Friedemann Kunz kommt aus Schweden, da ist er aufgewachsen, und so schön skandinavisch, wie er sein „S“ spricht, wird es auch im tristesten Plattenbau ganz hyggelig, wenn er zu erzählen beginnt. Vielleicht ist das aber auch Absicht, denn wenn Kunz von einer Sache etwas versteht, dann davon, wie man die Leute um den Finger wickelt, ohne dass sie es merken. Und sein Deutsch ist ansonsten astrein. Schließlich kommt seine Familie aus Marlow, sogar ein Unternehmen hatte die hier zwei Generationen vor ihm einmal. Dann kam der Sozialismus, aus der familieneigenen Fassfabrik wurde ein VEB, und die Familie teilte sich auf. Kunz’ Vater ging nach Schweden, die Großmutter blieb in Marlow.
Aufgrund seiner schwedischen Staatsbürgerschaft konnte er sie leicht besuchen, und als dann plötzlich der Sozialismus vorbeiging, da dachte Kunz an all die grauen Häuser und das neue Geld. Mann, was würde da alles gebaut werden. Klar, das dachten sich auch all die Bauunternehmen im Westen, von denen manche schon bald zu Baulöwen werden und große Skandale hinterlassen sollten. Doch Kunz war kein Westdeutscher, sondern Schwede. Also dachte er nicht nur an das viele Geld, sondern auch an das viele Holz. „In Schweden waren Holzhäuser in Fertigbauweise bereits sehr verbreitet, in Deutschland gab es das noch gar nicht.“ Sagt und dachte Kunz und probierte es mal.
Aus der kleinen Firma für Büroartikel, die er mit seinem Bruder betrieb, ließ er sich ausbezahlen und kaufte von dem Geld ein Fertighaus, dass er an einen ersten Kunden in Rostock verkaufte. „Als wir das Haus dort aufgebaut haben, da war die ganze Zeit eine große Gruppe von Leuten an der Baustelle, die sich das fasziniert angeschaut haben“, erinnert sich Kunz. „Da hab ich mir gedacht, was ist das denn für eine geile Kiste!“
Typische Mängel in Neubauten
In 19 Prozent der vom Institut für Bauforschung untersuchten Baumängel gab es ein Problem mit dem Rohbau, der Statik oder der Dachkonstruktion. Damit ist dieser häufiger von Neubaumängel betroffen als jeder andere.
Das Haus in eine dicke Isolierschicht zu packen, ist inzwischen für Neubauten sogar durch die Energie-Einsparverordnung (EnEV) vorgeschrieben. 13 Prozent der Mängel sind hier angesiedelt.
Ebenfalls in 13 Prozent der Fälle gibt es Mängel an Estrichböden oder dem Wandputz bzw. den Trockenbauwänden im Hausinneren.
Bei der Isolierung der Gebäudehülle sowie dem baulichen Brand- und Schallschutz kommt es häufig zu fehlerhafter Ausführung. Zwölf Prozent der Mängel an Neubauten entfallen auf dieses Gewerk.
Auch ohne Wärmedämmung, Abdichtungen und Isolierschichten beziehen sich noch immer neun Prozent der Neubaumängel auf die Bereiche Fassade und Dach.
Jeweils acht Prozent der untersuchten Neubaumängel betreffen Fenster sowie Türen oder die Luftdichte Ebene. Die technischen Anlagen eines Neubaus sind in sieben Prozent der Fälle mangelhaft, vier Prozent betreffen die Bausicherheit.
Nach einer Untersuchung des Instituts für Bauforschung und des Bauherren-Schutzbundes haben 45 Prozent der Baumängel in Neubauten ihre Ursache in einer fehlerhaften Ausführung der Arbeiten durch die Handwerker. In einem Viertel der Fälle liegt der Fehler in der Bauleitung, bei rund 20 Prozent handelt es sich um Planungsfehler. Fehlerhaftes Material ist in nicht einmal sechs Prozent der Fälle die Ursache.
Planungs- und Ausführungsfehler sind häufig auf eine fehlerhafte Bau- und Leistungsbeschreibung zurückzuführen. Gerade mal ein Prozent der Baubeschreibungen entsprechen durchgängig den geforderten Mindeststandards. Mehr als die Hälfte ist zwar im Wesentlichen vollständig, aber die Beschreibungen sind fehlerbehaftet. Bei 42 Prozent der Baubeschreibungen sind die gewünschten und benötigten Leistungen unvollständig oder nicht eindeutig beschreiben. In vier Prozent der Fälle fehlen sogar wesentliche Angaben und die Leistungsbeschreibung ist mangelhaft. Die Fehler betreffen vor allem notwendige Unterlagen und technische Nachweise, den Bereich Planung und Bauleitung, Erdarbeiten sowie die allgemeinen Objektangaben.
Der absolute Bestseller in seinem Sortiment sind die einstöckigen Bungalows, mehr als 300 verkauft er im Jahr allein von diesem Modell. Erst wird das Fundament gegossen, dann kommen die Wandelemente aus dem Werk in Marlow, in zwei bis drei Tagen bauen zwei Techniker sie vor Ort auf, innerhalb von fünf bis sieben Wochen folgt der Innenausbau, Dach drauf, fertig ist die geile Kiste. Architektonische Meisterwerke sehen anders aus, aber diesen Anspruch hat seit Walter Gropius auch keiner mehr an das gewöhnliche Vorstadthaus gestellt. Robust soll es sein, geräumig, sparsam und günstig. Genau daran aber scheiterte das Fertighaus jahrelang.
Das hat sich in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt gewandelt, erst ist die Produktion der Bauteile effizienter geworden, dann wurde die Energiebilanz bei Neubauten immer bedeutsamer. Und da macht den Fertighäusern, bei denen die Dämmung gleich mit in der Wand verbaut werden kann, keine Styroporplatte was vor. Und so steigt die Nachfrage, zu langsam, als dass einer auf die Idee kommen würde, vom großen Hype zu sprechen, aber schnell genug, um den Herstellern blendende Geschäfte zu bescheren. Von gut 10 auf 17 Prozent ist der Anteil der Fertigbauten innerhalb von zehn Jahren gestiegen.
Kunz glaubt: Es könnten auch 30 werden. Zeit, über die Grenzen Marlows hinauszudenken, Werke in ganz Deutschland zu bauen, wo die Kunden sind, anstatt ganze Hauswände Hunderte Kilometer weit durchs Land zu fahren, oder?
Von wegen: „Eines kann ich ausschließen: dass wir woanders produzieren als hier in Marlow“, sagt Kunz. Und meint: Wer nur die Geschichte vom märchenhaften Wachstum erzählt, der hat den Kunz nicht ganz begriffen. Denn zu diesem Unternehmermärchen gehört, was auch im echten nicht fehlen darf: ein echter König. Kunz hüllt seinen Anspruch in die klassische Mittelstandsprosa: „Ich habe doch eine Verantwortung für die Mitarbeiter hier vor Ort. Wenn meine Werke über das ganze Land verteilt lägen, dann müsste ich mich nur noch um Zahlen kümmern. Ich kann aber doch nur wirklich verstehen, was ich auch mit eigenen Händen anfassen kann!“ Und so investiert Kunz seine Ideen und seine Gewinne darin, sich rund um Marlow ein kleines Reich zu errichten.
Angefangen hat alles mit dem Hotel. Anfangs verkaufte Kunz seine Häuser nur in Mecklenburg-Vorpommern, wenn sich ein neuer Kunde fand, dann schickte er seine Architekten vorbei, um mit denen die Planung durchzusprechen. Morgens Abfahrt, mittags der Termin, abends waren sie wieder zurück in Marlow. Doch je weiter sich die Kundschaft über das Bundesgebiet verteilte, desto aufwändiger wurden diese Ausflüge. „Da habe ich mir gedacht: Es wäre doch viel besser, wenn die Kunden zu uns nach Marlow kämen!“ Tolle Idee – für Kunz. Aber warum sollten Kunden aus Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen sich einen halben Tag lang ins Auto setzen, nur für eine Besprechung in diesem Nest namens Marlow?
In der örtlichen Diskothek Schützenhouse steigt, als sei der Name nicht genug, die Euro Night mit DJ Benny, Longdrinks gibt es ab einem Euro aufwärts, doch das dürfte als Reisegrund kaum ausreichen. Also hat Kunz sich seine Inspiration ein bisschen weiter entfernt geholt. „Sie kennen ja die Autowelt in Wolfsburg. So was, habe ich mir gedacht, brauchen wir auch für unsere Fertighäuser.“ Also baute Kunz das Hotel Recknitztal gegenüber seiner Fabrik, das mit seiner gehobenen Küche und seinem Wellnessbereich schnell Kunden anzog, die sich für Fertighäuser sonst gar nicht interessierten. Und wieder folgte Kunz dem Prinzip Geile Kiste: Wenn etwas im kleinen Rahmen funktioniert, warum probiere ich es dann nicht eine Nummer größer?
Seitdem kauft Kunz Immobilien an der Ostsee, wo sich eine Gelegenheit dazu bietet. Und verfügt in Rostock und Warnemünde inzwischen über einen Bestand im dreistelligen Millionenwert. Den jüngsten Geschäftszweig hat Kunz in sein Portfolio aufgenommen, als ihm das Bier nicht so recht schmecken wollte, das er in seinen eigenen Hotels serviert bekam. Seitdem steht nebenan die Marlower Brauerei, die seine Hotels versorgt und selbst zur Touristenattraktion geworden ist.
Wie ist es Kunz gelungen, den Erfolg beim Verkauf von Fertighäusern auf zwei andere Branchen auszuweiten? „Vielleicht liegt es daran, dass ich kein Ingenieur bin, sondern Vertriebler“, sagt Kunz und präzisiert. „Ich könnte auch Damenstrümpfe oder Fernseher herstellen, völlig egal. Ich bin ein Mann des Füllfederhalters!“ Dass da etwas dran sein könnte, zeigt sich bei einer Werksbesichtigung. Für die tüftelnden Maschinenbauer dieses Landes ist das gemeinhin der Zeitpunkt, an dem sie zuverlässig in Ekstase geraten. Für Kunz hingegen ist der Gang in die Produktion vor allem eine Gefahr, sich die Schuhe dreckig zu machen.
Mit der Abwärme von der Produktion lässt Kunz zwar den Chefparkplatz heizen, um ihn trocken und sauber zu halten, doch auf den Flächen dahinter wird gehobelt, oft gesägt, und so fallen die Späne. Und so hält sich Kunz immer am Rand und schließt die Begehung nach wenigen Sätzen ab. „Wollen wir vielleicht noch rübergehen und uns das Hotel ansehen?“