handelt es sich häufig um Ware aus der vergangenen Saison.
Mit dem Begriff "Vertikale" werden Unternehmen bezeichnet, die sowohl Hersteller als auch Händler sind. Also zum Beispiel Zara oder H&M. Auch einige klassische Hersteller versuchen sich als "Vertikale", indem sie eigene Läden eröffnen.
Eine Möglichkeit um große Verkaufsflächen insbesondere in Warenhäusern zu strukturieren. Einzelne Produktbereiche werden dabei auch optisch voneinander getrennt, um das Angebot übersichtlicher zu gestalten.
Trotzdem blieb genug Zeit und Kraft für Konfrontationen mit den Betriebsräten. So kritisierte die Gewerkschaft Verdi „Schleckermethoden“, nachdem eine Hamburger Toys’R’US-Filiale Beschäftigte einer Leiharbeitsfirma über Werkverträge eingestellt hatte. Umstrukturierungen und Sparpakete versetzten die Zentrale immer wieder in Aufregung. Als 2015 die Beschäftigten einiger Filialen streikten, zahlte das Management eine Prämie, um „einige Mitarbeiter umzustimmen und vom Streik abzuhalten“, wie es in einem internen Schreiben hieß.
Bei Kaufhof gibt Link bisher den Teamspieler. Am ersten Arbeitstag stellte er sich in der Kantine vor, per Videokonferenz begrüßte er Angestellte in den Kaufhäusern, ein paar Wochen später lief er bei einem vom Unternehmen gesponserten Nachtlauf durch Köln mit.
Basiskontakt kann nicht schaden. Nirgendwo sonst im Handel sind Gewerkschaften und Betriebsräte stärker verankert als hier. Selbstbewusst formuliert Bernhard Franke, der für Verdi im Kaufhof-Aufsichtsrat sitzt, seine Erwartungen: Link solle bei den Kanadiern für Investitionen werben und die „Rabattitis stoppen“. Durch Preisnachlässe verschleudere die Kette Erträge.
„Personalkostensenkungsprogramme“ hält Franke für „kontraproduktiv“. Zuletzt hatte Kaufhof die Einstellung von Aushilfen gestoppt und befristete Verträge nicht verlängert. Link spricht vage davon, dass alle stationären Händler versuchen müssten, „flexibler zu werden und auf die Kosten zu achten“. Dazu werde er „bei Bedarf mit den Betriebsräten das Gespräch suchen, sollte das nötig sein“.
Viel Zeit bleibt ihm nicht. Die kanadischen Eigentümer dürften auf schnelle Ergebnisse drängen, zumal es auf ihrem Heimatmarkt Nordamerika brennt. Onlineanbieter wie Amazon wildern im Warenhausrevier. Schon zweifelt der Kapitalmarkt an der Widerstandskraft des hoch verschuldeten Konzerns. Seit HBC Kaufhof im Herbst 2015 übernommen hat, hat sich der Aktienkurs halbiert.
Links Einsatz wird damit zum diplomatischen Dienst. Er muss zwischen kanadischen Renditewünschen und deutscher Handelsrealität vermitteln, strategische Entscheidungen treffen und sich um das operative Klein-Klein kümmern. Eines steht für ihn schon heute fest: „Es ist sicher genug Arbeit für zwei da.“