Hansestadt Stralsund Wie ostdeutsche Mittelständler der Krise trotzen

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Volle Kraft voraus: Ostseestaal-Geschäftsführer Kühmstedt setzt auf neue Märkte Quelle: Timmo Schreiber für WirtschaftsWoche

In Merkels Wahlkreis sind die Herausforderungen für die Wirtschaft besonders groß. Die Stadt Stralsund, von Wasser -umspült, ist mit ihren alten Backsteinbauten und gotischen Kirchen durchaus hübsch anzuschauen. Die Insel Rügen liegt direkt gegenüber; eine neue Brücke zwischen Festland und Halbinsel ist seit 2007 in Betrieb.

Jährlich kommen etwa drei Millionen Touristen. Im Stralsunder Hafen liegt das 1933 gebaute frühere Segelschulschiff Gorch Fock vor Anker. Für den Einsatz auf See ist es allerdings längst ausgemustert – die Bundesmarine verwendet heute ein baugleiches Schwesterschiff aus dem Jahre 1958 zur Ausbildung. Neben der alten Gorch Fock erstreckt sich ein futuristischer weißer Bau. Das Ozeaneum ist der neue Besuchermagnet der Stadt: Hinter Panoramascheiben lassen sich dort Fische aus allen Weltmeeren beobachten.

Doch die Einnahmen aus dem Tourismus reichen nicht. Die Arbeitslosenquote liegt mit 15 Prozent überdurchschnittlich hoch. Es gibt wenig Industrie, dafür viel plattes Land. Lediglich einige Callcenter haben sich in jüngster Zeit angesiedelt. Früher zählte der Schiffbau zu den wirtschaftlichen Stützen der Region. Doch seitdem durch die Wirtschaftskrise deutlich weniger Schiffe gebaut werden, ist es damit auch vorbei. Stralsund zählt zu den Randlagen Deutschlands, liegt weit ab vom Schuss.

Umbruch erfordert bei Ostseestaal tiefe Einschnitte

An der Ostseeküste ist das Ehepaar Masson damals eher zufällig gelandet – ein Freund der Familie stammte aus der Hansestadt. Doch hier finden sich noch mehr Unternehmer wie die Massons, die sich von den schwierigen Bedingungen der Region nicht abschrecken lassen, sondern stattdessen die Ärmel hochkrempeln und investieren.  Auf völlig neue Märkte wagt sich zum Beispiel Thomas Kühmstedt, Geschäftsführer des Stahlspezialisten Ostseestaal. Aus dem Fenster des Besprechungsraums blickt der 44-Jährige auf die Ladekräne am Stralsunder Ostseekai. Ostseestaal – das Unternehmen gehört zur mittelständischen CIG-Gruppe in Holland – ist darauf spezialisiert, dreidimensional verformte Bleche aus Stahl, Chrom-Nickel oder Aluminium herzustellen. „Krumme Platten“, wie Geschäftsführer Kühmstedt sagt.

Jahrelang hat das Unternehmen mit seinen Spezialteilen vor allem die Schiffbauindustrie beliefert, auch die nebenan beheimatete Volkswerft Stralsund. Doch seitdem mit der Krise die Nachfrage nach Containerschiffen weltweit eingebrochen ist, gibt es dort nicht mehr viel zu holen. Entschlossen investiert Ostseestaal nun in neue Märkte. Statt auf den klassischen Schiffbau setzt Kühmstedt nun auf Architektur, alternative Energien und den Bau von Mega-Yachten.

Der Umbruch erfordert erst einmal tiefe Einschnitte: Der Umsatz wird in diesem Jahr von 15 auf etwa 12 Millionen Euro schrumpfen. Von etwa 200 Beschäftigten mussten 50 gehen. Kühmstedt hofft, bald wieder an alte, bessere Zeiten anknüpfen zu können. So setzt er große Hoffnungen in Windkraftanlagen: Der Stahl aus Stralsund steckt in etlichen Rotorblättern. Und für etwa 60 Prozent aller Mega-Yachten stellt sein Unternehmen Bauteile her. Stolz erzählt der Geschäftsführer, dass sein Unternehmen die Außenhaut für die Yacht Eclipse des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch geliefert hat. Das Schiff wurde von der Hamburger Werft Blohm & Voss gebaut und soll 340 Millionen Euro gekostet haben.

Kühmstedt zeigt farbige Modellzeichnungen und Fotos von weiteren Projekten, für die Ostseestaal den Spezialstahl geliefert hat: futuristische Gebäude wie das Ozeaneum, das Qatar National Convention Center oder das Yas Hotel in Abu Dhabi. „Da stehen dann die Scheichs und verfolgen das Formel-1-Rennen“, sagt Kühmstedt und zeigt auf das Foto des Yas Hotels. Von der Brücke zwischen den beiden Hotelkomplexen aus haben die Herrscher beste Sicht auf die Rennstrecke.

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