VW-Skandal in Großbritannien „Wir haben niemanden getäuscht“

Britische Parlamentarier stellen VW-Manager Paul Willis wegen des Emissionsskandals zur Rede. Derweil mobilisieren Anwaltskanzleien immer mehr VW-Kunden für eine Sammelklage in London.

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Volkswagen hat nach eigener Darstellung bislang 470.000 der in Großbritannien vom Abgasskandal insgesamt betroffenen 1,2 Millionen Dieselfahrzeuge nachgebessert. Quelle: Reuters

London Es ist ein Termin, den Paul Willis sicherlich gern geschwänzt hätte. Aber am späten Montagnachmittag musste sich der Chef von Volkswagen in Großbritannien vor einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments bohrenden Fragen über den Emissionsskandal stellen. Kein angenehmer Termin. „Wir haben niemals unsere Kunden irregeführt“, beteuerte der Manager immer wieder – aber ohne Erfolg: Die Parlamentarier blieben skeptisch.

Das seien doch Lügen, warfen sie Willis vor. „Wir haben nichts Falsches getan“, versuchte der zu überzeugen, es tue ihm leid, wenn Kunden Unannehmlichkeiten entstanden seien. Doch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses blieben unerbittlich: Was ihm leid tue sei lediglich, dass die Betrügereien von Volkswagen aufgeflogen seien, wetterte ein Parlamentarier.

VW hatte im September 2015 nach Vorwürfen der US-Behörden eingeräumt, die Motorsteuerung so manipuliert zu haben, dass die gesetzlichen Grenzwerte bei Stickoxid nur auf dem Prüfstand und nicht auf der Straße eingehalten werden. Der Konzern erklärte sich deswegen bereit, amerikanischen VW-Kunden eine Entschädigung zu zahlen und legt für die Beilegung des Emissionsskandals in den USA rund 15 Milliarden Dollar auf den Tisch. Britische Kunden – wie auch andere europäische VW-Fahrer – sollen nach dem Willen von VW jedoch leer ausgehen.

VW-Manager Willis verteidigt diese Entscheidung. „Man kann die Situation in den USA nicht mit der in Großbritannien vergleichen“, erklärte er den Abgeordneten in London. Man habe in Großbritannien schließlich keine Autos verkauft, indem man mit konkreten Abgaswerten geworben habe.

Doch diese Argumentation überzeugt weder die Parlamentarier im Untersuchungsausschuss noch eine Gruppe von VW-Kunden, die klagen will. Mehr als 31.000 VW-Kunden hätten sich einer Sammelklage angeschlossen, heißt es auf Seiten der klagenden Anwälte. Sollten sie vor Gericht Erfolg haben, könnten die Kunden vermutlich mit jeweils 3000 Pfund (umgerechnet etwa 3530 Euro) Entschädigung rechnen, heißt es von den Anwälten.

Auf der Insel waren im Zuge des Emissionsskandals 1,2 Millionen Autos zurückgerufen worden. Volkswagen hat nach eigener Darstellung bislang 470.000 davon nachgebessert. Wenn alle betroffenen VW-Besitzer derart entschädigt würden, kämen auf den Autokonzern damit Kosten in Höhe von 3,6 Milliarden Pfund (4,2 Milliarden Euro) zu.

Ein Termin, bei dem das zuständige Gericht entscheiden will, ob es über den Fall verhandelt oder nicht, wurde nach Angaben der Klägeranwälte auf Oktober verschoben.

Derweil wird auch von anderer Seite ebenfalls Druck auf den Wolfsburger Konzern ausgeübt: Auch der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan hatte eine millionenschwere Entschädigung gefordert, weil der Stadt wegen der verfälschten Abgaswerte Einnahmen entgangen seien. Die Stadt verlangt von Autofahrern in Großbritanniens Hauptstadt eine Art „Verschmutzungsabgabe“.

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