Unternehmenskultur Microsoft will wieder cool sein

Lange als böser, träger Gigant verschrien, gilt der Konzern neuerdings als cool. Microsoft-Vertriebschef Jean-Philippe Courtois erklärt, wie der Wandel gelang und was es dazu braucht.

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Microsoft: Die Marke ist wieder cool. Quelle: Marcel Stahn

WirtschaftsWoche: Herr Courtois, Steve Ballmer war gerade frisch Microsoft-Chef, da erzählte er, seine wichtigste Aufgabe sei, das Image vom bösen Monopolisten loszuwerden. Heute ist Ballmer Geschichte. Ist der Ruf saniert?
Courtois: Tatsächlich hat sich das Bild von Microsoft in der Öffentlichkeit verändert. Heute haben die Menschen überwiegend einen sehr positiven Eindruck von uns. Die Rückmeldung bekommen wir von Kunden, Partnern und der Politik. Wir gelten als glaubwürdig, verlässlich und innovativ. Und wir halten uns strikt an nationale und regionale Vorgaben.

Man könnte auch sagen, die EU-Wettbewerbshüter haben dem Wandel mit Millionenstrafen etwas nachgeholfen.
Wir haben einen Lernprozess vollzogen.

Heute stehen andere Techkonzerne aus den USA im Fokus der EU. Haben Sie einen Rat?
Manche haben noch nicht verstanden, wie wichtig regionale rechtliche und politische Vorgaben sind. Der eine oder andere jüngere Konkurrent erfährt das gerade.

Zur Person

Wie würden Sie den internen Lernprozess bei Microsoft beschreiben?
Wir waren, wie viele amerikanische Unternehmen, lange US-fokussiert. Heute sind wir global aufgestellt, haben Rechenzentren in 40 Ländern weltweit. Und wir haben gelernt, uns lokalen Gegebenheiten anzupassen. In Deutschland etwa wollen laut Umfragen 76 Prozent der Unternehmen zwar Cloud-Dienste nutzen, Anwendungen und Daten aber im deutschen Rechtsraum halten. Deshalb sind wir eine bislang einzigartige Kooperation eingegangen. Dabei betreibt die Deutsche Telekom unsere Technik und fungiert als Datentreuhänder. Früher hätten wir all das alleine durchziehen wollen. Und wären vermutlich gescheitert.

So stellt sich Microsoft das Büro der Zukunft vor
Team-Bereich-Share-and-Discuss Quelle: dpa
Sabine-Bendiek Quelle: dpa
Think-Workspace Quelle: dpa
Think-Workspace Quelle: Presse
Neue Arbeitsmodelle Quelle: dpa
Share-&-Discuss-Workspace Quelle: Presse
Disziplin ist gefragtDas flexible Arbeiten ohne feste Zeiten, Orte und Überstundenerfassung verlange allerdings auch viel Disziplin, räumt sie ein. So müssen die Mitarbeiter nach arbeitsintensiven Phasen selbst für ihren Freizeitausgleich sorgen. Und wenn Bendiek etwa am Wochenende Mails verschickt, die nicht brandeilig sind, schreibt sie möglichst gleich in den Betreff, dass sie erst am Montag dazu eine Rückmeldung braucht. Quelle: dpa

Sie sind seit 1984 bei Microsoft und erleben mit Satja Nadella den dritten CEO. Wie haben sich Kultur und Führungsstil verändert?
Als ich anfing, waren wir 500 bis 600 Leute weltweit. Dann wuchs das Unternehmen zu einem globalen Konzern heran, mit langen Produktionszyklen und zähen Strukturen. Was mich am meisten beeindruckt, ist, dass wir es geschafft haben, heute wieder sehr schnell und kreativ zu arbeiten – obwohl wir rund 100.000 Menschen sind.

Woher kommt die Dynamik?

Was bedeutet bei der Größe „sehr schnell“?
Wir haben kürzlich mit Thyssenkrupp eine cloudgestützte Serviceplattform entwickelt, die es ermöglicht, Fahrstühle so zu warten, dass wir Störungen voraussehen und ihnen vorgreifen können. Und das Servicepersonal bekommt über unsere Cyberbrille Hololens Reparaturinfos ins Blickfeld eingeblendet. Früher hätte so ein Projekt Jahre gedauert, nun waren es nur ein paar Monate.

Woher kommt die Dynamik?
Die Grundlagen dafür hat bereits Steve Ballmer gelegt, und mit Satya Nadella ist noch mehr Tempo und Fokus hinzugekommen. Seine Entscheidung, ganz massiv in die Entwicklung der Cloud-Lösungen zu investieren, war wie ein Jungbrunnen für uns. Von den Möglichkeiten, damit binnen weniger Monate, teils nur Wochen, neue Angebote zu entwickeln, profitieren natürlich auch unsere Kunden. Aber zuallererst einmal haben wir selbst davon profitiert.

Satya Nadella hat das Motto „Cloud first, mobile first“ ausgegeben, lässt zugleich aber auch neue Hardware entwickeln, wie die Mixed-Reality-Brille Hololens. Und für die neuen Computer der Surface-Serie haben Techblogs Microsoft schon als „das neue Apple“ gefeiert. Wie passt das zusammen?
Hardware zu bauen ist für uns weder Selbstzweck noch neu. Seit Jahren praktizieren wir das erfolgreich mit unserer Spielekonsole Xbox. Auch die stand nie alleine da, sondern war Teil eines größeren Ganzen: einer Spiele- und Unterhaltungswelt, eines globalen Gaming-Netzwerks, eines Streaming-Angebotes. Nicht anders ist es nun mit der Hololens-Brille oder den Surface-Rechnern. Wir legen damit Grundlagen für Erfolg und Wachstum unseres Windows- und Cloud-Ökosystems.

Damit hat Microsoft 2015 am meisten umgesetzt

Auch auf die Gefahr hin, Ihren Hardwarepartnern Konkurrenz zu machen?

Bei aller Begeisterung für unsere Technik, wir sind viel weniger Konkurrent als Innovationstreiber. Wir investieren in neue Technologien, demonstrieren etwa mit Hololens deren Machbarkeit, und dann können Partner – darunter Acer, Dell, Hewlett-Packard oder Lenovo – die Windows-Holographic-Plattform für die Entwicklung eigener Mixed- und Virtual-Reality-Produkte nutzen. Auch das ist übrigens Ausdruck des Wandels und eines neuen, offeneren Microsoft.

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