Sport-Discounter Die Furcht vor Decathlon

Mit Macht erobert der Sportartikelhersteller Decathlon den deutschen Markt. Kampfpreise für ein Sortiment von Ballerinas bis Bergsteigerschuhen locken Kunden. Nicht überall löst das Begeisterung aus.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Decathlon eröffnet neue Filialen. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche

Die Marken heißen Kalenji, BTwin oder Quechua. Lauf- und Radsport und Bergsteigen sind damit abgedeckt. Mit Artikeln der Marke Artengo stehen Menschen auf dem Tennisplatz, mit Caperlan am Angelteich und mit Fouganza sitzen sie - auf einem Pferd. Eines ist allen gleich: Die Produkte sind extrem günstig und es gibt sie nur in einem Geschäft: Decathlon.

Der Name des 1976 gegründeten Konzerns aus dem französischen Lille bereitet Bürgermeistern Papierkram, alteingesessenen Händlern Sorgenfalten und Vermietern zweitrangiger Immobilienflächen ein freudiges Lächeln. Zehn Milliarden Euro Umsatz im Jahr, 75.000 Mitarbeiter weltweit in mehr als 1000 Filialen, davon 40 in Deutschland Stand Ende Mai 2017. Bis Ende des Jahres sollen weitere Filialen in Rheine, Wuppertal und Passau folgen, für 2018 steht Erfurt fest.

Wenig gefallen dürfte das den Wettbewerbern von Fachhandel bis Discountern, die regelmäßig in Aktionen Sportartikel anbieten. Denn der Markt für Sportschuhe und Fußbälle wächst in Deutschland nicht. Seit dem Jahr 2000 pendeln die Jahresumsätze der Branche um 7,5 Milliarden Euro pro Jahr. Jeden Marktanteil, den Decathlon gewinnt, verliert ein anderer. Und Decathlon will mehr.

Wer ist Decathlon?

Die Deutschlandzentrale, die der Mutterkonzern 1999 in Plochingen in bei Stuttgart gegründet hat, wird zur Zeit erweitert. Dort entstehen neben einem Parkhaus mit 300 Plätzen, einer Sporthalle für Kunden auch neue Flächen für die Mitarbeiter. 50 neue Arbeitsplätze sollen in den zwei neuen Stockwerken des bisherigen Gebäudes zwischen einer Spedition und einem Gartencenter geschaffen werden.

Ludger Niemann hat deswegen viel zu erklären. Bürgermeistern, Beamten in den Bezirksregierungen oder Vermietern von Gewerbeflächen. Niemann ist Sprecher Unternehmensentwicklung. Seine Visitenkarte verrät mit seiner englischen Berufsbezeichnung noch deutlicher, was Decathlon umtreibt. Dort steht "Head of Representation Expansion". Vor der fürchten sich viele Händler in Innenstädten und damit auch die Bürgermeister und Behörden, die sich um ausblutende Fußgängerzonen Gedanken machen.

von Peter Steinkirchner, Henryk Hielscher, Hauke Reimer

Niemann winkt ab. "Wir sehen uns eher als Ikea der Sportartikelhersteller." Er könnte auch Aldi, Lidl oder Penny sagen, denn eines ist allen Eigenmarken des Unternehmens, die Decathlon als "Passion Brands" bezeichnet, gemein: Sie sind nahezu unschlagbar günstig. Wenn eine Familie zu Decathlon komme, könne sie sich vollständig ausrüsten, ohne allzu tief in die Tasche greifen zu müssen. Wer einen Sport beginne, hätte so die Chance, seine ersten Erfahrungen damit zu machen und nicht zu viel investiert zu haben, sollte sich herausstellen, dass die Lust auf Boxen oder Snowboarden doch nicht so groß ist, wie gedacht.

Lieber an den Rand

Das gilt für nahezu alle Sportarten, Decathlon zählt 70 auf. In den funktionalen Regalen mit eher nüchterner Ausleuchtung, wie in der jüngsten Filiale in Karlsruhe, finden sich Jagdgummistiefel ebenso wie Darts, Stand Up Paddle-Bretter wie auch Golfschläger. Badeanzüge für unter vier Euro, Stollenschuhe unter 15 Euro. "90 Prozent der Produkte, die wir verkaufen, sind Eigenentwicklungen", sagt Niemann. Den Wettbewerb mit den Händlern, die das gesamte Programm von Adidas, Nike oder Spezialanbietern wie Babolat für Tennisschläger anbieten, suche Decathlon erst gar nicht. Nicht wenige Hobbysportler kaufen zwar bei Decathlon, um im Training Kosten zu sparen, holen für die Wettbewerbe dann die wertigen Stücke hervor.

Decathlon kämpft über den Preis. Möglich ist das, weil das Unternehmen auf Fremdmarken weitgehend verzichtet und bei den Standorten wählerisch ist - sie dürfen nicht zu teuer sein. "Sonst wäre unser Geschäftsmodell nicht möglich", sagt Niemann. Innenstadtlagen wie die Ende Mai eröffnete Filiale über zwei Etagen in der Postgalerie in Karlsruhes City sind die Ausnahme. In Darmstadt hatte das Unternehmen die Türen seine Innenstadtfiliale in den ehemaligen Verkaufsräumen des Möbelmarktes Mömax wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit wieder schließen müssen.

Die Ankündigung oder allein die Gerüchte einer neuen Filiale allein versetzen Politik und Handel in den jeweiligen Gemeinden in Aufregung. In Schwerin ist es beispielsweise das "Schwerino" genannte Shoppingcenter, in das eine Filiale einziehen sollte. Eingerichtet wie der Idealfall einer Decathlonfiliale mit bis zu 10.000 Quadratmeter: Freie Wege, um die Räder Probe zu fahren oder mit dem Fußball auf ein Tor zu schießen. Die Kunden sollen die Produkte ausprobieren könne, so gut es eben geht.

In Ulm wurde lange gerungen, bis Decathlon die Zusage vom Regierungspräsidium in Tübingen bekam, im Blautalcenter die rund 3000 Quadratmeter Fläche eines ehemaligen Elektromarktes zu füllen. Niemann hat erlebt, wie mühselig es ist, das französische Konzept eines Sportartikeldiscounts mit Eigenmarken in Deutschland genehmigungsreif zu bekommen. Zu eigenständig sei das Format, um es mit den gängigen Regeln zu erfassen, sagt Niemann. Für das Center gelten genaue Regeln, wieviel Fläche für "innenstadtrelevante" Sortimente verwendet werden darf: Bekleidung 46 Prozent, 26 Prozent für ein Warenhaus und 20 Prozent für Technik, der Rest für Gastronomie. Das Problem für Decathlon - sie bieten aus allen diesen Segmenten Waren an.

Der Onlinehandel betreibt Decathlon nach eigenen Angaben trotz immer mehr stationärer Ladenflächen mit wachsendem Erfolg. Etwaiger Konkurrenz durch Versandportale und unabhängigen Händlern braucht sich Decathlon nicht zu erwehren, da sie im Grundsatz nur bei Decathlon selbst zu erhalten sind. Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent im Onlinehandel habe das Unternehmen im vergangenen Jahr gesehen.

Kannibalismuseffekte fürchtet das Unternehmen nicht. Im Gegenteil. "95 Prozent aller unserer Kunden, die sowohl online wie auch stationär kaufen, machen mehr Umsatz als diejenigen, die nur über einen Kanal kaufen." Niemann wird entsprechend weiter durch die Republik reisen und mit Behörden Wege finden, um noch eine weitere Filiale eröffnen zu können.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%