Versicherungen Kunden müssen um Kulanz fürchten

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Daran lässt sich gut verdienen. Wenn Policen den Besitzer wechseln, wandert das zugehörige Finanzpolster für eventuelle Ansprüche mit, oder der Verkäufer zahlt eine Mitgift. Der Abwickler kann das Geschäft bei mehreren Portfolios effizienter managen und bei der Schadensregulierung sparen. Erfolgreiche britische Abwickler, in der Branche „Run-off-Firmen“ genannt, erzielen so Eigenkapitalrenditen von mehr als 20 Prozent.

Verbraucher und Unternehmen hingegen müssen sich darauf einstellen, dass die Abwickler dort genauer hinschauen, wo der frühere Versicherer um der Kundenbindung willen oft Kulanz walten ließ: bei der Schadensregulierung.

Das Sparpotenzial verdeutlicht Darag-Vorstand Gossmann an einem mit 300 000 Euro versicherten Hallendach, das vom Sturm weggerissen wurde. Bisher erhielt der Kunde sein Geld beinahe automatisch, wenn er eine Rechnung über 280 000 Euro für ein neues Dach einreichte. Bei eingehender Prüfung der Darag könne sich aber herausstellen, dass auch eine Reparatur möglich sei – macht 80 000 statt 280 000 Euro.

"Kunden fair behandeln"

„Wir werden die Kunden fair behandeln und Schäden vernünftig regulieren“, beteuert Gossmann. Schließlich gälten Verbraucherschutz-Regeln für die Darag genauso wie für andere Versicherer. Interessenvertreter der Versicherungsnehmer sind jedoch skeptisch. „Die ökonomische Position des Kunden ist im Versicherungsfall tendenziell schwächer“, sagt Leberecht Funk, Präsident des Verbands Deutscher Versicherungs-Makler. „Bedenklich“ findet der Chef der Maklergruppe Funk in Hamburg zudem, dass er sich den neuen Vertragspartner nicht aussuchen könne. Kulanz sei bei den Profi-Abwicklern ein Fremdwort.

In Großbritannien sind die Versicherungs-Bestatter längst ein prosperierender Wirtschaftszweig. Dort schützt inzwischen die Aufsicht FSA mit Fairness-Regeln die Klienten. Einen Vorgeschmack, was hier kommen könnte, gibt ein abwicklungserfahrener deutscher Rückversicherer: So riskiert die frühere Gerling-Tochter Global Re, die sich seit 2002 selbst auflöst, derzeit einen Rechtsstreit mit ihrem Kunden HDI-Gerling in Hannover. Dem Vernehmen nach knausert Global Re bei der Regulierung von Auto- und Industriehaftpflichtschäden, die die Ex-Schwester HDI-Gerling dort abgesichert hatte. Die Hannoveraner haben Global Re nun auf Zahlung von 14 Millionen Euro verklagt.

Gespräche geplatzt

Dem Vernehmen nach hatte Darag bereits einen Vorstoß beim Rettungspool Protektor unternommen. Den hatte die Branche 2003 gegründet, um die marode Mannheimer Lebensversicherung aufzufangen. Seitdem wickelt Protektor die Verträge ab. Vorstandschef Jörg Westphal bestätigt gegenüber der WirtschaftsWoche, dass 2008 Gespräche mit Investoren stattgefunden hätten – und geplatzt seien. Protektor gilt als kundenfreundliches Gegenmodell zu den neuen Darag-Eigentümern und erhöhte zum Beispiel trotz fehlenden Neugeschäfts zuletzt sogar die Überschussbeteiligung.

Auch die neuesten Ideen des Protektor-Chefs unterscheiden sich deutlich von den Gepflogenheiten professioneller Versicherungsabwickler. „Dazu gehört auch“, kündigt Westphal an, „dass wir in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde Kunden einzelner Tarife freiwillige, lukrative Abfindungsangebote machen werden.“

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