Wenn man also auch noch seine Mittagspause mampfend auf der Parkbank verbringen kann, statt beim Mittagstisch eines Restaurants, wenn man abends den Bierschmacht an der Laterne lehnend mit einem halben Hähnchen und Kartoffelsalat von Rewe to go stillen kann, dann blicken die Mitglieder der Dehoga wohl tatsächlich irgendwann neidisch durchs Gebüsch auf die ehemaligen Gäste, für die der öffentliche Raum im Sommer zum Ersatzbalkon geworden ist.
Und in Berlin bahnt sich schon das nächste Phänomen an. Nennen wir es anglizistisch "bridgen". Dort versammeln sich ganze Freundeskreise (mit teilweise beträchtlichem Radius) in ruhigen Wohngebieten auf Brücken mit netter Aussicht und setzen sich dort aufs Kopfsteinpflaster, wie zum Beispiel über dem Landwehrkanal auf der Admiralsbrücke. Dann wird Gitarre gespielt, jongliert und gekifft.
Die ersten sitzen noch auf Gehwegen und der Verkehrsinsel und versorgen sich direkt neben einem Italiener mit idyllischem Biergarten günstig aus einem Spätkauf-Kiosk. Doch schon bald ragen die ersten Hintern, Rücksäcke und Fahrradlenker auf die Fahrbahn. Und man erkennt schon am Gesichtsausdruck der Autofahrer, wer wegen dieses Phänomens zum ersten Mal bei 2 km/h durch den Fleisch gewordenen Hindernisparcour zirkeln muss, um nicht versehentlich über einen nackten Fuß zu rollen, und wer das verdammt nochmal seit Mai jeden Sonntag-Nachmittag tun muss. Letztere haben eine deutlich gesenkte Hup-Schwelle. Und rötere Hälse.
Und so wird nicht nur der Dehoga über das Cornern klagen, sondern bald sicher auch der ADAC und die Polizei-Gewerkschaft über das Bridgen - wegen innerörtlicher Ferienstaus und zwischen Kopfstein und Reifen zermalmter Handknochen.
Und so wie die Inline-Skating-Verbotsschilder mit den putzigen Piktogrammen heute ein Relikt aus den Neunzigerjahren sind, so werden sicher bald neue Schilder aufkommen: "Hintern nicht ins Straßenprofil ragen lassen" oder "während der Malzeiten Füße einziehen". Oder dreieckige Warnschilder an Autofahrer mit Piktogrammen von auf der Straße sitzenden Männchen mit Bierflasche in der Hand.
Dass ausgerechnet der Lebensmittelhandel dazu beiträgt, dass die Fußgänger den Straßenraum zurückerobern, hätte man wohl genauso wenig für möglich gehalten wie den Brexit.
Im Stehen auf der Straße trinken ist das neue Ausgehen. Welcher Marketing-Stratege hätte das bitte prognostiziert?
Und jetzt sind ja auch noch die Pokémon auf unseren Straßen unterwegs und locken noch mehr Leute raus. Nun noch ein paar sonnige Tage und wir werden unsere Innenstädte nicht mehr wiedererkennen.