Lange hatten viele Unternehmen nicht nur mit den Schwierigkeiten im eigenen Land zu kämpfen. „Made in Turkey“ galt als Nachteil. Denn Qualität und Service wurden in Deutschland lange belächelt. „In den 80er und 90er Jahren waren unsere Produkte lange nicht so gut angesehen wie die deutschen“, sagt Hüsamettin Onanc. Er ist Geschäftsführer der Bad- und Fliesen-Sparte der Eczacibasi-Gruppe und verantwortlich für die deutschen Zukäufe seines Unternehmens. Um am deutschen Markt zu bestehen, brauchte er lokale Produkte, um den Qualitäts- und Serviceansprüchen gerecht zu werden und in die Vertriebsnetze zu kommen.
2006 kaufte sich die Eczacibasi-Gruppe in Deutschland ein, übernahm zunächst den Fliesenhersteller Engers aus Neuwied bei Koblenz. Ein Jahr später folgten die Fliesensparte von Villeroy & Boch und ein Jahr später die Übernahme des Badezimmereinrichter Burgbad aus Schmallenberg im Sauerland. „Wir haben erst versucht, nur mit unserer Marke Vitra in den deutschen Markt einzusteigen, aber da mussten wir herbe Verluste und Rückschläge hinnehmen“, sagt Onanc. „Türkische Produkte waren einfach nicht so anerkannt.“
Investitionen in Villeroy & Boch
Für die deutschen Villeroy und Boch war der Einstieg von Vitra die Rettung. Die Fliesensparte schrieb Millionenverluste, die Produktionsmengen waren zu klein, die Preise zu hoch. Onanc verlagerte die Produktion einfacherer Fliesen in die Türkei, um sie dort kostengünstiger zu produzieren und investierte gleichzeitig mehrere Millionen Euro in die deutschen Werke von Villeroy & Boch. Die Produktion von hochwertigen Produkten wie Feinsteinzeug beließ er in Deutschland. Auch die Marke Villeroy & Boch erhielt Eczacibasi als Premium-Marke, ihre eigene für das mittlere und untere Segment.
Insgesamt verdreifachte Vitra mithilfe der deutschen Zukäufe sein Wachstum auf dem ausländischen Markt. Mit 5700 Mitarbeitern machte die Bad-Sparte der Eczacibasi Gruppe 2011 einen Umsatz von 613 Millionen Euro. In den nächsten Jahren will sie zunächst in Russland stark werden. Mittelfristig steht Indien auf dem Plan.
Ähnlich wie die Eczacibasi-Gruppe kaufte auch die Istanbuler Yildiz-Gruppe in Europa zu. Zur Yildiz Gruppe gehören 65 Unternehmen, unter anderem der Süßwarenhersteller Ulker und andere Hersteller von Getränken oder Körperpflegeprodukten. 2007 kaufte Yildiz für rund 600 Millionen Euro den belgischen Schokoladenhersteller Godiva, der bislang zum amerikanischen Suppenkonzern Campbell gehört hatte und erhoffte sich damit eine große Präsenz auf dem europäischen Markt. Im gleichen Jahr übernahm das Unternehmen Beko, das zur Koc-Gruppe gehört, den Nürnberger Fernsehhersteller Grundig.
Die Chancen stehen gut, dass im nächsten Jahr noch mehr Unternehmen dazu kommen. Schließlich hat sich die Türkei ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2023 peilt sie Rang zehn unter den größten Volkswirtschaften an, das Pro-Kopf-Einkommen soll auf 25000 US- Dollar steigen.