Neustart in den USA VW will wieder geliebt werden

Volkswagen will nach der Diesel-Krise die Liebe der Amerikaner neu entfachen. In Detroit tritt der Autobauer bescheiden auf. Doch neue Entwicklungen im Abgasskandal könnten zarte Erfolge gleich wieder vereiteln.

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„Wir wollen Amerikas Liebe für Volkswagen wieder entfachen.

Detroit Zwei Autos stehen auf der Bühne des „Garden Theater“ von Detroit. Mit dem neuen Atlas und dem speziell für die USA verlängerten Tiguan Allspace will Volkswagen seine Geländewagen-Offensive auf dem amerikanischen Automarkt einläuten – und die Dieselaffäre damit am besten gleich ganz vergessen lassen.

„We want to reignite America's Love for Volkswagen“, sagte Markenchef Herbert Diess – VW will Amerikas „Liebe“ für VW wieder entfachen. „We are here to stay“, sekundierte Amerika-Chef Hinrich Woebcken.

Es ist eine typische Veranstaltung, wie es sie bei jeder größeren Automesse zu Dutzenden gibt. Autohersteller mieten ein Theater, ein großes Restaurant oder ein Museum an, um ihre Produktneuheiten in einem besonderen Ambiente und eben nicht nur auf der Messe zu präsentieren. Insofern bewegt sich die Volkswagen-Veranstaltung auf der Detroit Motor Show in einem gewohnten Rahmen.

Trotzdem ist die VW-Präsentation mit Atlas und Tiguan Allspace zum Messeauftakt von Detroit in diesem Jahr etwas ganz Besonderes. Nach den vielen negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Dieselaffäre schaltet Volkswagen auf der wichtigsten amerikanischen Automesse einen Gang zurück, die neuen Autos werden bescheidener und zurückhaltender als in den Vorjahren präsentiert.

Üblich ist bei Volkswagen eigentlich ein Konzernabend, auf dem sich alle Marken des Unternehmens gemeinsam vorstellen dürfen. VW, Porsche und Audi treten dann zusammen auf, um so etwas wie einen Familienverbund zu demonstrieren. Doch in diesem Jahr ist in Detroit erstmals alles anders. Auf der Bühne des Garden Theaters stehen nur Fahrzeuge von Volkswagen, es ist der Markenabend von VW.

So bleibt an diesem Messe-Abend in Detroit die Premiumtochter Audi ausgesperrt. „An so etwas müssen wir uns erst einmal gewöhnen“, erzählt ein Audi-Manager. Jede einzelne Marke des Konzerns agiert heute eigenständiger, wie das Beispiel der Automesse in Detroit zeigt. Dazu gehört auch der kritische Blick auf die Kosten – und Audi hat sich aus Gründen einer neuen Sparsamkeit gegen einen eigenen Markenabend irgendwo in Detroit entschieden.

Dass es bei Volkswagen in Detroit keinen großen Konzernabend mehr gibt, hat auch mit der Dieselaffäre zu tun. Am Montag machte ein Bericht der „New York Times“ Schlagzeilen, nachdem die US-Bundespolizei FBI einen VW-Manager festgenommen hat. Ihm werde Verabredung zum Betrug vorgeworfen. Er soll demnach eine Schlüsselrolle bei der versuchten Vertuschung des Skandals gespielt haben. „Mit Blick auf laufende Untersuchungen äußern wir uns nicht dazu“, sagte ein VW-Sprecher am Montag. „Wir arbeiten weiter eng mit dem Justizministerium zusammen.“

Die „New York Times“ schreibt weiter, der Manager sei am Samstag in Florida verhaftet worden. Bereits an diesem Montag könne demnach in Detroit Anklage gegen ihn erhoben werden. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.


Heikle Verhandlungen mit den Behörden

Im vergangenen Jahr hatte Konzernchef Matthias Müller auf der Messe mit unglücklichen Äußerungen zum Abgasskandal für große Unruhe gesorgt. Er hatte einem Radiosender in einem Interview gesagt, VW habe die Behörden in den USA nicht angelogen, sondern nur deren Fragen zunächst nicht richtig verstanden.

Die Antworten sorgten weltweit für Empörung, weil Müller zunächst nicht zugeben wollte, dass Volkswagen wissentlich Motoren manipuliert hatte. VW musste im September 2015 zugeben, bei weltweit rund elf Millionen Autos die Abgasreinigung mit einer Software so zu steuern, dass die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide auf dem Prüfstand eingehalten wurden, nicht aber auf der Straße.

In diesem Jahr ist Müller gar nicht erst nach Detroit gekommen, sondern hat von vornherein der Marke Volkswagen den Vortritt überlassen. Vermeintliche Versprecher von Müller wie vor einem Jahr sind damit grundsätzlich schon einmal ausgeschlossen.

Stattdessen ist Volkswagen-Markenchef Diess nach Detroit gekommen. Dieser spricht lieber von den neuen Produkten wie Atlas und Tiguan Allspace als von der Dieselaffäre. Das ist unverfänglicher und kann auch keinen neuen Ärger mit der US-Justiz auslösen. Volkswagen verhandelt im Moment mit dem Justizministerium in Washington über ein milliardenschweres Bußgeld wegen der Dieselaffäre – und unbedachte Äußerungen auf der Motor-Show in Detroit sollen die aktuellen Verhandlungen nicht unnötig belasten.

Schon in der kommenden Woche könnte eine Einigung erzielt werden, die strafrechtlichen Ermittlungen beizulegen, schreiben US-Medien derzeit unter Berufung auf eingeweihte Kreise. Auch dies wollte eine VW-Sprecherin auf Nachfrage nicht kommentieren. Unklar ist den Berichten zufolge auch, ob VW im Rahmen des Vergleichs mit dem Justizministerium ein Schuldgeständnis abgeben werde, schreibt das „Wall Street Journal“. Den Quellen zufolge dürften dem Konzern Betrug und Irreführung von Regierungsbeamten zur Last gelegt werden. Der Kompromiss dürfte demnach neben strafrechtlichen weitere zivilrechtliche Bußgelder umfassen.

Volkswagen bemüht sich, die Auseinandersetzung mit dem US-Justizministerium noch vor Amtsantritt des künftigen Präsidenten Donald Trump am 20. Januar beizulegen. Gelingt Volkswagen eine Einigung mit dem US-Justizministerium, hätte der Konzern die ganz großen rechtlichen Auseinandersetzungen in den Vereinigten Staaten hinter sich gebracht.


Audi soll zum Vorbild werden

Das eigentliche Autogeschäft in den USA ist für Volkswagen allerdings auch nicht ohne. 2016 ging der Absatz der Marke VW um 7,6 Prozent auf knapp 323.000 Fahrzeuge zurück. Damit fristet sie auf dem zweitgrößten Automarkt der Welt nur ein Schattendasein, der Marktanteil liegt bei 1,8 Prozent. Viel zu wenig für einen Hersteller, der sich als Massenanbieter versteht und in Deutschland einen Marktanteil von etwa 20 Prozent erreicht.

Wegen der Dieselaffäre kommt der Rückgang in den USA immerhin nicht überraschend. Volkswagen hatte dort alle Dieselmodelle vom Markt genommen und damit automatisch für einen Rückgang gesorgt. Weltweit hat die Marke Volkswagen im vergangenen Jahr knapp sechs Millionen Autos verkauft, ein Plus von knapp drei Prozent, wie VW-Markenchef Diess in Detroit sagte.

Die Ingolstädter Premiumtochter Audi ist zwar auch von der Dieselaffäre betroffen, steckt den Abgasskandal in den USA jedoch wesentlich besser weg. Audi hat seine Verkaufszahlen im vergangenen Jahr auf dem amerikanischen Markt um vier Prozent auf 210.000 Autos steigern können. Die VW-Tochter profitiert dabei besonders von ihrem Image als eingeführter Premiummarke. Hervorragend aus Sicht des Volkswagen-Konzerns läuft es bei der Sportwagentochter Porsche. Das Stuttgarter Unternehmen hat 2016 in den USA einen neuen Verkaufsrekord erreicht. 54.000 verkaufte Autos bedeuten eine Steigerung von knapp fünf Prozent.

VW-Markenchef Diess will an die Erfolge der Konzernschwestern anknüpfen. Die neuen Modelle sollen die lange Durststrecke von Volkswagen in den USA endlich beenden. „Wir wollen eine amerikanische Company werden“, verspricht Diess auf dem Markenabend im Garden Theater.

US-Käufer sollen die Autos bekommen, die sie auch wirklich fahren möchten. SUVs, die sportlichen Geländewagen, sind das Non-Plus-Ultra dort, deshalb läutet Volkswagen eine SUV-Offensive ein. Außerdem müssen auch die VW-Modelle größere, amerikanische Ausmaße bekommen. Europäisch gestaltete Autos sind für Amerikaner meist zu klein. VW wird dabei etablierten Wettbewerbern wie General Motors oder Ford Marktanteile wegnehmen müssen – im Zweifel dürfte das auch über den Preis gehen.

Die Neuausrichtung in den USA braucht ihre Zeit. Diess spricht davon, dass es zehn Jahre dauern könnte, bis Volkswagen auf dem amerikanischen Markt eine relevante Größe als Massenhersteller erreicht hat. Wenn die Amerikaner den Diesel bald vergessen haben, geht es vielleicht sogar schneller.

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