Multiline Der Einkleider der Nation

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Arab versichert, mit solchen Machenschaften nichts zu tun zu haben. In seinen Fabriken in Bangladesch seien „höchste ökologische und soziale Standards“ selbstverständlich. Er bezahle seinen Mitarbeitern in den Nähereien mehr als die Mindestlöhne, eigene Mitarbeiter achteten auf die Einhaltung sozialer Standards. Als Beweis für seine Behauptungen führt Arab an, dass Multiline den Verhaltenskodex der Business Social Compliance Initiative (BSCI), einer in Brüssel beheimateten europäischen Unternehmerinitiative, unterzeichnet habe. Dieser basiert auf den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Vereinten Nationen. Zu deren Regeln zählen das Verbot von Diskriminierung, Kinder- und Zwangsarbeit, gesetzliche Mindestlöhne sowie geregelte Arbeitszeiten.

Doch die Glaubwürdigkeit von BSCI ist begrenzt. Die Initiative wurde 2004 von der Foreign Trade Association, einem Lobbyverband großer europäischer Handelsketten wie Carrefour, Metro, Tchibo, Deichmann oder Otto gegründet. Ziel ist es, die Sozialleistungen der Zulieferer weltweit im Rahmen eines einheitlichen Systems zu überwachen. Nichtregierungsorganisationen wie die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) sehen in dem BSCI-Regelwerk jedoch eher ein soziales Deckmäntelchen. Sie bemängeln, dass die Einkaufspraktiken der Handelshäuser nicht hinterfragt würden, obwohl diese oftmals die Ursache für die Verletzung von Arbeitsrechten seien. Zudem beziehe sich der Kodex nicht auf die gesamte Lieferkette, sondern spare Sublieferanten aus. Schließlich würden Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen nicht als Mitglieder in Kontrollgremien akzeptiert.

Die Kritik ist durchaus begründet. So stieß die CCC auf menschenunwürdige Zustände bei Nähereien in Bangladesch, die für Lidl produzierten – obwohl Lidl mit dem BSCI-Zertifikat warb. Seitdem verzichtet Lidl auf Werbung mit angeblich fairen Arbeitsbedingungen bei Lieferanten.

Finger weg von Politik

Arab schwört, keine Geschäfte mit Ketten zu machen, die sich unsauberer Lieferanten bedienen. „Für uns sind sie als Kunde inakzeptabel und deshalb gesperrt“, sagt er. Namen nennt er keine, doch die schwarzen Schafe sind in der Branche bekannt. Der Billigkette KiK etwa wurde nachgewiesen, unter welchen unwürdigen Bedingungen ihre Klamotten in Bangladesch genäht werden. KiK -jedenfalls fehlt in Arabs imposantem Showroom. Bert Hentschel setzt deshalb bei Arab mehr auf Vertrauen denn auf Kontrolle. „Was die Arbeitsbedingungen in seinen Betrieben angeht, habe ich bei ihm ein gutes Gefühl“, sagt der Chef des Modeversenders Walbusch. Selber vor Ort, etwa in Bangladesch, sei er noch nicht gewesen.

Arab hätte viel zu verlieren, sollte er zur Zielscheibe von Menschenrechtsorganisationen werden. Er kramt Fotos hervor vom Treffen der Global Initiative des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton: Er, Arab, Deutschlands unbekannter Klamottenkönig, zusammen mit Microsoft-Gründer Bill Gates und Richard Branson, der britischen Unternehmerlegende. Seit 2006 gehört Arab zum erlauchten Kreis von weltweit 1000 Personen aus Wirtschaft, Politik und Showgeschäft, die mit üppigen Spenden soziale Projekte finanzieren.

Ein politischer Mensch ist Arab deswegen aber nicht. Noch zu Beginn des Jahres hatte er die Lage in seinem Heimatland Syrien als stabil geschildert und behauptet, das Volk mache einen zufriedenen Eindruck. Jetzt sei er „schockiert“ über die Gewaltexzesse der jüngeren Vergangenheit. Einen für Ostern geplanten Besuch bei seiner Schwester in Aleppo blies er kurzerhand ab und jettete mit seiner Familie lieber für ein paar Tage nach New York.

Natürlich, sagt Arab, werde er zu wichtigen Anlässen – auch von der syrischen -Regierung – eingeladen. Er nehme aber nur Einladungen an, die einen klaren wirtschaftspolitischen Hintergrund hätten, etwa die Verbesserung der deutsch-syrischen Handelsbeziehungen oder die Einhaltung von Umwelt- und Qualitätsstandards. Ansonsten ist der Orientale vom Rhein in erster Linie Geschäftsmann und pflegt die Maxime „Don’t touch politics“ – Finger weg von Politik. „Damit“, sagt er, „sind wir drei Generationen lang gut gefahren.“

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