Zu tief sitzt noch die Brause-Schmach aus dem vergangenen Jahr. Anfang 2014 hatte Lidl die Deutschen mit der Meldung überrascht, künftig keine Coca-Cola mehr zu verkaufen – ein Machtkampf zwischen dem US-Getränkegiganten und dem deutschen Handelsriesen war eskaliert. Vordergründig feilschten die Kontrahenten um den Preis. Doch die Ursachen lagen tiefer.
Jahrzehntelang war die deutsche Discounterwelt sorgsam austariert: Während Billig-Purist Aldi sein Sortiment ausschließlich mit bewährten Eigenmarken bestückte, lockte Lidl die Kundschaft seit jeher zusätzlich mit Nivea-Deos, Nutella-Gläsern und anderen bekannten Marken.
Doch dann entdeckte auch Aldi den Glanz der Promi-Produkte, listete Ferrero Küsschen und Nivea ein. Als die Aldi-Strategen ihrem selbst gebrauten Zuckerwasser River Cola schließlich das US-Original Coca-Cola zur Seite stellten, reichte es den Neckarsulmern. Sie senkten den Preis, Aldi zog nach und ein Brause-Krieg brach los.
Das rief Coca-Cola auf den Plan. In einem Brief an Lidl signalisierte der Hersteller seinen Unmut über die Ramsch-Aktionen und deutete an, höhere Preise durchsetzen zu wollen. Doch der damalige Lidl-Chef Karl-Heinz Holland wollte nicht nachgeben und verbannte die Marke aus den Regalen. Der Rausschmiss war wohl auch als Warnung an andere abtrünnige Markenartikler gedacht, die Folgen einer Liaison mit Aldi genau zu überdenken.
Allein, das Muskelspiel ging schief. Keine sechs Wochen nach dem Bannspruch knickte Lidl ein. Zu gravierend waren offenbar die Umsatzeinbußen, zumal das Kultgetränk just zu jener Handvoll Konsum-Attraktionen zählt, derentwegen Kunden gezielt den Markt aufsuchen – und ihre Einkaufswagen dabei mit weiteren Lebensmitteln beladen.
Die Schlappe dürfte Konzern-Frontmann Gehrig darin bestärkt haben, die Neuausrichtung zu forcieren. Mögliches Kalkül: Wenn Aldis Marken-Flirt nicht zu stoppen ist, hilft nur die Flucht nach vorn.
Ohnehin scheinen sich die Kontrahenten bei der Veredlung ihrer Märkte und Sortimente inzwischen gegenseitig übertrumpfen zu wollen. Die Unterschiede sind oft nur graduell. Während Lidl auf offene Backstationen setzt, verrichten bei Aldi geschlossen Automaten leise brummend ihr Backwerk und gegen die Feinkost-Linie Aldi Gourmet schickt Lidl die Premiumvariante Deluxe ins Rennen.
Die Werbeoffensive
Hinten, im Pausenraum für die Mitarbeiter, haben die Lidl-Kader einen Laptop aufgeklappt und zeigen die Werbespots, die ab Ende Februar deutschlandweit über die Bildschirme flimmern sollen. In einem der 30-Sekünder schmachtet ein kleines Mädchen eine Tafel Schokolade an, und aus dem Off ertönt die Frage: „Woran erkennt man eigentlich gute Schokolade?“ Nicht am langen Rühren, sondern am Geschmack, heißt es mit Seitenhieb auf die Schweizer Confiserie-Institution Lindt, in deren Werbefilmen weißbemützte Schokoköche beherzt die Kakaomasse quirlen.
Die größten Bio-Supermarktketten in Deutschland 2014
Ebl Naturkost betreibt 23 Läden in Deutschland. Das Unternehmen wurde 1994 gegründet.
Mit 25 Filialen ist die Bio-Supermarktkette Basic auf dem vierten Platz.
Den dritten Platz belegt Bio Company mit 47 Läden.
Auf dem zweiten Platz befindet sich Alnatura mit seinen Super-Natur-Märkten. In Deutschland hat das Unternehmen mehr als 80 Filialen – und will noch weiter expandieren.
Die größte Bio-Supermarktkette Deutschlands heißt Denn's. Hierzulande betreibt das Unternehmen 143 Filialen.
Garniert wird die Werbekampagne mit vertrauensbildenden Maßnahmen, etwa dem Start einer Online-Plattform, auf der Kunden die Herkunft ihres Schnitzels recherchieren und Fragen loswerden können. Ziel sei es, auch „neue Kundengruppen anzusprechen, die bislang dem Discounter kritisch gegenüberstanden“, sagt Chefeinkäufer Pohl.
Dumm nur, dass Qualität, Transparenz und Vertrauen nicht gerade die Begriffe sind, die die meisten Deutschen mit Lidl verbinden. Im Gegenteil: 2004 prangerte die Gewerkschaft Verdi in einem „Schwarzbuch“ Schikane und Kontrollwut bei dem Konzern an. Vier Jahre später enthüllte dann das Magazin „Stern“, dass Lidl-Detektive Beschäftigte mit Stasi-Methoden bespitzelt hatten. Ein Entrüstungssturm brach los, und Lidl wurde seinen Ruf als Skandaldiscounter fortan nicht mehr los.
„Klar haben uns die Schlagzeilen 2008 aufgerüttelt“, sagt Manager Raimund dazu und listet auf, was sich seither getan hat: Ein unternehmensweiter Mindestlohn von elf Euro pro Stunde wurde eingeführt, die Arbeitszeit der Mitarbeiter werde dabei minutengenau erfasst. Die Fluktuation sei niedriger, die Datenschutzbestimmungen höher als in der Branche üblich.
Also alles im Lot bei Lidl? So weit will Ulrich Dalibor, Leiter der Bundesfachgruppe Einzelhandel bei Verdi, nicht gehen. Nach wie vor seien Betriebsräte die große Ausnahme bei Lidl. Doch durch den öffentlichen Druck habe sich intern auch einiges verbessert, sagt selbst der Verdi-Mann.
Verbesserungen für die Mitarbeiter, Filialverschönerungen, eine millionenschwere Werbekampagne – keine Frage, Lidl macht Ernst, mit seinem Veredelungsprogramm. Nur ob das am Ende genug neue Kunden in die Läden lockt, ist fraglich. Eine Analyse des Nürnberger Marktforschers GfK bewertet die bisherigen Versuche der Discounter, gegen die Supermärkte zu punkten, als wenig erfolgreich. „Zwar haben die Discounter in den letzten Jahren durch ihre Sortimentspflege viel für die Attraktivität“ getan, schreiben die Experten. „Die Massen sind ihnen aber deshalb nicht zugelaufen.“
Nun startet Lidl den nächsten Überzeugungsversuch.