Big Data Wer die Zahlen hat, hat die Macht

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Die dunkle Seite der Längsschnittdaten

Das ist die dunkle Seite der Längsschnittdaten, die mich ansonsten so begeistern.

Intelligenztests wie der nach Myers-Briggs oder der Stanford-Binet-Test werden schon lange von Arbeitgebern, Schulen und dem Militär eingesetzt, um Bewerber zu beurteilen. Man setzt sich hin, gibt sein Bestes, und wird entsprechend eingeordnet.

Und meistens macht man ja freiwillig mit. Doch immer öfter unterzieht man sich unfreiwillig solchen Tests, indem man seinen Alltag lebt und jedem Interessenten die Ergebnisse zur Verfügung stehen – mit entsprechenden Folgen für den Betroffenen.

Das sind die Typen des Myers-Briggs-Typenindikators

Gefährlich wird es, wenn man dem Arbeitgeber schon im Voraus seinen IQ preisgegeben hat, ohne es zu wissen und zu wollen. Wenn potenzielle Arbeitgeber tatsächlich anfangen, mit Algorithmen herauszufinden, wie intelligent Sie sind oder ob Sie Drogen nehmen, bleibt Ihnen nur noch, das System zu manipulieren.

Um die Maschine zu schlagen, müssen Sie also wie eine Maschine handeln, was bedeutet, dass die Maschine Sie geschlagen hat. Und auch das funktioniert ja nur, wenn Sie erraten können, wie Sie sich verhalten müssen, um einen guten Eindruck zu machen.

Was Big Data im Personalwesen kann

Es heißt zum Beispiel in dem betreffenden Forschungsbericht, eines der stärksten Anzeichen hoher Intelligenz sei, wenn man Curly Fries, also gewellte Pommes frites, mit „Gefällt mir“ anklicke. Wer soll denn auf so was kommen?

Sie denken, Ihre sexuelle Orientierung ist Privatsache? Schade, Google weiß es längst.

Vor ein paar Jahren entwickelten einige Studenten am Massachusetts Institute of Technology als Seminarprojekt für Facebook ein „Gaydar“, also ein „Schwulenradar“. Das Programm lernte schnell zu erkennen, dass ein bestimmtes Verhältnis homo- und heterosexueller Freunde im digitalen Bekanntenkreis ein belastbarer Indikator der sexuellen Orientierung war; über den Betreffenden selbst brauchte man gar nichts weiter zu wissen.

Nachdem die Studenten das Programm anhand der Profile von Facebook-Nutzern mit bekannter sexueller Orientierung trainiert hatten, konnte es in 78 Prozent der Fälle zutreffend voraussagen, ob ein Nutzer homosexuell war, einfach anhand seines sozialen Graphen. Das ist eine sehr hohe Quote gegenüber derjenigen, die zu erwarten wäre, wenn das Programm nur blind herumriete. Die läge bei ... hmmm also, vielleicht ... zehn Prozent? Zwei Prozent? Acht?

Und darum geht es auch im Grunde – teilweise wurde dieses Programm auch deswegen geschrieben, weil niemand weiß, wie viele Schwule es da draußen eigentlich gibt. Inzwischen können wir auf anderem Weg einen genaueren Wert bekommen, und das ist durchaus wichtig, denn, wie es in einer Studie geradeheraus heißt, „diese Arbeit kann als politische Richtlinie dienen“.

Sämtliche Präsidentschaftswahlen seit 1952 bis auf vier Stück hätten dem Unterlegenen den Sieg beschert, wenn sich nur fünf Prozent der Wähler anders entschieden hätten, also ist die Frage, ob eine bestimmte Gruppe ein, fünf oder zehn Prozent der Bevölkerung stellt, äußerst wichtig für die Politik.

Nun ist es für die Rechte der Homosexuellen unerheblich, wie viele sie sind – selbst wenn es nur einen Schwulen oder eine Lesbe im ganzen Land gäbe, verdiente er oder sie die gleichen Rechte wie alle anderen –, aber für die Berücksichtigung bei politischen Entscheidungen ist die zahlenmäßige Stärke einer Interessengruppe, das ist politische Realität, sehr wohl wichtig. Bei einer historisch so stigmatisierten Gruppe ist eine große Anzahl auch eine Unterstützung für den Einzelnen, dessen Stimme nicht gehört wird. Die Zahl sagt: Ich bin hier.

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