Nie zuvor haben Chinesen so viel Geld ausgegeben, um sich an deutschen Firmen zu beteiligen: Mehr als zehn Milliarden Euro waren es allein im vergangenen Jahr. Einer der aufsehenerregendsten Deals war der Verkauf von Ledvance. Der Lichttechnikkonzern Osram hat den Lampenhersteller im Frühjahr für 500 Millionen Euro an das chinesische Unternehmen MLS verkauft. Kurz nachdem Osram den Verkauf angekündigt hatte, wurde bekannt, dass Osram selbst im Visier der Chinesen war, ein Unternehmen mit immerhin 17.000 Patenten.
Als eine Debatte über den drohenden Ausverkauf deutscher Unternehmen ausbrach, stoppte das Wirtschaftsministerium den Ledvance-Verkauf vorläufig. Erst im Januar genehmigten die Behörden den Eigentümerwechsel. Zäh lief auch der Verkauf der Privatbank Hauck & Aufhäuser, der zur gleichen Zeit stattfand. Eineinhalb Jahre dauerte der Prozess.
Das war nicht immer so schwierig: Der Maschinenbauer KraussMaffei etwa ging, ohne dass Einwände laut geworden wären, 2016 an den Chemiekonzern ChemChina.
Die Gesprächspartner
Jes Munk Hansen ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Ledvance. Bevor er den Posten bei Ledvance übernahm, leitete er mehrere Jahre Osram Sylvania. Vor seinem Engagement bei Osram war er Chef von Grdunfos North America, der US-Sparte des Marktführers für Pumpenlösungen. Hansen hat einen MBA (Master of Business Administration) an der London Business School erlangt und den Master of Science der Universität Kopenhagen in Forstwirtschaft.
Stephan Rupprecht (geb. 1962) absolvierte die Ausbildung zum Bankkaufmann und Zusatzausbildung zum Bankfachwirt. Er arbeitete von 1981 bis 1987 bei der Bayerischen Vereinsbank AG, von 1987 bis 2001 in leitenden Positionen bei der Commerzbank AG und wechselte 2001 zur UBS Deutschland AG. Dort übernahm er die Regionalleitung Bayern und wurde Mitglied des Executive Boards. Seit Juli 2012 ist Stephan Rupprecht Partner bei Hauck & Aufhäuser. Im Konzern ist er für das Kerngeschäftsfeld Vermögensmanagement verantwortlich.
Frank Stieler ist seit Juli 2015 Vorstandsvorsitzender von KraussMaffei. Der studierte Jurist arbeitete in den 1980er Jahren zwei Jahre als Anwalt, bevor er in die Industrie wechselte. Über mehrere Stationen bei verschiedenen Metallbauern und Energieunternehmen kam er 2001 zu Siemens, wo er 2008 CEO der Oil & Gas Division des Siemens Energy Sector wurde. 2009 wechselte er zum Baukonzern Hochtief in den Vorstand, 2011 wurde er dessen Vorsitzender.
WirtschaftsWoche: Herr Hansen, vor einigen Monaten wurde Ledvance von einem chinesischen Unternehmen übernommen. Will China sich so an die Mutter Osram mit ihrer weltbekannten Marke und den Patenten heranpirschen?
Hansen: Davon kann keine Rede sein. Nicht die Chinesen haben uns ins Visier genommen, sondern wir waren es, die aktiv auf der Suche nach einem neuen Eigentümer waren und das Konsortium ausgesucht haben, in dem MLS einer von drei Partnern ist.
Was wollen die Chinesen denn mit Ledvance, einem Hersteller von Glühbirnen und Leuchtstoffröhren? Das ist doch Old Economy.
Hansen: Der Anteil von LED-Produkten an unserem Umsatz liegt bei rund einem Drittel und wächst kontinuierlich. Noch wichtiger für die Chinesen sind aber unsere Marken, der starke Marktzugang in Europa und Amerika, unser Vertriebs- und Logistiknetzwerk, die IT-Systeme und auch unser Know-how, wie man eine Firma global führt. Bei uns geht es um Allgemeinbeleuchtung, nicht um Hightech. Die anfänglichen Bedenken des deutschen Wirtschaftsministeriums waren deshalb unbegründet.
Übernahmen chinesischer Firmen in Deutschland
Die chinesische Holding Beijing Enterprises gab Anfang Februar 2016 bekannt, den Müllverbrennungsspezialisten EEW Energy from Waste aus Helmstedt für rund 1,44 Milliarden Euro zu übernehmen.
Der Spezialmaschinenbauer wurde im Januar 2016 von ChemChina, dem größten Chemiekonzern Chinas, für 925 Millionen Euro gekauft. ChemChina kam unlängst erneut in die Schlagzeilen – mit einem 43-Milliarden-Dollar-Angebot für den Schweizer Agrarchemie-Anbieter Syngenta.
Das chinesische Unternehmen Avic Electromechanical Systems übernahm 2014 den sächsischen Autozulieferer. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt.
Avic übernahm 2014 für 473 Millionen Euro den deutschen Autozulieferer.
Der Industriekonzern Thyssenkrupp schloss 2013 den Verkauf seiner Tochter an den chinesischen Stahlkonzern Wuhan Iron and Steel ab. Zum Preis machten beide Seiten keine Angaben.
2012 stieg der chinesische Nutzfahrzeugproduzent Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion ein. Die Chinesen kauften zunächst für 467 Millionen Euro 25 Prozent an Kion und steigerten 2015 ihren Anteil auf 38,25 Prozent. Außerdem erhielt der Investor für 271 Millionen Euro eine Mehrheitsbeteiligung von 70 Prozent an der Hydrauliksparte Kions.
Der Baumaschinenhersteller Sany übernahm 2012 den Betonpumpenhersteller für gut 320 Millionen Euro.
Der Weltmarktführer für Pkw-Schließsysteme, Kiekert, ging 2012 in chinesische Hände. Der Hersteller aus Heiligenhaus bei Düsseldorf wurde vom börsennotierten chinesischen Automobilzulieferer Lingyun übernommen.
Herr Rupprecht, bei Ledvance hat das Wirtschaftsministerium erst nach monatelanger Prüfung einem Verkauf zugestimmt. War das bei Hauck & Aufhäuser auch so nervenaufreibend?
Rupprecht: Bei Banken werden Übernahmen immer besonders streng geprüft. Da müssen sogar die chinesischen Manager polizeiliche Führungszeugnisse vorlegen. Das Unternehmen Fosun, das uns gekauft hat, hat alle diese Anforderungen erfüllt.
Hatten Sie den Eindruck, dass die Finanzaufsicht chinesische Investoren besonders streng prüft?
Rupprecht: Die Strenge der Europäischen Zentralbank, aber auch der Bundesbank oder der Finanzaufsicht BaFin gilt für alle Banken, unabhängig von der Herkunft der Eigentümer.