VW gegen Toyota Volkswagen schafft erstmals den Sprung auf Platz eins

Es ist eine paradoxe Situation: Mitten in der Dieselaffäre wird Volkswagen erstmals seinen Dauerkonkurrenten Toyota als weltgrößten Autohersteller überholen. Grund sind gute Verkaufszahlen auf einem ausgewählten Markt.

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Volkswagen und Toyota verkaufen in diesem Jahr beide gut zehn Millionen Fahrzeuge. Doch VW hat ein wenig die Nase vorn. Quelle: Reuters

Düsseldorf Ausgerechnet im Jahr der Dieselaffäre erreicht der Volkswagen-Konzern das stärkste Verkaufsergebnis seiner Geschichte. Die Bücher für 2016 sind zwar noch nicht endgültig geschlossen, aber am Ende dürften bei Volkswagen 10,2 Millionen ausgelieferte Fahrzeuge stehen. So viel wie nie zuvor. Der Konzern aus Wolfsburg wird 2016 auch zum ersten Mal weltgrößter Automobilhersteller werden und sich vor den japanischen Dauerkonkurrenten Toyota setzen.

Unter Volkswagen-Kennern sind die Rekordzahlen aus Wolfsburg bereits ausgemachte Sache. „Der VW-Konzern wird letztlich klar vor Toyota und seinen 10,1 Millionen verkauften Autos liegen“, glaubt etwa Frank Schwope, Automobilanalyst bei der NordLB in Hannover. Mit knapp zehn Millionen verkauften Autos werde General Motors (GM) aus den USA auf dem dritten Platz liegen. Auch Arndt Ellinghorst vom Londoner Investmentberater Evercore ISI erwartet bei Volkswagen das Ergebnis von 10,2 Millionen verkauften Fahrzeugen, was gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 3,3 Prozent bedeuten würde.

Volkswagen gibt sich selbst bedeckt und reagiert noch zurückhaltend auf das in diesem Jahr zu erwartende Rekordergebnis. Aber seit den Mitte Dezember veröffentlichten Verkaufszahlen bis einschließlich Ende November steht ziemlich eindeutig fest, dass der Wolfsburger Konzern auf die Zahl von 10,2 Millionen Fahrzeugen zusteuert.

In den ersten elf Monaten stehen für den Konzern weltweit insgesamt knapp 9,4 Millionen ausgelieferte Fahrzeuge in der Verkaufsstatistik. Das durchschnittliche Monatsergebnis liegt damit bei etwa 850.000 Autos. Schafft Volkswagen auch im Dezember diese Durchschnittszahl, hätte der Konzern für ganz 2016 rund 10,23 Millionen verkaufte Fahrzeuge erreicht.

Wegen der Feiertage werden sich die Dezember-Zahlen zwar etwas schwächer entwickeln als etwa im November. In diesem Jahr erlebte Volkswagen allerdings mit fast 900.000 verkauften Autos einen sehr starken Monat November. Der Weihnachts-Abschwung im Dezember setzt also auf einem besonders hohen Niveau ein. Deshalb sollte Volkswagen auch im aktuellen Monat immer noch ein Ergebnis von rund 800.000 verkauften Autos erreichen – und damit den erwarteten Jahresrekord für ganz 2016 geschafft haben.

Entsprechend sind auch die letzten Äußerungen aus dem Volkswagen-Vertrieb zu deuten. „Der November war ein starker Monat für all unsere Konzernmarken. Trotz aller Herausforderungen steuern wir auf ein gutes Auslieferungsergebnis zum Jahresende hin“, sagte Fred Kappler, der Leiter des Konzernvertriebs, bei der Präsentation der November-Zahlen.


Dieselaffäre schadet nicht überall

Die Dieselaffäre hat Volkswagen sicherlich in diesem Jahr geschadet. Aber eben nicht überall, sondern nur ein einzelnen Regionen der Welt. Besonders betroffen von dem Skandal sind etwa die USA, wo der Konzern in diesem Jahr bislang Einbußen bei den Verkäufen von etwa 4,5 Prozent hinnehmen musste. VW leidet dort etwa darunter, dass in den USA keine Dieselmodelle mehr verkauft werden.

Auch in Deutschland ging es für den Konzern wegen der Dieselaffäre in diesem Jahr kaum voran, die Verkaufszahlen liegen ungefähr auf dem Ergebnis des Vorjahres. Nicht wegen des Abgasskandals, sondern vor allem aus konjunkturellen Gründen ist das Verkaufsergebnis zudem in Südamerika und Russland sehr schlecht ausgefallen.

Der Volkswagen-Konzern kann diese Ergebnisse jedoch mehr als ausbügeln. In Europa außerhalb Deutschlands hat das Wolfsburger Unternehmen deutlich zulegen können, das gilt ganz besonders für die osteuropäischen Länder (ohne Russland), wo sich etwa die Konzernmarke Skoda ganz besonderer Beliebtheit erfreut. Ein sehr gutes Ergebnis meldet in diesem Jahr auch die Nutzfahrzeugsparte der Marke Volkswagen, die den Transporter produziert. Die VW-Tochter aus Hannover hat ihre Verkaufszahlen in diesem Jahr bislang um elf Prozent steigern können.

Der Erfolg für das Jahr 2016 wäre allerdings ohne China nicht möglich geworden. Auf dem chinesischen Markt werden keine Dieselmodelle verkauft, deshalb hatte die Abgasaffäre dort auch keine Auswirkungen. Im Gegenteil: Bis Ende November sind dort fast 3,6 Millionen Autos verkauft worden, was ein Plus von fast zwölf Prozent bedeutet. „In diesem Jahr dürfte die Marke VW erstmals in ihrer Geschichte mehr als die Hälfte ihrer Autos nur in China verkaufen“, sagt Evercore-Autoexperte Ellinghorst zu den guten Verkaufszahlen.

Toyota hat dem nur in begrenztem Umfang eigene Verkaufserfolge entgegenzusetzen. Der japanische Dauerrivale von Volkswagen hat selbst vor kurzem eingeräumt, dass er in diesem Jahr nur etwa 10,09 Millionen Autos verkaufen dürfte (Vorjahr: 10,15 Millionen). Die Absatzzahlen der Japaner stagnieren seit etwa drei Jahren bei jährlich rund zehn Millionen verkauften Autos.


Toyota hat Probleme mit seinen Zulieferern

Wegen dieser Stagnation muss sich Toyota 2016 mit dem zweiten Platz hinter Volkswagen in der Rangliste der weltgrößten Automobilhersteller begnügen. Für den japanischen Konzern ist dieser Platz etwas ungewohnt: Die vorangegangenen vier Jahre thronte Toyota immer auf Rang eins.

In diesem Jahr gibt es bei Toyota noch eine zusätzliche Erklärung für die Stagnation. Der japanische Autokonzern hatte 2016 mehrfach größere Probleme mit seinen Zulieferern, die manchmal gleich für Wochen nicht mehr liefern konnten und dadurch für länger anhaltende Produktionspausen sorgten. Im Februar war ein Stahllieferant ausgefallen, wenig später traf es den Hersteller eines Bremssystems. Diese Ausfälle vom Jahresanfang hat Toyota in den Folgemonaten nicht mehr komplett aufholen können.

Der erste Platz für Volkswagen dürfte eine besondere Genugtuung für den früheren Vorstandschef Martin Winterkorn sein, der im September 2015 die Verantwortung für die Dieselaffäre übernommen hatte und zurückgetreten war. Winterkorn hatte in seiner Amtszeit die Devise ausgegeben, dass Volkswagen den japanischen Konkurrenten Toyota bis 2018 als weltgrößten Autohersteller ablösen müsse. Jetzt erreicht der Konzern dieses Ziel sogar schon zwei Jahre früher.

Dieses Ergebnis ist erst recht überraschend nach der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Matthias Müller. Der aktuelle Vorstandschef hatte allein das Streben nach Größe als Unternehmensziel für obsolet erklärt. Viel bedeutender seien heute Nachhaltigkeit und Profitabilität, hatte Müller gefordert – und trotzdem kommt Volkswagen jetzt auf den ersten Rang.

Toyota hatte erstmals im Jahr 2008 den ersten Platz als weltgrößter Autohersteller erreicht und den US-Konkurrenten General Motors damit nach mehr als 70 Jahren auf den zweiten Platz verdrängt. Wegen der verhängnisvollen Konsequenzen des gewaltigen Tsunamis aus dem Jahr 2011 vor der japanischen Küste musste Toyota den ersten Platz wieder an GM abgeben, holte sich ihn 2012 aber wieder zurück.

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