Kamerahersteller Vom Existenzkampf zum Rekordumsatz: So hat Leica es geschafft

Obwohl die Produktpalette gewachsen ist, setzt Leica mit Kameras und Objektiven noch am meisten Geld um. Quelle: dpa

Geld verdient Leica längst nicht mehr nur mit Kameras. Mit dem Kampf gegen gefälschte Fotos erschließt das Unternehmen jetzt sogar ein neues Feld. Welche Chancen das Projekt hat.

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Totgesagte leben länger. Und wie stark das Herz noch pumpt, zeigt sich im unternehmerischen Sinne an den blanken Zahlen. Die hat das Traditionsunternehmen Leica kürzlich für das abgelaufene Geschäftsjahr gemeldet, zumindest teilweise. Zum dritten Mal in Folge legte der Kamerabauer beim Umsatz eine Schippe drauf: 485 Millionen Euro – Rekordergebnis. Auch beim operativen Ergebnis habe man zugelegt, genaue Zahlen gibt das Unternehmen auf Anfrage aber nicht an.

Dabei kam das Herz nach der Jahrtausendwende schon einmal fast zum Stehen. Leica stürzte tief in die roten Zahlen, weil es den Anschluss an die Digitalfotografie verpasste. Die analogen Premium-Kameras warfen zu wenig Profit ab. Die Zukunft der damals rund 1000 Mitarbeiter hing am gleichen seidenen Faden wie die Geduld der Aktionäre. Wie sollte das Unternehmen da wieder rauskommen? 2004 stieg der Österreicher Andreas Kaufmann ein und holte einige Jahre später den US-Investor Blackstone dazu. Gemeinsam hauchten sie dem in Wetzlar gegründeten Unternehmen neues Leben ein.

Heute verkauft Leica nicht nur Kameras, sondern etwa auch Zielfernrohre, Uhren oder Brillengläser. Produziert für das höchste Ladenregal; die Premiumpreise gehören genauso zum Unternehmen wie das ikonische rote Firmenlogo auf der Fronseite der meisten Kameras. Um in das Smartphone-Geschäft einzudringen, fertigte Leica erst die Optiken für die Handykameras von Huawei, nun werden sie in den höherpreisigen Smartphones von Xiaomi verbaut.

Noch einen drauf setzte Leica mit dem eigenen Smartphone, dem Leitz Phone – bis heute nur in Asien erhältlich. Die Kernprodukte sollen aber die Kameras und Objektive bleiben. Der Marktanteil bei Kameras liege global im einstelligen Bereich, aber darüber definiere man sich in Wetzlar mit seinen Kameras für den Premium-Markt nicht, so ein Leica-Sprecher.

Wieder glauben, was man sieht

Eine von Leicas Kameras ist die M11-P, eine Abwandlung der klassischen M11. Mit ihr setze Leica ein Zeichen gegen gefälschte Fotos und künstlich generierte Bilder, so verlautbarte es CEO Matthias Harsch. In den vergangenen Monaten verbreiteten sich einige Fotos rasend schnell auf der Welt, darunter: Papst Franziskus im riesigen Daunenmantel, Ex-Präsident Donald Trump verhaftet in New York, Taylor Swift beim Sex im Football-Stadion. Gemeinsam haben die Fotos, dass sie nicht echt sind.

Zu erkennen, dass ein Bild nachträglich bearbeitet, verfälscht oder von einer künstlichen Intelligenz erschaffen wurde, wird allerdings immer schwieriger. Dazu kommt, dass KI-Software wie Sora jüngst gezeigt hat, wie täuschend echte Videos sie produzieren kann. „Künstliche Intelligenzen machen Fortschritte wie der PC in den 1990ern oder Handys in den frühen 2000ern, jedes Jahr gibt es einen riesigen technologischen Sprung“, sagt Nico Ernst, Redakteur und Autor bei den Fachmedien Heise und c´t Digitale Fotografie. „Dazu kommt, dass heute jeder ohne Vorkenntnisse sofort mit den Fakes loslegen kann“.

Machen Sie hier den Test: Können Sie die Bilder echter Menschen von den Fälschungen unterscheiden?

Was wäre also, wenn sich nachvollziehen ließe, wer ein Foto gemacht hat? Wenn man zurückverfolgen könnte, wer es wie bearbeitet hat und wie das Bild aussah, als es geschossen wurde? Das geht. Allerdings wissen nur wenige von dieser Möglichkeit und noch weniger nutzen sie.

Die M11-P speichere als erste Kamera die Metadaten der Fotos konform der CAI (Content Authenticity Initiative) und dem C2PA-Standard (Coalition for Content Provenance and Authenticity), heißt es beim Hersteller. Weitere Hersteller wollen in diesem Jahr nachziehen, Sony etwa via Software-Update.

Hinter CAI verbirgt sich eine Allianz der großen Namen, etwa Adobe, New York Times, BBC, Canon oder eben Leica. Sie hat sich das Ziel gesetzt, die Vertrauenswürdigkeit von digitalen Inhalten zu sichern, indem sie mit C2PA einen Industriestandard setzt. Auf dem basiert auch ein ähnliches Projekt, das Microsoft und Truepic für Smartphones in der Ukraine angeschoben haben und die Echtheit von Fotos aus den Kriegsgebieten sicherstellen soll.

Der angepeilte Standard sieht eine Art digitales Urheberzertifikat vor. Ausgegeben in dem Moment, in dem der Fotograf den Auslöser drückt – sofern er die Einstellung auf seiner Kamera aktiviert hat. Sie ist optional. Das Zertifikat ist den konventionellen Metadaten ähnlich. Gespeichert werden Informationen über das Bild, etwa Einstellungen der Kamera wie Belichtungszeit oder ISO-Wert. Aber auch Daten wie Uhrzeit, Datum, Kameratyp oder gegebenenfalls der Ort, an dem das Foto gemacht wurde. Diese Daten lassen sich allerdings manipulieren. Beim Standard der CAI sollen sie fälschungssicher sein.

Bei einer Prüfstelle lassen sich die Fotos hochladen und überprüfen. Ohne Anmeldung und kostenlos. Nutzer können die Metadaten kontrollieren, die Originalversion des Fotos sehen und Bearbeitungsschritte zurückverfolgen. So lässt sich aber nicht automatisch für jedes Foto sagen, ob es manipuliert oder gefälscht ist. Nachvollziehen lassen sich die Daten nur, wenn der Fotograf den Standard der CAI nutzt. Genau das ist der Knackpunkt: Das passiert bisher nur in Einzelfällen. Laut Nico Ernst kooperieren etwa einige Presseagenturen mit Kameraherstellern und arbeiten an eigenen Workflows rund um CAI.

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„Die Technik ist da, sie müsste nur viel mehr genutzt werden“, sagt Ernst. Aus seiner Sicht sollte das auch auf Social-Media-Plattformen geschehen. Ernst wünscht sich, dass dort die Urheberzertifikate bei jedem Post einsehbar sein sollten. Bisher ist das nirgends der Fall, angeblich wegen des massiven Aufwandes für die Plattformen. „Im Zeitalter von KI sollte die Beweislast umgekehrt werden“, fordert Ernst. „Wer ein Bild zeigt, muss Sorge dafür tragen, dass es überprüfbar ist – ansonsten muss man das Bild zumindest anzweifeln“.

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