Möbelriese Steinhoff liefert nach Bilanzskandal erstmals wieder ehrliche Zahlen

Nach dem Bilanzskandal veröffentlicht Steinhoff erstmals wieder Geschäftszahlen. Der Umsatz ist im jüngsten Quartal um fünf Prozent zurückgegangen.

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Die europäische Möbelkette erzielte im ersten Quartal 365 Millionen Euro. Quelle: dpa

Düsseldorf Nach dem großen Bilanzskandal hat Steinhoff am Mittwoch erstmals wieder Zahlen bekannt gegeben – und zwar die Umsatzzahlen für das erste Quartal seines am 1. Oktober begonnenen Geschäftsjahres. Der Konzern erlöste in der Zeit 4,85 Milliarden Euro weltweit, fünf Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

In dem Umsatz enthalten sind die Einnahmen europäischer Möbelketten wie der französische Kette Conforama (1,003 Milliarden Euro) und der österreichischen Kette KikaLeiner (260 Millionen Euro). Von der deutschen Poco (365 Millionen Euro) werden nur noch Beteiligungserträge bilanziert.

Dazu gehören aber auch das Geschäft der erst 2016 erworbenen US-amerikanischen Matratzenkette Matress Firm mit einem Umsatz von 638 Millionen Euro und das Südafrika-Geschäft Star, das erfolgreich verschiedene Supermarkt- und Einzelhandelsketten betreibt. Die Südafrikaner erzielten ein Umsatzplus von acht Prozent auf 1,14 Milliarden Euro. Auch Konsumgüterketten in Osteuropa (Pepco) legten kräftig zu. Die Matratzenkette in den USA hatte die größten Schwierigkeiten mit einem Umsatz-Minus von 16 Prozent.

Das sind Zahlen, die nach den negativen Schlagzeilen rund um den Bilanzskandal erst einmal gar nicht so schlecht klingen. Steinhoff ist aus dem Möbelhandel des Westersteder Unternehmers Bruno Steinhoff entstanden und nach einer Umstrukturierung und einem Börsengang in Johannesburg 1998 unter Vorstandschef Markus Jooste immer rascher gewachsen.

Es folgte ein Börsengang in Frankfurt im Dezember 2015. Dieser war bereits von einer Razzia der Staatsanwaltschaft Oldenburg in den Geschäftsräumen von Steinhoff überschattet. Die Beamten sicherten mehrere Terabytes Daten und ermitteln seither wegen mutmaßlicher Bilanzmanipulation. Das Handelsblatt hatte damals von der Razzia und dem Verdacht auf manipulierte Zahlen berichtet.

Die große Erschütterung kam erst zwei Jahre später. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte verweigerte Anfang Dezember 2017 erstmals ihr Testat. Vorstandschef Markus Jooste, der Steinhoff groß gemacht hatte, musste gehen. Die Steinhoff Aktie verlor 90 Prozent an Wert und notiert seither nur noch als Penny-Stock.

Steinhoff bleibt voraussichtlich einer der größten Möbelkonzerne

Hochgerechnet auf das gesamte Jahr bedeuten die Zahlen für den Konzern einen Umsatz zwischen 18 und 20 Milliarden Euro. Das macht auch nach dem Desaster Steinhoff zum – nach Umsatz – größten Möbelkonzern nach Ikea. Zu berücksichtigen ist bei den Erlösen, dass der Bilanzskandal erst im Dezember aufflog, zuvor hatten die Kunden ihrem Möbelhändler Kika, Poco oder Conforama uneingeschränkt vertraut.

Auch nicht herauszulesen ist aus dem Quartalsbericht, dass etwa die österreichische Möbelkette Kika/Leiner nur noch durch einen Verkauf ihres Haupthauses in Wien für 70 Millionen Euro alle Löhne im Dezember bezahlen konnte. So groß war teilweise die Finanznot.

Erstmals richtet sich die neue Aufsichtsratsvorsitzende Heather Sonn in dem Quartalsbericht an die Aktionäre. „Es waren ein paar schwierige Monate für Steinhoff und wir arbeiten hart daran, die Wahrheit aufzudecken und Fehlverhalten zu ahnden“, beginnt ihr fünf Seiten langes Schreiben. Es schildert, welche Beteiligungen Steinhoff verkauft hat, um die dringlichsten Liquiditätslöcher zu stopfen.

Und Sonn beschreibt, wie weit die Wirtschaftsprüfer von PwC bislang vorgedrungen sind, die das Zahlenwerk mehrere Jahre zurück auf Bilanzmanipulationen und Unregelmäßigkeiten durchforsten. Interessant dabei: Die gröbsten Falschbuchungen hat es mutmaßlich in Europa gegeben.

Er sei Bilanzenmanager, das operative Geschäft überlasse er den örtlichen Chefs, sagte Ex-Chef Markus Jooste dem Handelsblatt kurz vor seinem Abgang in einem Interview. Analysten und der von einem Shortseller geschriebene „Viceroy-Report“ deckten versteckte Verluste und künstlich aufgeblähte Zahlen auf.

Gerade erst hat in einem ersten Urteilsspruch der Gerichtshof von Amsterdam einem Kläger recht gegeben, wonach Steinhoff die Zahlen der profitablen deutschen Möbelkette Poco falsch bilanziert hat. Poco gehört zur Hälfte dem XXXLutz-Eigentümer Andreas Seifert und hätte deshalb nicht voll in das Zahlenwerk von Steinhoff eingerechnet werden dürfen.

Wie es bei Steinhoff unter dem Bilanzjongleur Jooste zuging, belegen auch E-Mails aus dem Jahr 2014, über die die Süddeutsche Zeitung und der NDR am Dienstag berichteten. Dort bittet Jooste etwa einen Manager darum, bei einer Unternehmenstochter „eine zusätzliche Einnahme von 100 Millionen Euro (…) anfallen zu lassen“, um so den Gewinn „unseren Plänen/Prognosen“ anzupassen. Ein ehemaliger Steinhoff-Manager erklärt Jooste an anderer Stelle: „Du wirst dich an die Bilanzen erinnern, die wir in den vergangenen Jahren nach oben gedrückt haben“.

Der Steinhoff-Konzern hat zugesichert, auch solche Mails an die Behörden weiterzuleiten.

Aufsichtsratschefin Heather Sonn hatte vor dem südafrikanischen Parlament bekanntgegeben, dass der Konzern gegen Jooste Anzeige erstattet hat. Den Gläubigern, Aktionären und den 130.000 Mitarbeitern sichert sie in ihrem Schreiben zu: „Wir arbeiten rund um die Uhr daran, unsere Liquidität aufrecht zu erhalten und sie zu verbessern.“ Alle wollten die Zukunft von Steinhoff sichern. „Ich bin fest entschlossen, alles zu tun, dass der Wunsch wahr wird.“ Die Aktie reagierte mit einem Kursplus von knapp drei Prozent – auf 40 Cent. Immerhin.

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