Nach Dieselgate Wie VW der Wandel gelingen soll

Flache Hierarchien, das Elektroauto als Markenzeichen – Konzernchef Müller will VW nach dem Rekordverlust neu aufstellen. Doch die Aufarbeitung des Dieselskandals bleibt die große Herausforderung.

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VW will den Wandel nach dem Dieselskandal ohne krasse Einschnitte bei der Stammbelegschaft bewältigen. Quelle: dpa

Wolfsburg/Berlin Der stockende Diesel-Rückruf und die Milliardenkosten der Abgaskrise zwingen Volkswagen zum Umsteuern an mehreren Fronten. Angesichts massiver Probleme bei der Umrüstung des Passat holt der Konzern nun nach ersten Modellen des Pick-ups Amarok als nächstes den Golf in die Werkstätten. „Die Entscheidung ist heute Morgen gefallen“, sagte VW-Chef Matthias Müller am Donnerstag bei der Bilanzvorstellung in Wolfsburg mit Blick auf eine Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Im Unternehmen wächst zudem der Druck, trotz eines verschärften Sparkurses mehr Mittel in Zukunftsthemen wie Elektromobilität, Umweltschutz und neue Dienstleistungen zu stecken.

Die VW-Limousine Passat hätte mit ersten Modellvarianten bereits von Ende Februar an für ein Software-Update zurückgerufen werden sollen. Doch einige Werte wären - anders als zugesagt - mit dem Update schlechter ausgefallen als zuvor. Welche Golf-Varianten nun den Vorzug bekommen, ist bisher ebenso unbekannt wie der Starttermin.

Müller erklärte, VW müsse trotz der angespannten Finanzlage bei den Umwälzungen der Autoindustrie vorn mitspielen: „Das Auto der Zukunft ist effizienter, intelligenter, komfortabler und sicherer als jemals zuvor. Es fährt elektrisch und in einigen Jahren auch autonom.“ Finanzchef Frank Witter räumte ein, dies sei eine herausfordernde Strategie: „Wir sehen steigenden Bedarf in Investitionen in neue Antriebs- und Mobilitätskonzepte, Urbanisierung und Digitalisierung. Gleichzeitig sehen wir aber auch die Notwendigkeit, die Investitionen nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zum Umsatz zu senken.“

Dazu gehört auch der Umwelt- und Klimaschutz. Im Ringen um eine Einigung mit den US-Behörden rechnet VW mit Milliardenkosten für „grüne“ Projekte in den Vereinigten Staaten. Dafür veranschlagt der Konzern rund 1,8 Milliarden Euro. Bei dem Budget gehe es um „mögliche Investitionen in Umweltprojekte und die Elektromobilität“, heißt es im Geschäftsbericht. „Inhalt sowie zeitliche Verteilung der Investitionen sind derzeit noch unbestimmt.“

Neue Dienstleistungen in der Mobilität sollen außerdem in einer neuen Tochterfirma umgesetzt werden. Hierzu solle „in Kürze ein rechtlich eigenständiges, konzernübergreifendes Unternehmen“ entstehen, kündigte Müller an. Auch andere Autohersteller wollen ihre Mobilitätsangebote wie Car-Sharing oder die Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern deutlich ausbauen.

Müller sprach von einem „epochalen Wandel“ in der Autoindustrie. Dazu zählen auch alternative Antriebe wie Elektromotoren, selbstfahrende Autos und die Digitalisierung mit immer mehr Internet im Fahrzeug. Den klassischen Autoherstellern droht in diesem neuen Geschäft auch Konkurrenz von Internetriesen wie Apple und Google. Eine Zusammenarbeit mit den Internet-Riesen gebe es aber nicht. „Wir unterhalten uns nicht mit Apple und Google“, sagte Müller


Fürstliches Gehalt für Winterkorn

VW will sich bei Zukunftsthemen mehr für Partnerschaften und strategische Beteiligungen öffnen. „Die Zeiten, in denen unsere Branche sich abgeschottet hat, gehören endgültig der Vergangenheit an“, sagte Müller. „Berührungsängste, Alleingänge oder die Illusion, alles besser zu wissen und zu können, werden nicht ans Ziel führen.“

Volkswagens Ex-Chef Martin Winterkorn muss wegen der Abgaskrise derweil finanziell deutlich Federn lassen. Der Ende September 2015 zurückgetretene Manager, dessen Vertrag aber noch bis Ende 2016 weiterläuft, erhält für das vergangene Jahr noch 7,3 Millionen Euro. 2014 hatte Winterkorn noch fast 16 Millionen Euro kassiert - und war mit Abstand höchstbezahlter Manager aller Dax-Konzerne gewesen.

Das Gehaltsminus liegt vor allem an der gesunkenen mehrjährigen variablen Vergütung, die ein Teil des Vorstands-Salärs ist. Neuer Spitzenverdiener im Volkswagen-Vorstand ist nun der Chef der schweren Nutzfahrzeuge, Andreas Renschler, mit fast 15 Millionen Euro. Er war im Winter 2015 von Daimler in den VW-Konzern gewechselt.

Eine nach wie vor wichtige Stütze ist das China-Geschäft. Im Reich der Mitte strich VW auch 2015 wieder gut 5 Milliarden Euro ein. „Wir tun alles, um unsere Position in China in einem immer härteren Wettbewerb zu behaupten“, sagte Müller. Bei der ohnehin renditeschwachen Kernmarke VW-Pkw drücken hohe Werbekosten infolge der Abgas-Affäre die Ertragskraft. Trotzdem wolle man im laufenden Geschäftsjahr wieder angreifen. „Wir gehen davon aus, dass wir 2016 mit einem Gewinn abschließen werden“, sagte Finanzvorstand Frank Witter

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