Nichts davon haben die Analysten und Marktbeobachter kommen sehen. Mit vor Unglauben weit geöffneten Mündern hörten sie sich die Zahlen zum zweiten Quartal des aufstrebenden Werbe- und Mediengiganten des 21. Jahrhunderts an.
Um glatte 59 Prozent auf 6,43 Milliarden Dollar war der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Es war das stärkste Wachstum im Vorjahresvergleich seit rund zwei Jahren. Allein der Anzeigenumsatz stieg um 63 Prozent auf 6,23 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn verdreifachte sich auf 2,1 Milliarden Dollar.
Facebook strotzt vor Kraft, und zeigt auch beim Wachstum der Nutzer keine Schwäche. Während der Kurznachrichtendienst Twitter in diesem Bereich gerade erst anämische Wachstumszahlen verkünden musste und von der Börse schwer abgestraft wurde, sind mittlerweile 1,7 Milliarden Menschen jeden Monat auf Facebook aktiv. Das sind 200 Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Facebook ist unverzichtbar geworden und auch die Jugendlichen und jungen Menschen bleiben allen Unkenrufen zum Trotz weiter dabei.
So sieht die gewöhnliche Facebook-Nutzung aus
Bei 94 Prozent der Nutzer gehört der Besuch bei Facebook genauso zur Alltagsroutine, wie Zähne putzen.
Quelle: The Facebook Experiment: Does Social Media Affect the Quality of our Lives?
86 Prozent lesen ihren Facebook-Newsfeed oft oder sehr oft.
Mehr als drei Viertel der Nutzer verbringen 30 oder mehr Minuten pro Tag auf Facebook.
Bilder sagen mehr als Worte: Mehr als zwei Drittel posten Fotos von großartigen Dingen, die sie erlebt haben.
Mein Haus, mein Auto, mein Boot: 61 Prozent posten auf Facebook, was ihnen Gutes wiederfahren ist.
Kurz gesagt, mehr Menschen sind aktiv auf Facebook und schauen sich auf PCs und zunehmend mobil auf Smartphones immer mehr Anzeigen an, deren Preise sogar noch steigen. Genaugenommen liegen sie bei Facebook neun Prozent höher als vergangenes Jahr, und das in einer Branche, die permanent über Preisdruck stöhnt.
Bei alldem sind die Chancen bei den Messenger-Diensten wie WhatsApp und Facebook Messenger noch nicht berücksichtigt. Gerade erst hat der Facebook Messenger, auf dem sich die Menschen gegenseitig Nachrichten zusenden, die Zahl von einer Milliarde Kunden erreicht. „Den Messenger aus Facebook herauszulösen war vor drei Jahren eine sehr umstrittene Entscheidung“, so Mitgründer und CEO Mark Zuckerberg im Analystengespräch. Aber es habe sich gezeigt, wie richtig es gewesen sei.
Alle Silicon-Valley-Riesen setzen heute auf ihr Chat-Dienste, um sie zu mächtigen Kommunikations- und Handelsplattformen auszubauen. Über sie sollen in Zukunft Waren und Dienstleistungen eingekauft und direkt bezahlt werden können. Facebook hat hier einen großen Vorsprung, aber Microsoft (Skype, Cortana), Google (Google Now), Apple (Siri) und Amazon holen auf. Amazons „Alexa“ genannter digitaler Assistent, die künstliche Intelligenz hinter der Lautsprecher-Mikrofon-Kombination „Echo“, gehört zu den größten Erfolgen des laufenden Jahres.
Der „Ad load“ ist wichtiger Faktor
Doch wie auf jeder Party-Sause gibt es auch hier einen Nörgler, der die Stimmung trübt. Bei Facebook ist es der sogenannte „Ad load“ – das Maß dafür, wie viele Anzeigen ein Nutzer ausgespielt bekommt, während er durch seine Timeline scrollt. Diese Balance zwischen „echtem“ Inhalt von Freunden und „bezahltem“ von Firmen oder Organisationen ist wichtig, um die Zufriedenheit der Facebooker zu garantieren. Wird zu viel Werbung gezeigt, wenden sich die Nutzer genervt ab und bleiben weg. Wird zu wenig ausgeliefert, wird nichts verdient.
Der richtige Ad load, den Facebook für sich behält, ist laut Finanzvorstand Mark Wehner eine Mischung aus „Kunst und Wissenschaft“. Dabei ließ er ausdrücklich nicht unerwähnt, dass das Wachstum der Werbeauslastung zwar ein „sehr wichtiger Treiber“ des bisherigen Booms sei, sich das aber im weiteren Jahresverlauf abschwächen werde. 2017 dann werde es nur noch ein „unwichtiger“ Faktor für das Wachstum sein.
Mit anderen Worten: Facebook zeigt bereits so viel Werbung, wie gerade noch zu ertragen ist. Bald müssen deshalb neue Treiber fürs Geschäft her.
Was könnte das sein? Einmal die Regionalverteilung. 50 Prozent des Umsatzes kommt aus den USA, der Rest der Welt biete laut Zuckerberg aber „enorme Chancen“, vor allem die Entwicklungsländer. Eine „Facebook Light“-App für Smartphones, die mit dem veralteten und langsamen Mobilfunkstandard Edge läuft, nutzen bereits 100 Millionen Menschen.
Doch da sich laut Zuckerbergs Einschätzung in Zukunft alles auf Video statt Text und Bilder hinbewegt, muss der Facebook-Chef auch in die dritte Welt schnelles Internet liefern.
Die erste Facebook-Drohne, die über Monate in der Luft bleiben kann und Internetzugang auf die Erde abstrahlt, hat gerade ihren Jungfernflug absolviert. In Indien, China oder Afrika warten die nächsten Milliarden Facebook-Anhänger.
Einen zusätzlichen Schub könnten auch die bereits erschlossenen Märkte bieten. In den USA und Kanada liegt der erzielte Umsatz pro Facebooker bei 14,3 Dollar im Quartal. In Europa sind es nur 4,7 Dollar, in Asien 1,7 Dollar.
Wachwechsel: Facebook mehr wert als Exxon
Und da ist noch das Video-Engagement, laut Zuckerberg mittlerweile „das Herz“ aller Anwendungen. Medien produzieren bereits exklusive Inhalte nur für Facebook und der Live-Streamingdienst ist sehr erfolgreich gestartet, heißt es. Der Effekt: Die Leute bleiben länger und schauen mehr Videos – und das gibt mehr Raum für eingeblendete Werbung.
Offene Fragen im Kartellverfahren gegen Facebook
Die Behörde geht in dem Verfahren zwei Fragen nach: Ob Facebook tatsächlich mit seinen Vertragsbestimmungen gegen geltende nationale Datenschutzregeln verstößt und gleichzeitig, ob das Netzwerk damit eine möglicherweise marktbeherrschende Stellung ausnutzt. Für einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen allein wären die Wettbewerbshüter nicht zuständig. Wenn Facebook jedoch die für den Nutzer undurchsichtigen Vertragsklauseln mit Hilfe seiner Marktmacht durchsetzen würde, könnte ein Wettbewerbsverstoß vorliegen. Denn bei einer solchen Marktstellung habe Facebook besondere Pflichten.
Das Kapital von Facebook sind Daten der Nutzer, die für Werbezwecke verwendet werden. Wer das Netzwerk nutzt, willigt in die Verarbeitung von Daten ein. Der Umfang der Einwilligung sei für die Nutzer nur schwer nachvollziehbar, erklärt die Behörde. Wenn Facebook auf diese Weise außergewöhnliche Geschäftsbedingungen durchsetze, könne das eine „kartellrechtswidrige Ausbeutung der Kunden“ sein, sagt auch Kai Neuhaus, Rechtsexperte bei CMS Hasche Sigle in Brüssel.
In erster Linie wird angeprangert, dass Nutzer nicht genug informiert werden. „Der Anfangsverdacht liegt eher auf der Seite der Aufklärung und der Datengewinnung als bei der Frage, wie und für was die Daten verwendet werden“, sagt Kartellamts-Sprecher Kay Weidner. Diese Punkte seien aber letztlich miteinander verbunden.
Ja, kartellrechtlich wäre der Tatbestand erst relevant, wenn Facebook ein sogenannter Konditionenmissbrauch gegenüber seinen Nutzern nachgewiesen werden kann, da die Daten der Nutzer quasi das Kapital der werbefinanzierten Plattform darstellen. Dafür müsste geklärt werden, ob Facebook seine Nutzer durch seine Marktmacht unangemessen nötigt, den Vertragsklauseln zuzustimmen.
Als soziales Netzwerk hat sich Facebook mit seinen rund 1,6 Milliarden Nutzern inzwischen weltweit durchgesetzt. Kleinere Konkurrenten wie Wer-kennt-Wen, StudiVZ oder der Pionier MySpace haben inzwischen ihren Betrieb eingestellt. Als Portal dürfte sich Facebook jedoch vermehrt in Konkurrenz zu Plattformen wie Youtube, Twitter sehen.
Es soll noch geklärt werden, ob man nur den engen Markt der ähnlichen Dienste betrachtet - oder auch andere Anbieter wie Twitter einbezieht. „Wenn man das kartellrechtlich und gerichtsfest zu Papier bringen möchte, dann ist es in der Tat so, dass man definieren muss, was ist der relevante Markt“, sagt Kartellamts-Sprecher Weidner. Dabei könne auch eine Beherrschung des größeren Marktes festgestellt werden. „Es gibt bislang allenfalls eine Erhebung nach Nutzerzahlen, wobei viele Nutzer auch parallel bei mehreren Netzwerken aktiv sind.“
Im Grunde kann es um beides gehen, betont Kartellamts-Sprecher Weidner. Das werde sich im Zuge des Verfahrens zeigen müssen.
Auch Sicht der Behörde: Ja. „Wir brauchen dafür kein gesondertes Urteil“, betont der Kartellamts-Sprecher.
Da es um ein Verwaltungsverfahren geht, könnte das Kartellamt am Ende anordnen, dass das Unternehmen bestimmte Dinge anders handhaben müsse. Ein Bußgeld von immerhin bis zu zehn Prozent vom Jahresumsatz kann die Behörde dagegen in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren verhängen, das separat laufen müsste.
Die Börse jedenfalls hat wieder volles Vertrauen in den Ausnahme-Gründer Mark Zuckerberg und darin, dass er die Wachstumsklippen umschiffen wird.
Nachbörslich lag der Kurs der Aktie bis zu acht Prozent im Plus bei 130 Dollar, dann ging es leicht auf 128 Dollar zurück. In der Spitze war der Lieferant von Werbung und Katzenvideos kurzzeitig mehr wert als der Ölgigant Exxon, der ganz Amerika mit Öl und Benzin versorgt und die Wirtschaft am Laufen hält.
Der Wachwechsel ist da. Die wertvollsten fünf Unternehmen der US-Börse kommen bald alle aus dem Technologiebereich. An der Spitze Apple mit 560 Milliarden Dollar, gefolgt von Alphabet (Google), Microsoft, Facebook und noch ist die Nummer fünf Exxon. Doch Amazon drängt mit Macht vom sechsten Platz und legt morgen seine Zahlen vor. Genauso wie Google.
Tritt zur Seite, alte Welt!