„Mitte der Neunzigerjahre hätte ich diese Maßnahmen noch akzeptiert, aber heute nicht mehr“, sagt der Experte. „Wenn ein Motor zu stark belastet wird, dann erkennt das heute der Bordcomputer. Die heutige IT könnte die Abgasreinigung intelligent abschalten, also wenn es wirklich erforderlich wäre.“
Doch die Gesetze bieten den Autobauern Schlupflöcher. Und wer die Abgasreinigung zulasten der Umwelt früher abschaltet, kann dem Verbraucher bessere Werte bei Beschleunigung und Verbrauch versprechen.
Wie die Adblue-Technik funktioniert
Verbrennt Diesel in Motoren, entstehen Rußpartikel und Stickoxide. Die Partikel dringen in die Lunge ein und können Krebs verursachen, Stickoxide reizen die Schleimhäute der Atemwege und Augen und erhöhen das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sie fördern zudem die Ozonbildung. Damit möglichst wenig der Schadstoffe in die Umwelt gelangt, werden in modernen Fahrzeugen die Abgase in zwei oder drei Stufen gereinigt – zumindest in der Theorie.
Ist die Verbrennungstemperatur im Motor hoch, entstehen wenig Partikel, aber viel Stickoxide. Bei niedrigen Temperaturen ist es umgekehrt.
Der erste Katalysator filtert rund 95 Prozent der Rußpartikel heraus.
Sensoren messen die Stickoxidkonzentration im Abgas. Die Kontrolleinheit spritzt entsprechend Adblue (Harnstofflösung) in den zweiten Katalysator.
Das Adblue reagiert im zweiten Katalysator – das Verfahren heißt selektive katalytische Reduktion (SCR) – zu harmlosem Wasser und Stickstoff. Mehr als 95 Prozent der Stickoxide werden so entfernt.
Nicht alle modernen Dieselfahrzeuge verfügen über die effektive, aber teure Adblue-Technik. Eine Alternative ist der NOx-Speicherkatalysator. Darin werden auf Edelmetallen wie Platin und Barium die Stickoxide gespeichert. In regelmäßigen Abständen wird der Speicherkatalysator freigebrannt, dabei werden die Stickoxide zu unvollständig verbrannten Kohlenwasserstoffen – und/oder Kohlenstoffmonoxid – weiter reduziert. Zum Teil werden auch SCR- und NOx-Speicherkatalysatoren kombiniert – wie etwa im BMW X5.
Denn die Abgasreinigung geht immer zulasten der Motorleistung. Beispiel Abgasrückführung (AGR): Bei dieser Variante wir schmutziges Abgas zurückgeführt und quasi ein zweites Mal verbrannt. Das belastet die Ventile und geht auf Kosten des Verbrauchs und der Leistung. Wenn man die AGR abschaltet, kann das Auto also schneller fahren und zügiger beschleunigen. Das freut den Fahrer, geht aber zu Lasten der Umwelt. Es werden mehr Emissionen ausgestoßen.
Beispiel NOx-Speicherkatalysator: Der wirkt wie ein Schwamm, der Stickoxide aufnimmt. Irgendwann ist der voll, in der Regel so nach ein bis zwei Minuten. Man muss den Schwamm also „auswringen“. Technisch funktioniert das so, dass man den Motor drei bis vier Sekunden lang unter Luftmangel fährt. So entsteht Kohlenmonoxid, das die Stickoxide neutralisiert. Danach können in dem NOx-Speicherkatalysator wieder Stickoxide aufgenommen werden. Allerdings führt der Luftmangel dazu, dass der Kraftstoffverbrauch ansteigt, während die Motorleistung abnimmt.
Aus diesem Grund suchen die Konzerne nach Wegen, wie sie die gesetzlichen Vorgaben umschiffen können. „Alle Autohersteller haben ein Interesse, die Abgasreinigung abzustellen oder zu reduzieren“, sagt der Experte. Außerdem vermeiden sie so, dass die Abgassysteme selber nicht so schnell verschleißen. „Wenn ein Abgassystem nicht läuft, kann es auch nicht kaputt gehen.“ Offiziell argumentieren die Hersteller natürlich immer mit den Motorschutz.