Jahrelange Versäumnisse Warum die Bundeswehr auf einem Haufen Schrott sitzt

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Geburtsfehler und Probleme bei Gemeinschaftsprojekten

Beispiel A400M: Der dringend benötige Nachfolger der Transall ist seit vier Jahren überfällig. Im Winter diesen Jahres soll Deutschland zwar endlich das erste Exemplar bekommen. Doch der Flieger bereitet offenbar noch immer Probleme. Zudem übersteigen Entwicklung und Herstellungskosten den Plan schon jetzt um einen Milliardenbetrag. Ursula von der Leyen geht öffentlich auf Konfrontationskurs, zetert wegen der verspäteten Lieferung und droht dem Hersteller Airbus wegen der  „Minderleistungen” gar mit einem Abnahmestopp.

Die Problem-Projekte der Rüstungsindustrie
Airbus A400MEs sollte das Vorzeigeprojekt von Airbus (früher EADS) werden: Mit dem Transportflugzeug A400M wollten die Europäer den Russen und Amerikanern zeigen, zu welchen technischen Fähigkeiten sie in der Lage sind. Herausgekommen ist ein Desaster. Die Auslieferung der ersten Maschinen war für 2009 geplant, geliefert wurde allerdings bisher kaum eine Maschine. Die Franzosen haben derzeit zwei Maschinen in ihrem Besitz, Deutschland soll 2014 den ersten A400M erhalten.Quellen: Bund der Steuerzahler, HRI, Bundesverteidigungsministerium Quelle: dpa
Die Verzögerungen in der Produktion haben auch die Kosten in die Höhe getrieben. So sollen die Mehrkosten laut Verteidigungsministerium satte 9,3 Milliarden Euro betragen – obwohl die Bundesregierung bereits die Notbremse gezogen hat und Flieger abgestellt hat: Von den ursprünglich bestellten 73 Maschinen sollen der Bundeswehr nun nur noch 40 zur Verfügung gestellt werden. Weitere 13 will Deutschland direkt weiterverkaufen. Käufer wurden bisher allerdings noch nicht gefunden. Quelle: AP
EurofighterDie Anfänge des Kampffliegers „Eurofighter“ gehen bis in die frühen 80er-Jahre zurück. Mit ihm wollten die Europäer den übermächtigen sowjetischen Kampfjets etwas entgegensetzen. Doch auf dem Weg der Entwicklung kam Airbus die Geschichte in die Quere. Denn Ende der 80er-Jahre fiel zunächst die Berliner Mauer, später brach die Sowjetunion zusammen. Doch alles kein Problem: Mit großem Verhandlungsgeschick gelang es Airbus die Regierungen in Europa davon zu überzeugen, an dem Projekt festzuhalten. Quelle: obs
So sicherte der Rüstungskonzern zu, dass der Eurofighter im Laufe der Jahre immer weiter modifiziert werde und so den neuen Rahmenbedingen angepasst werde. Allerdings zeigten die ersten ausgelieferten Jets etliche technische Probleme, deren Behebung weitere Kosten verursachten. Ursprünglich sollte eine Maschine circa 33 Millionen Euro (Preis von 1998) kosten, am Ende schoss der Preis auf 138,5 Millionen Euro in die Höhe. Die Bundeswehr nimmt daher nur noch 140 von ursprünglich geplanten 250 ab. Doch es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Eurofighter trotz aller Probleme ein durchaus konkurrenzfähiges Flugzeug ist. Dies zeigte sich 2005 in einem „Schaukampf“, bei dem zwei amerikanische F-15-Kampfjets gegen eine Eurofighter-Trainingsmaschine antraten und zu Überraschung aller Beteiligten der Eurofighter dieses Gefecht klar für sich entscheiden konnte. Quelle: dpa
NH 90Der Mehrzweckhubschrauber von NH Industries sollte das Rückgrat der deutschen beziehungsweise europäischen Hubschrauberflotte werden. 2010 erhielt die Bundeswehr die ersten Helikopter, die von einer Expertengruppe eingehend getestet wurden. Ihr Urteil war vernichtend. Sie kamen zu dem Schluss, dass, wann immer es möglich sei, alternative Luftfahrzeuge zum Transport von Infanteriekräften zu nutzen seien. Die Mängelliste ist lang und skurril. Zum Beispiel ermöglicht die geringe Bodenfreiheit Soldaten nur auf befestigtem Boden den Ausstieg. Außerdem ist die Heckrampe nicht für den Ausstieg ausgerüsteter Soldaten geeignet, da deren Konstruktion zu schwach ist. Doch das noch lange nicht alles... Quelle: dpa
Der Innenraum des NH90 ist derart eng bemessen, dass eine Infanteriegruppe mit Gepäck für 24 Stunden nur dann in den Hubschrauber passen würden, wenn sie ihre Waffen und das Gepäck ohne Sicherungen auf den Boden legen. Diese Beengtheit macht eine Anbringung eines Bordgeschützes außerdem praktisch unmöglich, weshalb der Helikopter im Ernstfall mit anderen Mitteln verteidigt werden müsse. Zu guter Letzt können schwere Waffen aufgrund fehlender Gurte nicht transportiert werden. Ursprünglich waren 122 NH 90 geordert worden, letztlich werden es Stand jetzt circa 100 werden. Kostenpunkt: 8,6 Milliarden Euro. Immerhin gibt es zu diesem Preis weitere Kampfhubschrauber im Paket... Quelle: dpa
TigerUnd zwar 57 Kampfhubschrauber Tiger. Die Pläne für die Eurocopter-Maschine reichen bis in das Jahr 1984 zurück. Zusammen mit der französischen Regierung gab die Bundesregierung eine Alternative zum PAH-1 in Auftrag. Dieser ging an Eurocopter (Airbus) mit dem Entwurf des Tigers. Dieser Mehrzweck-Kampfhubschrauber sollte in Konkurrenz zum amerikanischen Apache treten. Quelle: REUTERS

Für Branchenkenner stellt sich die Situation freilich weniger einseitig dar. „Da kann sich das Ministerium nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagt Militärexperte und Unternehmensberater Michael Santo. „Denn die Auftragsvergabe bei der Bundeswehr erfolgt nach einem fatalen Grundprinzip: Ich bestelle, und danach beginne ich an den Spezifikationen zu schrauben, nach und neu zu verhandeln. Die Komplexität wächst ins Unermessliche.“

Gezielte Vergabe an europäische Unternehmen

Für viele Militärexperten hatte schon die Bestellung des Transportfliegers einen Geburtsfehler. Die A400M ist ein Gemeinschaftsprojekt: Am Entwurf waren neben Deutschland auch Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich beteiligt. Das Konsortium wünschte sich offenbar ein Prestigeobjekt, das in europäischer Eigenregie entsteht. „Statt auf das Triebwerk eines erfahreneren kanadischen Anbieters zu setzen, haben die Regierungen entschieden, Airbus ein neues entwickeln zu lassen“, sagt Schulte. „Das musste ja zu Problemen führen.“

Tatsächlich machten in der Vergangenheit vor allem die Triebwerke Schwierigkeiten. Plötzlich tauchten etwa  Metallspäne im Ölkreislauf einer der Antriebseinheiten auf. Und allein weil  Luftfahrtexperten die Überwachungssoftware nicht zulassen wollten, verzögerte sich die Auslieferung um ein volles Jahr.

Probleme bei Gemeinschaftsprojekten sind keine Seltenheit. Die gibt es auch beim Langzeitproblem Tiger-Hubschrauber: Wegen den zahlreichen Verzögerungen, Problemen und einer veränderten Bedarfslage reduzierte die Bundeswehr 2013 ihre Bestellung. Statt der ehemals georderten 80 Tiger braucht die Armee nur 57 Exemplare. Das klingt sinnvoll und birgt Sparpotenzial, sollte man meinen.

Doch der Tiger ist kein Projekt eines einzigen Unternehmens, auch wenn Airbus Helicopters die Federführung übernommen hat. Hersteller aus ganz Europa liefern Einzelteile zu – in unterschiedlicher Geschwindigkeit. „Weil die Italiener die hochkomplexen Kampfsitze bereits gefertigt haben, fordern sie für die geringere Bestellung eine hohe Ausgleichszahlung“, sagt Schulte. „Da muss man sich doch fragen, wie wirtschaftlich das noch ist.“

Abstimmung zwischen vielen Partnern

Aber nicht nur bei europäischen Gemeinschaftsprojekten sorgen die unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner und vor allem die Beteiligung mehrerer Unternehmen für Probleme und hohe Kosten.

Um nicht auf ein einzelnes Unternehmen angewiesen zu sein, lässt etwa die Marine ihre Flotte von verschiedenen Firmen produzieren. „Ein einzelner Einsatzgruppenversorger wird von einer Arbeitsgemeinschaft aus drei Werften hergestellt“, sagt Schulte. „Das würde natürlich kein Schiffbauer in der Privatwirtschaft machen.“

Die Beteiligung mehrere Produzenten treibt die Kosten in die Höhe. Der Stückpreis der von gleich vier Werften produzierten Fregatte 125 hat sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Viel zu teuer, sagen Kritiker. 

Abstimmungsprobleme zwischen den Werften und Produktionspannen haben die Auslieferung zudem verzögert. Ursprünglich sollten die Schiffe ab 2014 in Dienst gestellt werden. Der Termin wurde immer wieder verschoben. Immerhin: Mittlerweile ist die erste F125 vom Stapel gelaufen. Die anderen werden in einigen Jahren folgen.

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