Der weltgrößte Chemiekonzern BASF hat seine Prognose für das Geschäftsjahr 2016 trotz der tödlichen Explosion vom 17. Oktober und der damit verbundenen Produktionsausfälle bestätigt. Zwar belasteten die Einschränkungen bei Logistik und Versorgung das Ergebnis des Geschäftsjahres, teilte das Unternehmen am Donnerstag in Ludwigshafen mit. „Sie führen jedoch nicht zu einer Änderung des Ausblicks 2016 für die BASF-Gruppe.“ Im dritten Quartal brachen Umsatz und Gewinn wie erwartet vor allem wegen der Abgabe des Gashandels- und -speichergeschäfts ein.
Am Montag vergangener Woche war es am Standort Ludwigshafen im sogenannten Landeshafen Nord zu einer Explosion und mehreren Bränden gekommen. Drei Menschen starben, 30 wurden verletzt. Die Ermittler vermuten, dass es zu dem Unglück kam, als ein Mitarbeiter einer Fremdfirma eine falsche Rohrleitung anschnitt. Darin floss Raffinat, das sich entzündete. Zur gleichen Zeit liefen Wartungsarbeiten an einer Nachbarleitung. Der mutmaßliche Urheber des Unglücks konnte noch nicht befragt werden. Er liegt schwer verletzt im Krankenhaus.
Angesichts des Explosionsunglücks sieht die BASF keine Mängel in der Sicherheit. „Unsere Anlagen sind in einem zuverlässigen Zustand“, sagte BASF-Werksleiter Uwe Liebelt am Donnerstag bei einer gemeinsamen Sondersitzung dreier Ausschüsse des Landtags Rheinland-Pfalz in Mainz. „Dieser Standort hat in den letzten zehn Jahren eine Investitionswelle erlebt.“ Er räumte ein, dass es in diesem Jahr mit 16 Vorfällen mehr als in den Vorjahren gegeben habe, wie zum Beispiel der Einsatz der Werksfeuerwehr, auch bei einem Fehlalarm. Der Hauptgrund sei eine hohe Zahl turnusmäßiger Abstellungen von Anlagen für Inspektionen und das Anfahren neuer Anlagen.
Die BASF
Der Chemiekonzern BASF beschäftigte Ende 2015 weltweit mehr als 112.000 Menschen. Gegründet wurde das Unternehmen 1865 vom Leuchtgasfabrikanten Friedrich Engelhorn mit Partnern. Die Aktiengesellschaft „Badische Anilin- & Soda-Fabrik“ (BASF) sollte aus Steinkohlenteer synthetische Farbstoffe gewinnen. Es folgte der Aufstieg zum weltgrößten Chemiekonzern. Die Bandbreite der BASF reicht heutzutage von Chemikalien, Kunststoffen, Veredlungsprodukten und Pflanzenschutzmitteln bis zu Öl und Gas. Vorstandschef ist seit 2011 Kurt Bock.
Weil die über den Landeshafen laufenden Versorgungsleitungen wegen des Unglücks unterbrochen wurden, fuhr die BASF eine Reihe von Anlagen herunter, darunter die beiden Steamcracker, in denen mit Dampf Rohbenzin aufgespalten wird. Seit Freitag werde teilweise wieder produziert. Auch andere Anlagen sollen nach und nach starten.
Derzeit seien an dem Standort noch acht Anlagen komplett heruntergefahren, 50 seien in Teilbetrieb von insgesamt 200, sagte Vorstandschef Kurt Bock am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Das führe derzeit in Ludwigshafen zu Umsatzrückgängen von zehn bis 15 Prozent am Tag. BASF sei aber bei vielen Produkten lieferfähig, betonte Bock. Zum erwarteten finanziellen Schaden äußerte sich der Vorstand nicht. Dieser sei aber in dem erwarteten Umfang versichert. BASF erzielt derzeit mit Produkten, die am Standort Ludwigshafen produziert werden, einen Umsatz von rund 6,5 Milliarden Euro im Jahr.
Steamcracker
Ob Hüftprothesen, Trinkhalme oder Klarsichthüllen: In den Steamcrackern werden die Bausteine unseres von Kunststoffen geprägten Alltags produziert. Die englische Bezeichnung lässt sich am besten mit „Dampfspalter“ übersetzen.
Um Kunststoffe wie Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) herzustellen, braucht die Chemieindustrie kurzkettige Kohlenwasserstoffe. Im Rohbenzin kommen diese aber vor allem in langen Ketten vor. In Steamcrackern wird das Rohbenzin daher mit Dampf vermischt und unter Druck auf eine Temperatur von etwa 850 Grad Celsius erhitzt. Die Kohlenwasserstoffketten werden dadurch gespalten, also „gecrackt“. Während des Vorgangs entstehen mehrere Spaltprodukte, die anschließend weiterverarbeitet werden. Die Steamcracker sind mitunter mehrere Fußballfelder groß und bilden das Herzstück vieler Chemieunternehmen.
„Von einer stabilen Rohstoffversorgung, geordneten Betriebsabläufen und reibungslosen logistischen Prozessen sind wir leider noch ein ganzes Stück entfernt“, sagte Werksleiter Uwe Liebelt in der BASF-Mitarbeiterzeitung. „Das liegt vor allem daran, dass uns der Nordhafen auf längere Zeit fehlen wird.“ Die Staatsanwaltschaft hat den Unglücksort beschlagnahmt, zudem müssen die zerstörten Leitungen repariert werden.
Für das Gesamtjahr erwartet der Konzern weiter, dass der Umsatz (2015: 70,5 Milliarden Euro) wegen der Abgabe des Gashandelsgeschäfts „deutlich“ zurückgeht. Das operative Ergebnis (Ebit vor Sondereinflüssen) dürfte „leicht“ und damit um bis zu zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen. 2015 hatte der Konzern operativ 6,74 Milliarden Euro verdient.
Das haben die einzelnen BASF-Sparten 2015 erwirtschaftet
Mit der Chemikalien-Sparte hat der Industriekonzern in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 20 % des Gesamtumsatzes von 56,6 Milliarden Euro erzielt. Das macht 23 % des operativen Ergebnisses (Ebit) aus, welches im gleichen Zeitraum bei 5,9 Milliarden Euro lag.
Zeitraum: Januar bis September 2015
Quelle: Unternehmen
Katalysatoren, Lacke und andere Industrieprodukte haben 2015 25 % des Umsatzes ausgemacht. Der Anteil am Gewinn vor Zinsen und Steuern lag allerdings nur bei 22 %.
Durch Performance Products aus der Spezialchemie wurden im vergangenen Jahr 21 % des Gesamtumsatzes erzielt. Der Anteil am operativen Ergebnis lag bei 20 %.
22 % des Umsatzes von BASF gehen auf die Sparte Öl und Gas zurück. Das macht 21 % des operativen Ergebnisses aus.
Immerhin 8 % des Umsatzes des Industrieriesen gehen auf die Sparte Pflanzenschutz zurück. Der Anteil am operativen Ergebnis liegt damit bei 16 %.
Sonstige Sparten von BASF erzielten 4 % des Gesamtumsatzes für das Unternehmen. Dadurch ging das operative Ergebnis 2014 um 12 % zurück.
Von Juli bis Ende September hinterließen vor allem die fehlenden Erdgashandelsaktivitäten tiefe Spuren in der BASF-Bilanz. Im Zuge eines Tausches hatte BASF ihr Gashandels- und Gasspeichergeschäft an den russischen Energieriesen Gazprom abgegeben. Der Umsatz schrumpfte um ein Fünftel auf 14 Milliarden Euro. Das Ebit brach um 22 Prozent auf knapp 1,5 Milliarden Euro ein. Bereinigt um Einmaleffekte ging das operative Ergebnis um 5 Prozent auf gut 1,5 Milliarden Euro zurück. Der Gewinn sank um 27 Prozent auf 888 Millionen Euro.