WirtschaftsWoche: Frau Pilz, seit einigen Jahren schaut der deutsche Mittelstand vermehrt nach Fernost – mal hoffnungsvoll wegen der neuen Geschäftsmöglichkeiten, mal besorgt bis ängstlich wegen der drohenden Übernahmen durch finanzstarke Investoren aus China. Zu welcher Gruppe gehören Sie?
Renate Pilz: Auf keinen Fall ängstlich! Wir haben seit über 20 Jahren eine Vertriebsgesellschaft in China, seit anderthalb Jahren auch eine eigene Produktion. Kurzum: Wir sind sehr zufrieden.
Zuletzt hat das Veto der USA im Falle der Aixtron-Übernahme hohe Wellen geschlagen. Sollen solche unternehmerischen Entscheidungen in diesem Ausmaß von der Politik beeinflusst werden dürfen?
Aus meiner Sicht ist es die Aufgabe der Politik, Protektionismus zu verhindern. Wir brauchen offene Märkte. Für diesen Rahmen hat die Politik zu sorgen, sollte sich aber nicht weiter in die Wirtschaft einmischen. Den Rest müssen die Unternehmen selbst lösen. Der Fall Aixtron muss aber mit einem anderen Blick betrachtet werden, da die USA befürchten, dass die Produkte für militärische Zwecke genutzt werden können.
Zur Person
Renate Pilz, geboren 1940 in Göppingen, war von 1975 bis 1994 im Beirat des Unternehmens tätig. Anschließend übernahm sie als geschäftsführende Gesellschafterin die Leitung der Pilz GmbH & Co. KG. Zusammen mit Tochter Susanne Kunschert und Sohn Thomas Pilz bildet sie heute die Geschäftsführung des Unternehmens. Hier verantwortet die Unternehmerin das Produktmanagement, die Vertriebssteuerung, den Customer Support und das Marketing. Renate Pilz zeichnet auch für die Internationalisierung des Unternehmens verantwortlich, das heute auf allen Kontinenten vertreten ist.
Müssen Rahmenbedingungen nicht auf Gegenseitigkeit beruhen?
Unbedingt. Wenn man sich die Fortschritte anschaut, die China kulturell und auch politisch gemacht hat, wäre das sicher nicht ohne die wirtschaftliche Öffnung der letzten Jahrzehnte gegangen.
Sie hatten selbst ein Angebot aus China. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?
Wir haben im Laufe der Zeit immer wieder Angebote von anderen Unternehmen bekommen. Nicht nur aus China, auch Firmen aus anderen Ländern hätten uns gerne in ihrem Portfolio gesehen. Aber wir sind ein familiengeführter Mittelständler und wollen das Unternehmen auch in Familienbesitz weiterführen – und das unabhängig. Es ist also unsere Firmen-Philosophie und nicht speziell gegen chinesische Investoren gerichtet.
Und außerhalb des eigenen Unternehmens?
Deutsche und europäische Firmen übernehmen andere Unternehmen ja auch. Man kann niemandem das verwehren, was man anderen zugesteht. Es muss nur fair zugehen. Dass chinesische Unternehmen jetzt deutsche Firmen übernehmen, macht mir keine Sorgen, solange es fair zugeht und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die Mitarbeiter sind für uns das Wichtigste.
Die innovativsten deutschen Mittelständler
Lamilux
Hauptsitz: Rehau (BY)
Produkt: Lichttechnologie
Umsatz: 187 Mio Euro
Innovationsscore: 169
Windmöller Holding
Hauptsitz: Augustdorf (NRW)
Produkt: Bodenbeläge
Umsatz: 120 Mio Euro
Innovationsscore: 170
Maja-Maschinenfabrik
Hauptsitz: Kehl (BW)
Produkt: Lebensmittelverarbeitung
Umsatz: 23 Mio Euro
Innovationsscore: 171
Mekra Lang
Hauptsitz: Ergersheim (BY)
Produkt: Spiegel für Nutzfahrzeuge
Umsatz: 260 Mio Euro
Innovationsscore: 172
Brandt Zwieback
Hauptsitz: Hagen (NRW)
Produkt: Zwieback
Umsatz: 189 Mio Euro
Innovationsscore: 175
Edelmann
Hauptsitz: Heidenheim (BW)
Produkt: Verpackungslösungen
Umsatz: 235 Mio Euro
Innovationsscore: 177
Insiders Technologies
Hauptsitz: Kaiserslautern (RP)
Produkt: Software
Umsatz: 18 Mio Euro
Innovationsscore: 178
Arburg
Hauptsitz: Loßburg (BW)
Produkt: Spritzgießmaschinen
Umsatz: 548 Mio Euro
Innovationsscore: 181
Fischerwerke
Hauptsitz: Waldachtal (BW)
Produkt: Befestigungssysteme
Umsatz: 625 Mio Euro
Innovationsscore: 185
Aquatherm
Hauptsitz: Attendorn (NRW)
Produkt: Rohrleitungssysteme
Umsatz: 91 Mio Euro
Innovationsscore: 182
C. Josef Lamy
Hauptsitz: Heidelberg (BW)
Produkt: Schreibgeräte
Umsatz: 71 Mio Euro
Innovationsscore: 186
Leica Camera
Hauptsitz: Wetzlar (HE)
Produkt: Kameras
Umsatz: 276 Mio Euro
Innovationsscore: 189
Gebr. Kemper
Hauptsitz: Olpe (NRW)
Produkt: Gebäudetechnik
Umsatz: 270 Mio Euro
Innovationsscore: 190
Bahlsen
Hauptsitz: Hannover (NI)
Produkt: Süßgebäck
Umsatz: 515 Mio. Euro
Innovationsscore: 194
Rimowa
Hauptsitz: Köln (NRW)
Produkt: Koffer
Umsatz: 273 Mio. Euro
Innovationsscore: 197
Wer zu Deutschlands innovativsten Mittelständlern gehören will, muss ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen. Die Münchner Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) wertete im Auftrag der WirtschaftsWoche zunächst die Daten von 3500 deutschen Unternehmen aus, die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Euro Umsatz erwirtschaften: Sie analysierten Jahresabschlüsse und Präsentationen, sprachen mit Kunden, Branchenexperten, Geschäftsführern, Inhabern und Beiräten. Danach nahm MSG 400 Unternehmen in die engere Wahl. Für jedes einzelne errechneten die Berater einen eigenen Innovationsscore. „Dabei achten wir darauf, dass sich das Unternehmen durch ständige Neuerungen auszeichnet, von Wettbewerbern als innovativ angesehen wird und eine ideenfördernde Kultur etabliert hat“, erklärt MSG-Gründer und Studienleiter Sebastian Theopold die Kriterien. Zudem flossen auch wirtschaftliche Indikatoren wie Umsatzwachstum und Ertragskraft in die Bewertung ein. Theopolds Fazit: „Wer innovativ ist, wächst auch schneller und erzielt nachhaltigere Erträge.“ Die MSG-Berater analysierten bereits um dritten Mal für die WirtschaftsWoche die Innovationskraft deutscher Mittelständler (Heft 15/2014 und Heft 42/2015). Während beim ersten Ranking noch Maschinenbauer dominierten, sind nun mehr Konsumgüterhersteller unter den Siegern. Die meisten innovativen Unternehmen kommen aus Baden-Württemberg. Den ersten Platz belegt der Kölner Kofferhersteller Rimowa. Rang zwei nimmt der Keksbäcker Bahlsen ein. „Die beiden Vertreter der ,Old Economy’ sind Vorreiter bei der Digitalisierung“, sagt Studienleiter Theopold.
Was ist für Sie fair?
Die Marktmechanismen müssen für alle gelten und alle müssen sich daran halten.
Um in der digitalen Welt und einer vernetzten Industrie mithalten zu können, sind hohe Investitionen notwendig. Schafft Pilz das ohne einen externen Investor?
Wir haben externe Investoren noch nie in Anspruch genommen. Wir investieren seit Jahren 20 Prozent unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung – nicht erst seit Industrie 4.0, sondern seit der Gründung unseres Unternehmens. Mit diesen Investitionen ist es uns gelungen, in unserer Branche immer wieder Standards zu setzen. Als klassischer Mittelständler müssen wir uns jeden Tag gegen die Großen behaupten. Und das geht am besten, wenn wir selbst entscheiden und investieren können. Und das wird auch weiter so bleiben.
Haben Sie im Haus bereits das Knowhow und die Ausrüstung bei der Sie sagen würden: „Damit sind wir für die Herausforderungen gut gerüstet“?
Ja. Wir haben bereits vor knapp zehn Jahren Jahren ein dezentrales Automatisierungssystem für vernetzte Anlagen auf den Markt gebracht, als noch gar nicht über Industrie 4.0 gesprochen wurde. In der Automatisierungstechnik spielen Steuerungen und Sensoren nicht erst seit 2011 eine große Rolle, daran arbeiten wir schon lange. Dazu kommt natürlich, dass wir unsere Entwicklungen auch in der eigenen Produktion einsetzen und erproben können.