Alphabet auf dem Börsenthron Das Google-Zeitalter hat begonnen

Alphabet ist auf dem Gipfel. Die Google-Holding wird heute wohl Apple als wertvollsten Konzern der Welt überflügeln. Doch der wahre Konkurrent um Aufmerksamkeit und Werbebudgets ist ein anderer. Ein Kommentar.

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Die Google-Mutter Alphabet könnte zum wertvollsten Unternehmen der Welt werden. Quelle: ap

Düsseldorf Es ist ein symbolträchtiger Moment, der am heutigen Dienstag den Anlegern an der New Yorker Börse bevorsteht: Alphabet, der Mutterkonzern von Google, wird vermutlich Apple als wertvollster Konzern der Welt ablösen. Vorbörslich kletterte der Aktienkurs bereits um die entscheidenden Prozente. Auch wenn die Wall Street heute öffnet, dürfte er weiter zulegen.

Wer den Internetriesen mit seinem großen Wissensschatz schon immer als den heimlichen Herrscher der Welt wähnte, wird die Zahlen als Bestätigung sehen. Doch der Eindruck ist nur eine Momentaufnahme von ungewisser Dauer. Denn die Ablösung an der Spitze der Börsenliga ist mehr der Schwäche des iPhone-Herstellers zuzuschreiben als der Stärke des Suchmaschinisten. Einen dauerhafter Wachwechsel – so unbedeutend er auch fürs Alltagsgeschäft wäre – muss das nicht bedeuten. Denn Alphabet steht weiterhin vor großen fundamentalen Herausforderungen. Die Konkurrenz ist dabei nicht Apple, sondern Facebook.

Für die wohlwollende Reaktion der Anleger auf die Alphabet-Zahlen gibt es zwei Gründe. So legt der Konzern der Wall Street dar, dass sein Kerngeschäft gesund und munter ist. Denn erstmals trennt er öffentlich nachvollziehbar die Zahlen für Google mit der Suchmaschine, dem Werbegeschäft sowie dem mobilen Betriebssystem Android und dem Videoportal Youtube von den „Moonshots“, also den Wetten auf die Zukunft.

Für Anleger, die das Wachstum von Google infrage gestellt haben, enthält die Aufstellung einige beruhigende Punkte. Umsatz und Gewinn steigen stärker als erwartet, auch die Profitabilität legt leicht zu. Zudem gelingt es dem Internetriesen Quartal für Quartal, mehr Anzeigen zu verkaufen. Dass der Durchschnittspreis dabei sinkt, muss dabei kein schlechtes Zeichen sein: Es zeigt, dass das Geschäft mit mobilen Geräten in Fahrt kommt – auf den kleinen Bildschirmen sind Anzeigen billiger als auf dem großen PC.

Alphabet hat aber auch eine Vision für die Zukunft – und das lieben Aktionäre ebenso wie gute Zahlen. Die Projekte, zusammengefasst unter „Other Bets“ (andere Wetten) sind zwar teuer und weniger lukrativ als erwartet, im vergangenen Geschäftsjahr betrug der Verlust 3,6 Milliarden Dollar, bei knapp 450 Millionen Dollar Umsatz. Allerdings sind einige Ideen darunter, die eines Tages die Welt verändern könnten, etwa autonome Autos. Wenn der Konzern hier seine führende Position hält, macht sich das irgendwann auch in der Bilanz bemerkbar.


Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Budgets

Damit hat Alphabet Apple zumindest eine Sache voraus: Wachstumsaussichten. Der iPhone-Hersteller hat zwar gerade das beste Quartalsergebnis der Wirtschaftsgeschichte vorgelegt, 75 Millionen seiner Edel-Smartphones konnte er verkaufen, ein Gewinn von 18,4 Milliarden Dollar floss in die bereits üppig gefüllten Kassen.

Allerdings stellt sich die Frage, wo der Konzern nach den historischen Verkaufserfolgen der vergangenen Jahre noch neue Kunden für seine Geräte finden kann. Es ist das Gesetz der großen Zahl. Dass Alphabet nun wertvollster Konzern der Welt ist, hat mit der Enttäuschung der Anleger über die Apple-Aussichten zu tun.

Trotzdem steht der Konzern immer noch vor fundamentalen Herausforderungen. Er stellt sich zwar darauf ein, dass das Smartphone zum wichtigsten Personal Computer geworden ist. Allerdings ist der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Nutzer und die Budgets der Werbewirtschaft hart: Facebook hat sich noch schneller zu einer „mobile company“ gewandelt. Die Nutzer verbringen einen Großteil ihrer Zeit mit den verschiedenen Apps des Konzerns, der just wissen lässt, dass auch der Zukauf WhatsApp die Marke von einer Milliarde Mitgliedern erreicht hat. Bereits heute lenkt Facebook die Aufmerksamkeitsströme in einem ungekannte Maße. Auch Apple kann Alphabet den Zugang zu seinen zahlungskräftigen iPhone-Nutzern erschweren.

In Mountain View wird man den heutigen Tag sicher trotzdem feiern, allein schon, weil die Aktienoptionen der Mitarbeiter so sehr an Wert gewonnen haben. Unabhängig davon, ob Alphabet oder Apple wertvoller ist, erinnert der hohe Börsenwert der beiden Konzerne aber einmal mehr daran, dass eine Zeitenwende schon längst erreicht ist: Rohstoffkonzerne haben längst keine Chance mehr, mit den IT-Riesen mitzuhalten, unabhängig vom Ölpreis. Im 21. Jahrhundert sind andere Rohstoffe gefragter, zählen andere Märkte mehr.

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