Überhaupt drohe Europa bei der Digitalisierung und den Themen Startups und Risikokapital hinter den USA zurückzufallen. „In Deutschland passiert zu wenig, zu spät und zu langsam“, redete sich Spahn in Rage. Statt Geld in neue Geschäftsideen zu investieren, werde hierzulande lieber über Regulierung debattiert. „Es gibt in Europa durchaus genug Geld – das wird aber nicht in Digitalisierung und Startups gesteckt“, so Spahn. „Diese andere Denkweise ist vermutlich der bedeutsamste Unterschied zu den USA.“
Ein Argument, mit dem er bei einem anderen Podiumsteilnehmer offene Türen einlief – Oliver Samwer. Der Chef der Berliner Startup-Fabrik Rocket Internet legte gleich die entsprechenden Zahlen nach: In den USA stünden für Startups immer noch gut die zehnfache Menge an Risikokapital bereit.
Entsprechende Zahlen für das vergangene Jahr hat das amerikanische Research-Unternehmen PitchBook erst in der vergangenen Woche veröffentlicht: Zwar wuchs das verfügbare Venture Capital im Silicon Valley wie in Deutschland um gut 30 Prozent – absolut wuchs damit der Abstand aber wieder deutlich: An der US-Westküste investierten Kapitalgeber 2015 fast 34 Milliarden Dollar; in Deutschland waren es gerade mal 3,9 Milliarden Dollar.
„Die deutsche Bundesregierung hat 20 Milliarden Euro für die Umstellung auf erneuerbare Energien investiert, aber nur ein bis zwei Milliarden Euro in die Digitalisierung", so Samwer. Auf die Frage, ob europäische Unternehmen tatsächlich immer langsamer seien als amerikanische, konnte sich der schnelldenkende Rocket-Boss einen Seitenhieb auf die etablierten Großkonzerne nicht verkneifen: „Das kann ich nicht beantworten – ich bin ja nicht Siemens.“
Irgendwann gab es dann Zwischenrufe von bekannten DLD-Teilnehmern, die seit Jahren dabei sind: „Das ist so typisch europäisch, eine Diskussion über Technologien mit Bedenken statt mit den Chancen zu starten“, sagte der amerikanische Internet-Experte und Kommunikationsprofessor Jeff Jarvis. Und ergänzte: „Viele im Panel beschweren sich über die Dominanz von US-Technologie: Aber wo sollen Konkurrenten herkommen, wenn ihr nicht in Eure eigenen Unternehmen investiert?“
Das wiederum sorgte für hörbaren Unmut bei Mike Butcher, renommierter Journalist beim High-Tech-Portal „TechCrunch“ mit Sitz in London: „Warum immer dieser Pessimismus in Europa?“, fragte er raunend ins Zuhörer-Mikro. „Wir haben Spotify, wir haben Rocket, wir haben Skype – wir sind schon ganz gut bei diesem heißen Scheiß.“