Problemsparten Windräder stehen Siemens im Weg

Seite 3/4

China holt auf

Quelle: dpa

Das bedeutet Großaufträge für Turbinen und Windkraftanlagenbauer wie Siemens und die Konkurrenz – etwa den dänischen Hersteller Vestas oder chinesischen Produzenten Sinovel. Doch auch wenn der Ausbau der Windenergie weitergeht, der Markt wird schwieriger. „Die goldenen Zeiten sind für die Hersteller von Windkraftanlagen erst einmal vorbei“, fassen die Experten der Managementberatung Oliver Wyman die Ergebnisse ihrer aktuellen Untersuchung zusammen.

Entwicklung der größten Windkraftanlagenbauer

Die Preise sind bereits deutlich gefallen und Konkurrenz aus China wird immer besser. Noch fehlt den Asiaten die Langzeiterfahrung mit der Offshore-Technologie, doch Manfred Bayerlein, Chef des TÜB-Rheinlands sind eine wachsenden Konkurrenz. „In der Technologie liegt die chinesische Windkraftindustrie  einige Jahre zurück, aber die Produkte sind jetzt schon wirtschaftlich“, warnt er. Der Markteintritt chinesischer Anbieter hat einen Preisverfall ausgelöst, der Firmen wie Vestas oder Nordex in die roten Zahlen gedrückt hat. Seit 2008 sanken die Preise um rund ein Viertel. „Selbstverständlich werden die Chinesen bald internationale Player, einige von ihnen sind es schon“, sagte Nordex-Chef Jürgen Zeschky der Financial Times. Aufträge erhielten sie etwa in Osteuropa und der Türkei, sofern die Finanzierung auch aus China komme.

Siemens hat sich bereits mit einem Joint-Venture mit Shanghai Electric den Zugang zum chinesischen Windmarkt gesichert. China dürfte in den nächsten Jahren der größte Markt für erneuerbare Energien werden. Die Regierung hat im letzten Fünf-Jahresplan, der 2011 in Kraft trat, 540 Milliarden Euro für alternative Energien vorgesehen, allein die Windkraft soll von 16 Gigawatt im Jahr 201 auf 150 Gigawatt bis 2020 ausgebaut werden. Im Sommer 2011 konnte sich Siemens den ersten Auftrag für einen Offshore-Windpark in China sichern. Sollten weitere folgen, sind die aktuell vorgelegten schlechten Zahlen nicht mehr als ein Zwischentief. Ein Sturm tobt hingegen in einem anderen Geschäftsbereich von Siemens.

Die Stärken und Schwächen des Siemens-Konzerns
Stärke 1: Solide Kapitalstruktur mit geringen Schulden - damit ist Siemens gut für einen Abschwung gerüstet. Die Nettofinanzverschuldung sank im Geschäftsjahr 2010/11 um zehn Prozent auf knapp fünf Milliarden Euro – bei Zahlungsmitteln in Höhe von 12,5 Milliarden Euro. So gut stand der Konzern seit Jahren nicht da. Quelle: dpa
Im Verhältnis zum Eigenkapital machen die Nettoschulden nur knapp 16 Prozent aus. Rechnet man die Finanzdienstleistungssparte heraus und addiert die Pensionsverpflichtungen hinzu, ergibt sich sogar ein Nettofinanzguthaben von 1,5 Milliarden Euro. Daher verwundert es nicht, dass die Ratingagenturen dem Siemens-Konzern Bonitätsnoten im Investmentgrade-Bereich zugestehen: Standard & Poor’s und Fitch vergeben ein Rating von A+, Moody’s von A1. Quelle: dapd
Aber auch die europäischen Konkurrenten weisen starke Bilanzen auf: Während Siemens – inklusive der Finanzsparte – eine Konzerneigenkapitalquote von 31 Prozent hat, kommen die beiden Unternehmen Philips und ABB ohne Finanztöchter sogar auf noch höhere Werte von 47 und 41 Prozent. Der US-Konzern General Electric hingegen erreicht inklusive der Finanzsparte lediglich eine Eigenkapitalquote von 16 Prozent. Bei Philips haben sich die Nettofinanzschulden im Jahr 2011 zwar erhöht. Ende September lagen sie bei 1,2 Milliarden Euro nach nur 80 Millionen im Vorjahr. In Relation zum Eigenkapital waren das aber nur neun Prozent. Quelle: dpa
Stärke 2: Neue Aufträge sorgen für stabile Umsätze. Die Zahlen sind beeindruckend: Zum Ende des Geschäftsjahres 2010/11 hatte Siemens einen Rekordauftragsbestand von 96 Milliarden Euro in den Büchern. In den Monaten davor waren neue Aufträge von 86 Milliarden Euro hinzugekommen. Damit stieg der Eingang im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent und wuchs damit doppelt so schnell wie der Umsatz. Getrieben wurde das Auftragswachstum vor allem von den beiden größten Geschäftsbereichen Industrie und Energie. Quelle: dpa
Siemens profitierte in der Industriesparte vom kurzzyklischen Geschäft und vom größten Auftrag für Züge, den der Konzern jemals verzeichnet hat. In der Energiesparte legten sogar alle Divisionen zu. Siemens rechnet damit, etwa 40 Milliarden Euro der Aufträge bereits im laufenden Geschäftsjahr in Umsatz ummünzen zu können. Das bedeutet: Selbst wenn der Konzern 2012 keine neuen Aufträge mehr an Land ziehen würde, wäre schon mehr als der halbe Jahresumsatz in trockenen Tüchern. Zuletzt hat der Konzern einen Umsatz von 73,5 Milliarden Euro erzielt. Quelle: Reuters
Die hohen Auftragsbestände sind ein gutes Polster. Denn Finanzchef Joe Kaeser (rechts) hat vor Kurzem angedeutet, dass sich die schwache Konjunktur in Europa auf das Neugeschäft auswirkt. Ein ähnlich hoher Auftragseingang dürfte 2012 daher kaum zu erreichen sein. Quelle: Reuters
Stärke 3: Hohe Liquidität ermöglicht Milliarden-Investitionen. Siemens hatte gegenüber den Konkurrenten zuletzt einen entscheidenden Vorteil – den hohen operativen Cash-Flow. Zwar ging dieser im Vorjahresvergleich etwas zurück. Gleichwohl hat das Unternehmen mehr Spielraum für Investitionen als seine wichtigsten Konkurrenten. Kein vergleichbarer Konzern schafft es, so viel Umsatz in tatsächlichen Mittelzufluss umzumünzen wie der bayerische Traditionskonzern. Die Cash-Flow-Umsatzrendite von Siemens lag zuletzt bei elf Prozent. Quelle: dapd

Baustelle Nokia Siemens Networks

Angesichts der Probleme von Siemens im Windenergiesektor sprechen einige Kommentatoren von Lehrgeld, dass der Münchner Industriekonzern zahlen muss. Was die Großbaustelle Nokia Siemens Networks (NSN) angeht, kann davon allerdings keine Rede mehr sein. Seit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens mit Nokia zur Errichtung von Mobilfunknetzen im Jahr 2007 beschert NSN dem Siemens-Konzern Verluste. Und in diesem Quartal ist es besonders schlimm: 640 Millionen Euro beträgt der anteilige Verlust für Siemens. Seit 2007 hat Siemens bereits 1,25 Milliarden Euro in die Tochter gepumpt. Im Vorjahr hatten die Münchner noch einen Verlust von 107 Millionen Euro durch NSN erlitten. Die deutlich höheren Verluste waren allerdings für dieses Quartal erwartet worden. Der Telefonnetz-Ausrüster leidet unter Preiskämpfen mit aufsteigenden chinesischen Wettbewerbern. Für Nokia und Siemens hat sich NSN längst zum Milliardengrab entwickelt.

Insgesamt hatte NSN Belastungen von 772 Millionen Euro an Siemens gemeldet, anlässlich der Nokia-Zahlen war von einem operativen Verlust von 1,01 Milliarden Euro die Rede. Grund dafür ist ein großes Restrukturierungsprogramm, mit dem NSN-Chef Rajeev Suri das Unternehmen endlich in die Erfolgsspur bringen will. Von den weltweit rund 74.000 Beschäftigten sollen 17.000 gehen. Deutschlandweit will NSN 3000 der insgesamt 9100 Arbeitsplätze streichen. Rund 100 Millionen Euro will NSN durch die Schließung von Standorten einsparen, weitere 150 Millionen Euro durch geringere Reisekosten und den Verzicht auf externe Dienstleister.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%