Neue Klage gegen VW Die Allzweckwaffen der US-Behörden

US-Behörden sind kreativ, wenn es darum geht, Unternehmen zu belangen. Gegen Volkswagen bringt das Justizministerium jetzt ein Gesetz in Stellung, das eigentlich für Banken gedacht ist. Die wichtigsten Fragen zum Fall.

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Das US-Justizministerium hat offenbar ein neues Gesetz gefunden, das gegen Volkswagen in Stellung gebracht werden kann. Quelle: AP

New York Der Skandal um gefälschte Abgas-Werte bei Volkswagen weitet sich aus. Das US-Justizministerium setzt nun ein Gesetz gegen den Konzern ein, das eigentlich für Banken gedacht ist, heißt es in einem bisher noch nicht bestätigten Bericht des „Wall Street Journal“. Die Behörde hat dem Konzern offenbar bereits eine entsprechende Vorladung geschickt. Damit tut sich für den Wolfsburger Konzern eine weitere juristische Front auf. Die Summe der möglichen Bußgelder könnte sich damit noch weiter erhöhen. VW hat bereits Milliarden für mögliche Folgekosten zurückgestellt. Das Ministerium wollte den Bericht nicht kommentieren.

Ausgelöst wurde der Skandal durch eine Untersuchung, die zeigte, dass eine spezielle Software bei Abgas-Tests in den USA systematisch die Werte geschönt hat.

Um was für ein Gesetz handelt es sich?

Das Gesetz heißt „Financial Institution Reform Recovery and Enforcement Act“, abgekürzt Firrea. Es wurde 1989 nach der amerikanischen Sparkassen-Krise geschaffen, wie die Anwaltskanzlei Jones Day schreibt. Sein Ziel ist, Finanzbetrug besser bekämpfen zu können. Nach der Finanzkrise 2008 wurde es wiederentdeckt und gegen Banken eingesetzt, die Investoren beim Verkauf von verbrieften Immobiliendarlehen getäuscht hatten.

Warum wird ausgerechnet dieses Gesetz verwendet?

Laut Jones Day können die Behörden unter Firrea Bußgelder „für jeden Betrug im Zusammenhang mit bestimmten Finanz-Institutionen“ verhängen. Die Einsatzmöglichkeit ist also besonders weit gefasst. Außerdem ist es, anders als bei strafrechtlichen Verfahren, nicht nötig, den Sachverhalt „jenseits vernünftigen Zweifels“ nachzuweisen. Es reicht ein „Übergewicht der Beleggründe“.

Kurz gesagt, Firrea ist eine flexibel einzusetzende Allzweckwaffe. Das Gesetz wurde bisher schon in Fällen der Absatz-Finanzierung bei Autoverkäufen eingesetzt. Neu ist aber offenbar, es in diesem Zusammenhang in einem Fall einzusetzen, der mit den Autos selbst zu tun hat und gar nicht direkt mit der Art der Finanzierung.


Bußgelder können sich addieren

Wieso setzen die Behörden ein so weit her geholtes Gesetz ein?

US-Juristen sind sehr erfinderisch, vor allem, wenn sie sich einmal auf ein Unternehmen eingeschossen oder auf einen bestimmten Sachverhalt fokussiert haben. Der Generalstaatsanwalt des Staates New York etwa setzt gerne den „Martin Act“ aus den 20er-Jahren ein, der innerhalb des Bundesstaates ein Vorgehen gegen fast jede Art von „unfairen“ Markt-Praktiken ermöglicht. Das FBI bemüht im Streit mit Apple um das Knacken eines iPhones ein Gesetz aus dem 18. Jahrhundert.

Wie stimmen sich verschiedene Behörden bei Skandalen ab?

Häufig übernimmt bei großen Unternehmensskandalen das Justizministerium die Koordination. Anders als in Deutschland ist die Ministerin Loretta Lynch zugleich oberste Staatsanwältin der USA. Trotz dieser Koordination ist es aber normal, dass verschiedene Behörden parallel ermitteln und sich gegenseitig Konkurrenz machen. Oft schalten sich neben den Dienststellen des Bundes auch noch solche der einzelnen Bundesstaaten ein. Die Bußgelder und Schadenersatzforderungen addieren sich dann.

Wie hoch kann der finanzielle Schaden für VW werden?

Die zivilen Bußgelder sind meist Verhandlungssache. Die Erfahrungen aus dem Bankenbereich zeigen, dass die Höhe der Forderungen häufig nur schwer nachzuvollziehen ist und wohl auch damit zusammenhängt, wie viel Ärger der Skandal in Öffentlichkeit und der Politik ausgelöst hat. Im Laufe des Verfahrens werden die Summen meist heruntergehandelt. Dabei spielt oft eine Rolle, wie viel Einsicht das Unternehmen in das eigene Fehlverhalten zeigt.

Welche Verfahren laufen noch?

Wichtig ist zum Beispiel das zivile Verfahren der US-Umweltbehörde EPA. Daneben muss sich Volkswagen wahrscheinlich auch nach dem amerikanischen Unternehmensstrafrecht verantworten. Bei Anwendung des Strafrechts ist die Beweislast höher als bei zivilen Prozessen. Dafür muss das Unternehmen sich in der Regel offiziell schuldig bekennen. Hinzu kommen noch Zivilklagen von Autokäufern oder von Investoren, die sich durch VW getäuscht fühlen.

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