Strategie von PSA Carlos Tavares im Temporausch

Carlos Tavares hat es geschafft, den französischen PSA-Konzern wieder rentabel zu machen. Nun setzt der zweitgrößte Autobauer Europas zum Überholmanöver an. Kann das gelingen? Eine Analyse.

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Die Franzosen wollen VW künftig näherkommen. Quelle: AFP

Düsseldorf Den Rennsport hat PSA-Chef Carlos Tavares im Blut. Der einstige Amateur-Rennfahrer fuhr sogar schon bei der Rallye Monte Carlo mit. In seiner aktuellen Funktion am Steuer des größten französischen Autobauers PSA hat der gebürtige Portugiese seine Leidenschaft für Beschleunigung nicht verloren.

„Push to pass“ hat Tavares seine Strategie für die kommenden fünf Jahre getauft. Ein Begriff aus dem Rennsport, der verwendet wird, wenn ein Fahrer zusätzliche Leistung per Knopfdruck zuschaltet, um damit zum Überholmanöver anzusetzen. Die Marken Peugeot, Citroën und DS sollen so gemeinsam unter dem neuen Namen „PSA Group“ den Abstand zum europäischen Marktführer VW verringern. Die Zeiten scheinen günstig: Die Wolfsburger, die jahrelang uneinholbar ihre Runden drehten, sind derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Franzosen nehmen dagegen wieder Tempo auf.

Mit klarer Linie und rasanter Geschwindigkeit hat es Tavares geschafft, PSA wieder auf Rendite zu trimmen. In gerade einmal zwei Jahren hat er aus einem Konzern, den einige schon auf die Pleite zusteuern sahen, wieder ein Angreifer gemacht. Im operativen Geschäft arbeiten die Franzosen mittlerweile sogar wieder profitabler als die Kernmarke von VW. Im Schnitt vier Prozent Rendite will Tavares bis 2018 erwirtschaften, in den drei Jahren danach sollen es im Schnitt sogar sechs Prozent sein.

Damit das Überholmanöver gelingt, hat sich Tavares dafür entschieden, im internationalen Windschatten zu fahren – dort, wo der Gegenwind nicht so stark ist wie im Heimatmarkt Europa. Nach der Offensive in China, die PSA mit Rückendeckung von Großaktionär Dongfeng vorangetrieben hat, nehmen die Franzosen nun exotischere Weltregionen wie Nordafrika, Lateinamerika und Südostasien stärker ins Visier. In Marokko und Iran wollen die Franzosen in den kommenden Jahren sogar Werke eröffnen. Tavares schaut, welche Lücken andere hinterlassen, und versucht, sie mit PSA zu besetzen. Das könnte sich als lukrative Strategie erweisen, mit der es auch Toyota zum Weltmarktführer gebracht hat.

Doch nicht nur bei der Rendite muss PSA dringend Tempo aufnehmen, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Denn bei allzu strikter Diät könnte am Ende der Hungertod drohen. In Zeiten des Spardiktats hatten die Franzosen ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung zurückgefahren. Entsprechend wenig bahnbrechende Innovationen kamen in den vergangenen Jahren auf den Markt. Den Vorsprung in der elektrischen Mobilität, den sich PSA einst erarbeitet hatte, wurde fast gänzlich aufgebraucht.

Das soll sich ändern: 28 neue Modelle sind in den kommenden Jahren geplant, darunter sieben Plug-in-Hybride und vier reine Elektroautos. Für jede Marke und jeden Markt soll ein neues Modell vorgestellt werden.

Das klingt ambitioniert, ist aber im Vergleich zur Konkurrenz nicht viel. Besonders, wenn man in Betracht zieht, dass die Franzosen ihre Modellpalette in den Vorjahren systematisch ausgedünnt haben und in einigen Segmenten noch Nachholbedarf haben.


Digitaler Ausbau

Neue Modelle alleine dürften ohnehin nicht reichen, um auch in Zukunft zu bestehen – das weiß auch Tavares. Die Autowelt steht vor einem grundlegenden Wandel. Bei der Präsentation seiner Strategie gesteht auch der PSA-Chef ein, dass unklar sei, welchen Stellenwert das Auto in 15 Jahren noch haben werde.

Darum will Tavares auch die digitalen Geschäfte kräftig ausbauen. Bisher experimentierte PSA mit Carsharing-Angeboten wie Multicity oder Mu. In Zukunft will man das Angebot zur zweiten Säule des Geschäftsmodells ausbauen – und sich sogar in die USA wagen. Doch während Konkurrenten wie GM und Daimler mit hohen Millioneninvestitionen in neue Geschäftsfelder vordringen, agieren die Franzosen immer noch sehr stiefmütterlich. Mehr als eine 30-Millionen-Euro-Investition, das französische Start-up Koolicar und eine Kooperation mit IBM hatte Tavares bei der Präsentation kaum zu präsentieren. Das dürfte nicht reichen, um gegen die milliardenschwere Konkurrenz im Digitalgeschäft zu bestehen.

Und auch mit der ausgegliederten Premiummarke DS kommt Tavares bisher nicht allzu schnell voran. Darum soll nun das Vertriebsnetz ausgebaut werden. Allein in Deutschland plant DS 75 Standorte für den Verkauf. Und auch international soll die Marke, die bisher vor nur einen marginalen Anteil an den Verkäufen hat, nun endlich Fahrt aufnehmen.  

Einen kurzfristigen Imagegewinn könnte sich der Konzern verschaffen, wenn man einen Trumpf ausspielen würde, den man bereits in den Händen hält. Im Vergleich zur Konkurrenz sehen die Franzosen beim CO2-Flottenschnitt besser aus als die Konkurrenten. Und auch der Diesel ist bei den Franzosen sauberer als bei anderen Volumenherstellern, weil man früh auf die Harnstoff-Einspritzung quer durch alle Baureihen setzte. So sauber wie PSA ist derzeit niemand anderes. Doch offensive Werbekampagnen fährt Tavares damit nicht.

Bei der Präsentation seiner Strategie erwähnt er diesen Vorsprung nicht einmal. Wenn Tavares über die Attribute spricht, die er mit der PSA Group verbindet, bricht wieder der Rennfahrer in ihm durch: „Agil“ solle der Konzern in Zukunft sein, „schnell, verwegen und abenteuerlustig“. Die Franzosen wollen einen heißen Reifen fahren. Ob das Überholmanöver gelingt, ist längst nicht ausgemacht.

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