Prämienzahlungen Banker kassieren trotz Finanzkrise Milliarden als Bonus

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Ex-Citigroup-Chef Sandy Weill Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Die Banken profitieren durchaus davon, wenn ihre Angestellten ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Etwa dann, wenn ein Händler auf Kosten der Kunden den Ertrag optimiert. Möglich ist das, wie Banker berichten, etwa bei Kapitalerhöhungen börsennotierter Unternehmen. Aktien werden hier üblicherweise im Lauf eines Vormittags in den Markt gedrückt. Bei der Zuteilung bleibt den Bankern Spielraum. Dabei gibt es gleich zwei Möglichkeiten, wie sie profitieren können.

Wenn beispielsweise eine Aktie, die zu 19,50 Euro platziert werden soll, in der Platzierungsphase so stark gefragt ist, dass der Kurs beständig über 20 Euro liegt, kann die Bank entweder mehr Aktien auf die eigenen Bücher nehmen und den Kunden, die geordert haben, weniger Aktien zuteilen oder Stammkunden bevorzugen. Die Bank kann sich auch Aktien leihen, diese zum Kurs von über 20 Euro am Markt verkaufen und die geliehenen Stücke später aus der für die Platzierung bestimmten Tranche zu 19,50 Euro zurückgeben. Legal ist das freilich nicht.

Gravierender als solche Einzelfälle ist freilich der institutionalisierte Anreiz, Kunden zu riskanten oder sinnlosen Geschäfte zu drängen. Dabei rechnet es sich für einen Übernahmeexperten in den meisten Fällen, wenn er einem Kunden einen Firmenkauf aufschwatzt, der strategisch keinen Sinn ergibt, oder ihn in eine Beteiligung drängt, die sich als Groschengrab erweist. Hauptsache, das Volumen stimmt.

Zu den großen Profiteuren des Deal-Drucks gehörten in den vergangenen Jahren die Private-Equity-Firmen. Fast grenzenlos wurden sie mit frischem Geld für Übernahmen ausgestattet, alle Sicherheiten dabei fallengelassen. Dass sie die Investoren damit zu schädlicher Finanzakrobatik anstifteten und manches übernommene Unternehmen anschließend unter einem gewaltigen Schuldenberg begraben lag, interessierte die Banker nicht.

So wundert es auch nicht, wenn mancher Investor jetzt über die große Gier der Banker spottet. „Wenn die Jungs im April aus dem Ski-Urlaub wiederkommen und feststellen ,Hoppla, ich hab ja noch gar nichts für meinen Bonus getan‘, kommen die anschließend wieder auf uns zu“, sagt ein Top-Manager einer angelsächsischen Private-Equity-Gesellschaft. Im Augenblick herrscht freilich noch Katerstimmung, weil sich viele Kreditpakete aus Übernahmen nur mit massiven Abschlägen weiterverkaufen lassen und somit die Investmentbanken selbst zu den Verlierern zählen.

Ihr sogenanntes Alpha und damit den Hauptbestandteil ihres Bonus können die Banker nur optimieren, wenn sie besser abschneiden als die Marktentwicklung. Da verwundert es nicht, dass sie in den vergangenen Jahren herzhaft in die auf wackeligen US-Immobilienkrediten basierenden Kreditkonstruktionen investierten. Diese waren zwar ziemlich riskant, brachten aber in den ersten Jahren auch eine deutlich höhere Rendite als solide, aber eben auch langweilige Staatsanleihen – bis die Blase im vergangenen Sommer platzte.

Was aber tun die Banken? Um das eigene Vermögen zu schonen und gleichzeitig die Loyalität ihrer Mitarbeiter zu erhöhen, zahlen fast alle in diesem Jahr einen größeren Anteil der Boni in Aktien oder Optionen aus. Die zusätzliche Hoffnung dahinter: Wenn die Sonderzahlungen erst in fünf oder sechs Jahren fällig werden, senkt das die Lust an allzu kurzfristig orientierten Spekulationen. „Der Anteil liegt in diesem Jahr bei etwa 50 bis 60 Prozent“, sagt Personalberater Halin. Generell gilt: Je höher ein Banker in der Hierarchie steht, desto höher ist auch der Anteil der Papiervergütung. „Ganz oben geht das bis nahezu 100 Prozent“, sagt Halin.

So hat etwa der neue Chef der hart getroffenen Bank Merrill Lynch John Thain kürzlich zwei Top-Bankern den Barbonus komplett gestrichen. Zudem kündigte er eine Reform des Bezahlsystems an. Es soll sich stärker am Gesamtwohl der Bank als an der einzelnen Leistung orientieren.

Es gibt noch weitere Ansätze: So sperrt etwa die Credit Suisse einem Teil ihrer Händler den Bonus für zwei Jahre, abgerechnet wird also über einen längeren Horizont. Ein innovatives Konzept verfolgt auch die deutsch-italienische Investmentbank Leonardo, bei der auch die in Befragungen ermittelte Kundenzufriedenheit über die Höhe der Sonderzahlung entscheidet.

Der Aufwand, den die Banken treiben, um den Wert ihrer Mitarbeiter zu ermitteln, ist zudem deutlich gestiegen. Investmentbanken tauschen sich inzwischen darüber aus, welche Boni sie in welcher Funktion und Hierarchieebene ausschütten, um den Markt für sich transparenter zu machen. Auch Personalberatungen werden verstärkt zu Rate gezogen, um den Marktwert einzelner Mitarbeiter zu ermitteln.

Einen Trend zu mehr Transparenz gibt es auch bei der Bonuszuteilung. So würden inzwischen die Personalabteilungen genau darauf schauen, wie die Boni in den einzelnen Abteilungen verteilt werden, und gegebenenfalls auch eingreifen. Sogenannte Compensation Committees sollen darüber wachen, dass niemand sich oder seinen Kollegen willkürlich die Taschen füllt. „Natürlich gibt es bei der Zuteilung der Boni einen gewissen Ermessensspielraum, weil weiche Faktoren wie Teamfähigkeit in die Bewertung einfließen“, sagt ein leitender Investmentbanker. „Aber dass jemand seine Freunde mit Geld zuschüttet, gibt es nicht mehr.“

Die Marktlage spielt den Instituten durchaus in die Karten. Das merken etwa wechselwillige Banker. „Es ist schwieriger, Garantien wie in den vergangenen Jahren zu bekommen“, sagt Tim Zühlke, Chef der Personalberatung Indigo Partners.

Wirklich wirksame Reformen lassen sich jedoch wohl nur unter Druck durchsetzen: „Wenn institutionelle Investoren in Richtung einer langfristig orientierteren Bezahlung drängen, werden sich die Banken dem kaum widersetzen können“, meint Experte Halin. Denn da gerade die Top-Manager die größten Profiteure des gegenwärtigen Systems sind, haben sie nur wenig Interesse daran, von sich aus etwas zu ändern.

Zumindest bei den Privatanlegern ist der Zorn schon groß. „Es gibt einen fundamentalen Interessenkonflikt“, sagt Volker Pietsch, Vorstand des deutschen Instituts für Anlegerschutz in Berlin. „Während Anleger langfristig orientiert sind und ihre Altersvorsorge sichern wollen, handeln Investmentbanker extrem kurzfristig.“ Im Gegensatz zu den Aktionären hätten diese dann bereits nach kurzer Zeit ausgesorgt. „Manche Zahlungen werfen die Frage auf, ob das Management eine Bank überhaupt noch steuern kann“, sagt Pietsch. Das System leistungsabhängiger Bezahlung stellt niemand infrage. Doch wenn Banken immer mehr für Boni ausgeben, ist das aus Aktionärssicht bedenklich.

Fraglich, ob sich daran grundsätzlich etwas ändert. Doch selbst für unsicherere Zeiten hat „Trader Monthly“ eine passende Empfehlung für die Bonijäger parat. Das Magazin rät seiner Klientel zu einer Investition in echte deutsche Wertarbeit. Ab 155.000 Dollar können sich besorgte Millionenjongleure einen Luxussafe der Marke Döttling bestellen, ganz individuell zusammengeschweißt und mit edlem Leder ausgelegt. Zu den Sonderausstattungen zählen ein Uhrenregal, ein Gewehrschränkchen und ein Humidor. Der stabile Stahlschrank garantiert so, dass Zigarren längere Zeit frisch bleiben. Mindestens bis zum nächsten Bonus.

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