Das vertrackte an der A400M-Misere: Die Pannen und Verzögerungen beim A400M-Projekt haben gleich mehrere Ursachen und daran tragen sowohl Airbus als auch die Auftraggeber-Länder Deutschland, Frankreich, Spanien und das Vereinigtes Königreich die Schuld dafür – in zwar in erheblichem Maße.
1. Hohe Anforderungen
Von Beginn an waren die Anforderungen an den A400M-Flieger enorm. Als eierlegende Wollmilchsau sollte der Alleskönner nicht nur auf besseren Waldwegen landen und extreme Manöver abkönnen wie sehr enge Kurven oder steile Landungen der Gattung „kontrollierter Absturz“.
Besonders Deutschland und Frankreich wollten, dass die Wundermaschine sowohl besonders langsam und tief fliegen kann als auch besonders schnell und hoch. Und sie wollten den Panzertransporter nicht nur im Flug betanken können, sondern auch als fliegende Tankstelle für andere Maschinen wie Kampfjets nutzen.
Das all diese Eigenschaften schwer zu vereinen – und damit kostspielig sind, schien die Planer nicht zu stören. Sie setzten sogar immer noch eins drauf.
2. Geburtsfehler
Die Staaten wollten nicht nur Geld geben, sondern auch möglichst viele Arbeitsanteile und Jobs in ihre Länder holen – egal ob ihre heimischen Firmen dafür gerüstet waren oder nicht.
Statt etwa auf das Triebwerk eines erfahreneren kanadischen Anbieters zu setzen, verordneten die Auftraggeber ein pan-europäisches Konsortium. Die beteiligten Firmen waren ab zuvor allesamt auf Jets spezialisiert. Erfahrung mit Propeller-Triebwerken: Gleich Null. „Das musste ja zu Problemen führen“, urteilt Heinz Schulte, Chef des Informationsdienstes Griephan und deutscher Rüstungsexperte.
Als die TP400-Triebwerke nicht fertig wurden, wiesen sich die Unternehmen erst mal gegenseitig die Schuld zu, bevor sie das Problem lösten.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
3. Nachbesserung
„Die Auftragsvergabe bei der Bundeswehr erfolgt nach einem fatalen Grundprinzip: Ich bestelle, und danach beginne ich an den Spezifikationen zu schrauben, nach und neu zu verhandeln. Die Komplexität wächst ins Unermessliche“, erklärt der Militärexperte und Unternehmensberater Michael Santo im Interview mit der WirtschaftsWoche. Schon eine kleinere Änderung, ein neuer Adapter, ein neuer Anschluss, eine verbesserte Software kann schließlich große Änderungen nach sich ziehen.
Da macht der A400M keine Ausnahme, zumal nicht nur die Deutschen immer mehr technische Neuerungen forderten. Die meisten waren für sich genommen zwar klein. Am Ende aber summierten sie sich und schlossen sich teilweise sogar aus.
4. Managementfehler
Dass sich EADS (heute Airbus) ohne allzu großen Widerspruch auf die Forderungen und Verbesserungswünsche einließ zeigt, dass auch das Management überfordert war. In ihrer Euphorie, endlich ein großes europaweites Vorzeigeprojekt auf die Beine gestellt zu haben, unterschrieben die Verantwortlichen einen Liefervertrag, der in vielen Bereichen zum Nachteil des Unternehmens war. „Im Grunde galt: Der Kunde darf alles, vor allem ändern – und wir nichts, außer das Risiko tragen“, lästert ein EADS-Manager heute.
5. Bürokratie
Bei der Zulassung agiert die Bundeswehr deutlich umständlicher als andere und akzeptiert auch kleinere Fehler nicht. Hier nehmen andere Armeen ein Provisorium hin, wenn dies aus Sicht der Truppe keinen Einfluss auf die Einsatztauglichkeit oder die Sicherheit hat. Als Beispiel nennen Insider den Umgang mit einem anderen dem – ebenfalls verspätet und deutlich teurer gelieferten – neuen Hubschrauber-Modell.
Als sich im Einsatz herausstellte, dass besonders in Wüstenregionen die Kabel nicht widerstandsfähig genug waren umwickelten die französischen Streitkräfte die Leitungen mit besonders festem Panzerband, das sie bei Anzeichen von Verschleiß austauschten. Die Deutschen hingegen warteten mit der Übernahme bis die Tochter Airbus Helicopters eine dauerhafte Lösung gefunden hatte.
Mit Material von dpa.