Die Dose Markenkatzenfutter kostet 67 Prozent mehr als bei Wettbewerbern. Das Gläschen Babybrei übertrifft die Konkurrenzpreise schon mal um mehr als 50 Prozent. Wer sich derzeit durch eine Berliner Kaiser’s-Filiale shoppt, wähnt sich eher in einer Apotheke denn im Supermarkt. Das Unternehmen hat zahlreiche Kunden mit hohen Preisen vergrault.
Die Hängepartie bei Kaiser's Tengelmann
Der Handelskonzern Tengelmann teilt mit, seine Supermärkte an Edeka verkaufen zu wollen. Die verbliebenen rund 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen, die seit Jahren rote Zahlen schreiben, sollen bis Mitte 2015 komplett an den deutschen Marktführer gehen.
Das Bundeskartellamt untersagt Edeka die Übernahme. Die Behörde befürchtet Preiserhöhungen und weniger Wettbewerb.
Tengelmann und Edeka wollen das Veto des Kartellamts nicht hinnehmen. Sie beantragen eine sogenannte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt grünes Licht für die Übernahme - unter harten Auflagen. So muss Edeka den Erhalt von über 15 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Edeka-Konkurrent Rewe legt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Ministererlaubnis ein, wie auch Markant und Norma.
Das Oberlandesgericht stoppt die Ministererlaubnis vorläufig. Die Ausnahmegenehmigung Gabriels sei rechtswidrig. Er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten.
Gabriel wirft dem Gericht schwere Versäumnisse vor. Das Urteil enthalte falsche Behauptungen.
Edeka geht juristisch gegen den Stopp der Fusion durch das Oberlandesgericht vor. Das Unternehmen reicht eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH will darüber am 15. November entscheiden.
Auch Gabriel legt Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Darüber soll ebenfalls Mitte November entschieden werden. Kaiser's Tengelmann läuft unterdessen die Zeit davon.
Die Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe sowie Vertreter von Verdi wollen sich zu einem Rettungsgespräch treffen.
Der Aufsichtsrat von Kaiser's Tengelmann soll angesichts hoher Verluste über die Schließung von Filialen und den Abbau Tausender Arbeitsplätze beraten. Damit würde der Deal mit Edeka platzen und die Kette wohl zerschlagen.
Bei einem zweiten Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Sie geben sich Zeit bis zum 17. Oktober.
Die Verhandlungen zwischen den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe und Verdi sind gescheitert. Die Supermarktkette wird nun zerschlagen. Noch am Abend bereitet Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub die Mitarbeiter auf den Verlust vieler Arbeitsplätze vor.
Dabei geht es nicht nur um ein paar versprengte Artikel in den Regalen. Vielmehr sind weite Teile des Gesamtsortiments des kriselnden Händlers, über dessen Zukunft am Freitag entschieden werden soll, schlicht zu teuer, zeigt eine exklusive Untersuchung des Berliner Preisspezialisten GKL Marketing-Marktforschung für die WirtschaftsWoche. „Die Preise von Kaiser’s Tengelmann haben sich vom Wettbewerb abgekoppelt“, konstatiert GKL-Chef Ulrich Gallinat. „Das erinnert fast schon an Schlecker.“
Laut GKL-Analyse kosten Markenartikel in Kaiser’s-Läden derzeit rund fünf Prozent mehr als bei Edeka und rund 4,6 Prozent mehr als bei Rewe. Verglichen mit den Discountern Aldi und Lidl, verkauft Kaiser’s Tengelmann identische Produkte demnach sogar 18 bis 21 Prozent teurer – im Durchschnitt.
Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands
Bartells-Langness
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,09 Milliarden Euro (Schätzung)
Globus
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,23 Milliarden Euro
Rossmann
Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland: 5,18 Milliarden Euro
dm
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 6,33 Milliarden Euro
Lekkerland
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 8,98 Milliarden Euro
Metro (Real, Cash & Carry)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 10,27 Milliarden Euro (Schätzung)
Aldi (Nord und Süd)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 22,79 Milliarden Euro (Schätzung)
Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,05 Milliarden Euro (Schätzung)
Rewe-Gruppe
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,57 Milliarden Euro (Schätzung)
Edeka (inkl. Netto)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 48,27 Milliarden Euro
Quelle: TradeDimensions / Statista
Für die Untersuchung haben die GKL-Experten die Preise all jener Markenartikel verglichen, die sowohl Kaiser’s als auch der jeweilige Konkurrent verkauft. Aktionsangebote und Eigenmarken blieben außen vor. Die Schnittmenge: rund 5900 Produkte bei Edeka beziehungsweise knapp 4700 bei Rewe. Bei den Discountern, die weniger Marken führen, lag die Zahl identischer Artikel bei 88 (Aldi) und 528 (Lidl).
Neben den Lebensmittelhändlern konkurriert Kaiser’s Tengelmann mit Drogerieketten wie dm. 1200 gleiche Produkte von der Dr.-Best-Zahnbürste bis zum Dove-Shampoo bieten beide Händler an, dm ist im Schnitt allerdings 19,5 Prozent billiger. Gerade im Drogeriebereich sei der Preisabstand „besonders auffällig“, sagt Gallinat. Hochpreisiges findet sich indes nicht nur in den Regalen der Berliner Läden. „In den anderen Regionen, in denen Kaiser’s Tengelmann präsent ist, sehen wir ähnliche Unterschiede“, sagt Gallinat.
Eine Unternehmenssprecherin wollte die Ergebnisse des Preisvergleichs nicht kommentieren. Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub sind die Preisprobleme seines Unternehmens aber offenkundig bewusst. „Kaiser’s Tengelmann war immer teurer als die anderen, sowohl in der Verbraucherwahrnehmung als auch in Wirklichkeit“, schrieb er im Antrag auf eine Ministererlaubnis Ende April 2015. „Aus der Sicht der Verbraucher war Kaiser’s Tengelmann faktisch eine ‚Apotheke‘, die man trotzdem ‚um die Ecke‘ aufsuchte, um kleine Einkäufe zu erledigen“, formulierte Haub darin.